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09.08.08 / Streit um Missionierung / Rußland und Ukraine ringen um Taufjubiläum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Streit um Missionierung
Rußland und Ukraine ringen um Taufjubiläum
von M. Rosenthal-Kappi

Nicht Verhandlungen über Energiepreise waren der Anlaß für neue politische Spannungen zwischen der Ukraine und Rußland, nein, diesmal sorgte die Feier eines Taufjubiläums für Verstimmung. Es handelt sich um den 1020. Jahrestag der Christianisierung der Rus.

Die Kiewer Rus gilt als erster russischer Staat, der als Vorläuferreich für Rußland, Weißrußland und die Ukraine gilt, und dessen Zentrum Kiew war. Da Kiew die Hauptstadt des heutigen Staates Ukraine ist, sieht die Ukraine sich nun als rechtmäßige Nachfolgerin der Kiewer Rus. Um damit verbunden die Notwendigkeit einer eigenen, unabhängigen ukrainisch-orthodoxen Kirche zu untermauern, ließ Staatschef Viktor Juschtschenko Ende Juli die 1020-Jahrfeier der Christianisierung der Rus feiern. Die Russen empfanden dies als Provokation, zumal bereits 1988 die Tausendjahrfeier der Christianisierung Rußlands in Moskau begangen wurde und jetzt kein rundes Jubiläum anliegt. Sie werfen der ukrainischen Regierung vor, das Jubiläum zu Propagandazwecken mißbrauchen zu wollen.

Hintergrund des aktuellen Streits ist, daß die Ukraine nach der 1991 erreichten politischen Unabhängigkeit nun auch die kirchliche Unabhängigkeit von Moskau erlangen will. Zur Zeit gibt es in der Ukraine drei untereinander widerstreitende orthodoxe Kirchenzweige. Die Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats löste sich bereits Anfang der 90er Jahre vom unter dem Einfluß des Kreml stehenden Moskauer Patriarchat ab, wofür ihr Oberhaupt, der selbsternannte Metropolit Filaret, von Alexi II., Patriarch von Moskau und ganz Rußland, als „Abtrünniger“ mit dem Kirchenbann belegt wurde. Dann gibt es noch die Autokephale Orthodoxe Kirche, die schon 1917 gegründet wurde. Beide Kirchen sind von keiner der orthodoxen Kirchen in der Welt anerkannt. Anerkannt ist nur die Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats.

Schon 1992 bemühten sich die weltlichen Staatsoberhäupter, die verfeindeten Zweige der ukrainischen orthodoxen Kirchen zu vereinigen. Damals war es Krawtschuk, der Einfluß auf die Kirche in der Ukraine nahm, heute spricht Viktor Juschtschenko sich für eine „Nationalkirche“ aus. Diese möchte er um den Kirchenzweig des Patriarchen Filarets der Unabhängigen Orthodoxen Kirche von Kiew herum ansiedeln. Die Jubiläumsfeier sollte dazu dienen, eine Entscheidung über die Anerkennung herbeizuführen. Bartholomäus I., Patriarch von Konstantinopel und Ehrenoberhaupt aller orthodoxen Christen, war zur Feier aus Istanbul angereist und wurde in Kiew würdevoll hofiert. Das hielt jedoch den Moskauer Patriarchen Alexi II. nicht von seinem Besuch ab. Im Vorfeld beklagte sich die russische Seite aber darüber, daß dem russischen Kirchenoberhaupt ein weitaus kühlerer Empfang bereitet wurde als dem griechischen Gast.

Am Ende hat sich der Aufwand für die Ukraine nicht gelohnt. Bartholomäus I., der als reformorientierter Vertreter der orthodoxen Kirche gilt, verweigerte einer ukrainisch-orthodoxen Kirche seinen Segen. Die Abspaltung einer ukrainischen Nationalkirche wird dennoch nicht zu verhindern sein.


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