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09.08.08 / Putin läßt nicht locker / Eisern hält der Premierminister an seiner Politik des Staatskapitalismus fest

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Putin läßt nicht locker
Eisern hält der Premierminister an seiner Politik des Staatskapitalismus fest
von M. Rosenthal-Kappi

So kennt man ihn, so lieben ihn die Russen. In gewohnt aggressiver Weise attackierte Premierminister Putin gleich zweimal innerhalb einer Woche den Kohle-Stahl-Konzern Mechel, warf ihm Steuerhinterziehung, Preismanipulationen sowie eine preistreibende Kohleverknappung im Inland vor. Das Unternehmen hatte seine Kokskohleprodukte zu einem Viertel des Inlandspreises ins Ausland geliefert, was dem ohnehin schon durch die hohe Inflationsrate geschwächten russischen Binnenmarkt weitere Probleme bereitete: Die Kohle wurde nicht nur teuer, sondern auch knapp. Russische Konzerne nutzen sogenannte „Offshore“-Firmen im Ausland, um ihre Steuerlast in Rußland zu minimieren. Dieser Praxis bedienen sich auch andere Konzerne der Bergbau- und Metallbranche wie der Alluminiumkonzern „Rusal“, der als nächster mit Kontrollen rechnen muß.  Schätzungen des russischen Rechnungshofes zufolge verlor der Staat auf diese Weise zwischen 2006 und 2007 11,5 Milliarden Rubel (316 Millionen Euro) an Steuereinnahmen.

Putin beauftragte die russische Steuerbehörde und das Kartellamt mit der Überprüfung des Konzerns Mechel und löste damit Panikverkäufe an der Moskauer Börse aus. Der russische Aktienindex RTS fiel um 14 Prozent seit Jahresbeginn. Die ohnehin schon nervösen Anleger fühlten sich an den Fall Yukos erinnert. Zu der Verunsicherung der Anleger tragen auch die fortgesetzten Querelen der russischen Oligarchen Michail Fridman und Viktor Wechselberg mit dem Chef der TNK-BP, dem Briten Robert Dudley, bei. An der New Yorker Börse brachen die Aktien-Kurse sämtlicher russischer Unternehmen zunächst um 30 Prozent und ein paar Tage darauf noch einmal um 40 Prozent ein, obwohl sie sich zuvor gegenüber schwächelnden Aktien auf dem Markt hatten behaupten können.

Die beflissene Ankündigung von Mechel-Chef Igor Sjusin, die Kohlepreise im Inland den Exportpreisen angleichen zu wollen, nützte nichts. Putin setzte nach, statuierte ein Exempel. Kritiker glauben, daß das harte Vorgehen des Premierministers erst der Beginn einer konzertierten Aktion ist, um große Konzerne unter staatliche Kontrolle zu bringen. Mechel-Chef Sjusin hatte laut Presseberichten zuvor die Aufforderung der Regierung, sich in eine von Putins Vertrautem Viktor Tschermesow überwachten Bergbau- und Metall-Holding einzufügen, abgelehnt. Vizepremier Igor Setschin, der auch maßgebend an der Zerschlagung des Yukos-Konzerns beteiligt gewesen sein soll, lieferte daraufhin nach KGB-Manier der Kartellbehörde vorbereitetes Material, auf das Putin sich bei seinem Angriff auf das Unternehmen stützte. Die Begründung für sein Vorgehen: Putin will ein strafferes Kartellgesetz einführen, angeblich um Preisabsprachen besser unterbinden zu können und transparente sowie eindeutige Wettbewerbsregeln zu schaffen. Das Motiv dürfte eher die Fortsetzung seiner Politik eines Staatskapitalismus nach sowjetischem Vorbild sein. Putin geht unter Nutzung der Aufgabenverteilung zwischen ihm als Innenpolitiker und Medwedew als Außenpolitiker zielstrebig vor.

Medwedews Rolle innerhalb dieser Doppelregierung sieht bislang eher bescheiden aus. Während Putin im Inneren wütet, bemüht Präsident Medwedew sich sowohl bei russischen Kleinunternehmern als auch im Ausland um Schadensbegrenzung. Verärgert mußte er feststellen, daß sein vor vier Monaten verabschiedeter Erlaß, der Kleinunternehmen und Investoren vor korrupten Bürokraten schützen sollte, permanent unterlaufen wird. Vor allem Kleinunternehmen werden mit planmäßigen und außerplanmäßigen Kontrollen durch die verschiedensten Behörden wie dem Hygieneamt, der Feuerwehr, der Polizei- und Steuerbehörden überzogen und nicht selten zur Kasse gebeten.

Das alles paßt nicht in das Bild eines sich wandelnden Rußlands unter Medwedew, wie der Präsident es gerne sähe: eines liberalen und weltoffenen Wirtschaftsraums, der Investoren lockt. So blieb Medwedew nur, anläßlich eines Besuchs der Provinzstadt Gagarin, zu erklären, bereits Signale an die entsprechenden Behörden gesandt zu haben. Der Staat soll nicht zum Alptraum der Unternehmer werden. Nach dem „Fall Mechel“ wird Medwedew nun ausländische Investoren beruhigen und sie davon überzeugen müssen, daß der russische Staat die Geschäfte nicht stören wird.

Noch glaubt niemand so recht daran, daß sich in Rußland unter Medwedew etwas ändern wird. Zu wenig ist der neue Präsident bislang als Persönlichkeit in Erscheinung getreten. Als Indikator für die künftigen Beziehungen zwischen Rußland und dem Westen könnte der Ausgang des Streits um die russische BP gelten und wie die Regierung Medwedew mit den einsitzenden Ex-Yukos-Oligarchen Chodorkowski und Lebedew umgehen wird. Beide hatten erst kürzlich ein Gnadengesuch an den Kreml gestellt. Bislang erhielten sie keine Antwort. Eine Begnadigung könnte den Beginn einer neuen Tauwetterperiode einläuten.

Foto: Angriff: Kabinettsmitglieder begleiten Premier Putin zum Konzern Mechel.


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