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09.08.08 / Melodien für Millionen / Eine Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte ist dem Schlager gewidmet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Melodien für Millionen
Eine Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte ist dem Schlager gewidmet
von Silke Osman

Conny Froboess trällert begeistert von „Zwei kleinen Italienern“ und ihren Träumen von Napoli, dabei wippt ihr Petticoat im Takt mit. Gitte Haenning hält dagegen und verlangt „einen Cowboy als Mann“. Roberto Blanco grinst breit in die Kamera und fordert, keinen Widerspruch duldend: „Ein bißchen Spaß muß sein.“ Einst hat Rudi Schuricke davon geschwärmt, „wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“, und Zarah Leander hat machtvoll ins Mikrofon gedonnert, „davon geht die Welt nicht unter“. Ob geliebt, mitleidig belächelt oder gar gehaßt – gleichgültig läßt der Schlager kaum jemanden, denn schließlich haben sie seit eh und je den Zeitgeist widergespiegelt.

Millionen von Fans verehren ihre Stars, kaufen deren Schallplatten und CDs, besuchen ihre Konzerte. Ein Höhepunkt für Schlagerfans ist der sogenannte „Schlager Move“ in Hamburg, der alljährlich Tausende anlockt, die dann, einem Karnevalsumzug gleich, laut singend und grotesk verkleidet durch die Straßen der Hansestadt ziehen.

Als kommerzielles Massenprodukt ist der Schlager eng mit der modernen Industriegesellschaft, ihren gesellschaftlichen und technologischen Neuerungen verbunden. Das Bonner Haus der Geschichte geht mit seiner derzeitigen Ausstellung „Melodien für Millionen – Das Jahrhundert des Schlagers“ diesem vielseitigen Phänomen nach und untersucht es von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Unter den 1500 Exponaten dürfen der gläserne Flügel von Udo Jürgens, Caterina Valentes Gitarre, Bühnenbekleidung unter anderem von Zarah Leander und der Motorroller von Cornelia Froboess natürlich nicht fehlen. Über 1000 Schlagertitel sind in der Ausstellung zu hören, auch sind Ausschnitte ausgewählter Schlagerfilme in einem Kino zu sehen.

Auf einzelnen Bühnen werden die emotionalen wie auch die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte beleuchtet, die mit der Zeit verbunden sind, in der die Schlager erschienen.

Einen ersten Höhepunkt erlebte der Schlager in der Weimarer Republik. Die Schallplatte und der Rundfunk trugen ebenso zur Verbreitung der Schlager bei wie der Schlagerfilm, der Stars wie Lilian Harvey populär machte. Während des nationalsozialistischen Regimes wurden Schlager schließlich auch im propagandistischen Sinn genutzt. Jüdische Texte und Komponisten wie die Königsberger Werner Richard Heymann oder Max Colpet („Sag mir, wo die Blumen sind“) wurden verfolgt, ihre Werke verboten. Sie schrieben Evergreens, die noch heute vielen bekannt sein dürften. Wer kennt sie nicht, die schwungvollen Melodien Heymanns, von „Ein Freund, ein guter Freund“ über „Das gab’s nur einmal, das kommt nicht wieder“ bis hin zu „Das ist die Liebe der Matrosen“? Dabei hatte Werner Richard Heymann gar kein Schlagerkomponist werden wollen. Seine ersten größeren Kompositionen waren Vertonungen einiger Verse seines 1915 bei Soissons gefallenen Bruders Walther.

Als dann die große Zeit des Kinos begann, war Werner Richard Heymann mit von der Partie. Er wurde „Stimmungsmusiker“– seine Aufgabe: den Schauspielern während der Dreharbeiten stimmungsvoll, sprich musikalisch beizustehen.

Zunächst als Assistent, später als Orchesterleiter der großen Ufa-Kinos schrieb Heymann Musik für Stummfilme (Faust, 1926; Spione, 1928). Nach einem Zwischenspiel bei der Tobis ging Heymann wieder zur Ufa (1929) – seine große Zeit begann. Es entstanden Musiken zu Filmen wie „Die Drei von der Tankstelle“ und „Der Kongreß tanzt“. Seine Lieder interpretierten so große Stars wie Willy Fritsch, Lilian Harvey und Hans Albers.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schließlich wird mit dem Heimatfilm und den darin enthaltenen Schlagern der Wunsch nach einer „heilen Welt“ thematisiert. Als in den 70er Jahren Dieter Thomas Heck mit seiner ZDF-Hitparade landauf, landab Erfolge feiert, wird auch das Image des Schlagers aufgebessert.

In den 80ern und 90ern allerdings bahnt sich eine Krise an: Blödelschlager sind gefragt und stellen den Schlager selbst in Frage. Dieter Thomas Kuhn, die leibhaftige Föhnwelle, und der gelernte Friseur Guildo Horn finden dennoch ihre Anhänger. Der Grand Prix Eurovision de la Chanson oder richtiger der Eurovision Song Contest kann immer mehr Zuschauer an den Bildschirm ziehen, auch wenn die einzelnen teilnehmenden Länder sich schwertun mit ihren Wettbewerbsbeiträgen.

Es muß aber doch etwas dran sein am Schlager, wenn selbst Musicalproduktionen auf sein Erfolgsrezept zurückgreifen. Die Hamburger Aufführungen von „Mamma mia“ mit Kompositionen der schwedischen Kultband Abba oder von „Ich war noch niemals in New York“ mit Schlagern von Udo Jürgens begeistern Fans in (fast) allen Altersgruppen.

Die Ausstellung „Melodien für Millionen – Das Jahrhundert des Schlagers“ im Haus der Geschichte, Willy-Brandt-Allee 14, 53113 Bonn, ist Dienstag bis Sonntag von 9 bis 19 Uhr geöffnet, Eintritt frei, bis 5. Oktober.

Foto: Beliebte Stars machen den Schlager filmreif: Plakat aus dem Jahr 1958


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