26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.08.08 / Kein Frieden im Irak / Religiös motivierte Unruhen machen immer mehr Nachbarn zu Feinden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Kein Frieden im Irak
Religiös motivierte Unruhen machen immer mehr Nachbarn zu Feinden
von Wilhelm v. Gottberg

Am 19. März 2003 befahl der amerikanische Präsident George W. Bush dem Militär der USA den Angriffskrieg gegen den Irak. Nur fünf Wochen später, im April 2003, formulierte er für die Weltöffentlichkeit, daß die Kriegshandlungen im Irak beendet seien. Eine Fehleinschätzung, wie wir heute wissen, wie sie gravierender nicht sein konnte.

In etwa drei Monaten wird der Kriegszustand und die militärische Besetzung des Irak mehr als fünf-einhalb Jahre andauern und damit die Gesamtdauer des Zweiten Weltkrieges in Europa übertreffen. Im Land zwischen Tigris und Euphrat wird gekämpft, drangsaliert, gemordet und tausendfach gestorben.

Ist der Irakkrieg noch ein Thema in Deutschland? Eher nicht, es sei denn, Randerscheinungen des Krieges lassen die chaotischen Zustände im Lande bei uns zum Thema werden. So wie jetzt, wenn die politische Klasse in Deutschland darüber diskutiert, ob man wegen ihrer fortwährenden Gefährdung Christen aus dem Irak bei uns aufnehmen müsse.

Über die Hintergründe des anhaltenden Kriegszustandes im Irak wird im westlichen Europa nur einseitig berichtet. Der Kampf gegen die Terrororganisation Al-Kaida – so will man glauben machen –, die mit ihren hinterhältigen Sprengstoffanschlägen den Irak nicht zur Ruhe kommen läßt, verhindert die Befriedung des Landes und den Abzug der anglo-amerikanischen Besatzungstruppen. Dies ist nur die halbe Wahrheit.

Der Irak wurde durch den völkerrechtswidrigen Angriff der USA und ihrer Verbündeten – die Koalition der Willigen – völlig destabilisiert. Das Land ist ein Kunststaat, maßgeblich von den Briten nach Ende der Kolonialzeit in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschaffen. Verschiedene Ethnien des Landes haben miteinander Rechnungen zu begleichen. Bisher wurden sie, auch schon lange vor Saddam Hussein, von totalitären Regimen eisern zusammengehalten.

Bürgerkriegsähnliche Unruhen, teilweise religiös motiviert, Kleinkriegsscharmützel um Einflußzonen – wer hat das Sagen in den Erdölregionen? –, aber auch aufrichtige patriotische Empfindungen gegen die westlichen Besatzer lassen Hunderte Kämpfer in Heckenschützenmanier mit schmutzigen Anschlägen agieren.

Auch auswärtige Geheimdienste mischen im Irak mit. Die USA verdächtigen den Iran, zumindest mittelbar, an den Sprengstoffattentaten mitzuwirken. Die Türkei will nicht zulassen, daß sich irakische Kurden im Nordirak etablieren und Zugriff auf die Erdölregion Kirkuk haben. Ungeniert marschiert der EU-Beitrittskandidat in den Nordirak ein und bekämpft dort vermeintliche oder tatsächliche Terrorzellen der PKK.

Das Chaos im Irak stellt sich heute als eine hochproblematische Gemengelage dar, für die es noch keinen Lösungsplan gibt. Wollten nicht die Amerikaner und Briten den Irak mit Freiheit und Demokratie beglücken? Man hätte wissen müssen, daß sich das irakische Volk nicht nach Freiheit und Demokratie gesehnt hat. Es wollte von den Leiden befreit werden, die ein totalitäres Regime zwangsläufig für die Beherrschten mit sich bringt. Vor allem aber wollten die Menschen die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen, die schon nach dem ersten Golfkrieg 1990/91 über das Land verhängt worden waren. Sie führten zu gravierender Mangelversorgung der Menschen, auch deshalb, weil dem Land die freie Entscheidung über den Erdölexport verboten wurde. Der Irak galt bisher nach Saudi-Arabien als das Land mit den zweithöchsten Erdölreserven. Der explodierte Rohölpreis hat auch die Ursache, daß der Irak als Erd-ölexporteur zu einem großen Teil ausgefallen ist.

Zurück zu den Christen im Irak. Es war ja schon ausgemacht, daß Deutschland eine größere Zahl von ihnen aufnehmen werde, weil sie in ihrer Heimat starkem Verfolgungsdruck ausgesetzt seien. Erst die Bitte des irakischen Ministerpräsidenten Maliki, geäußert bei seinem kürzlich stattgefundenen Besuch in Deutschland, daß man die Christen im Irak belassen möge, weil sie für den Aufbau des Landes benötigt werden, bewirkte bei der Bundesregierung im Zusammenwirken mit den EU-Partnern ein Umdenken. Nun will man abwarten und im Herbst darüber neu beraten.

Seit knapp 2000 Jahren bekennen sich Menschen zum Christentum. Ebenso lange leben Christen im Irak. Unter Saddam Hussein blieben sie unbehelligt, wenn sie sich nicht politisch betätigten. Nun, wo scheinbar Demokratie und Freiheit im Irak vor dem Durchbruch stehen, leiden Christen im Lande unter Verfolgungsdruck. Ein makabres Ergebnis der anglo-amerikanischen Intervention, wenn damit das Ende des Christentums im Irak besiegelt würde.

Foto: Kunststaat: Briten faßten nach der Kolonialzeit Sunniten, Schi-iten, Kurden und Christen in einem Staat zusammen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren