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09.08.08 / Der Drache lernt Segeln / Chinesen entdecken den Luxus – Bootsindustrie baut immer mehr Yachten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Der Drache lernt Segeln
Chinesen entdecken den Luxus – Bootsindustrie baut immer mehr Yachten
von Joachim Feyerabend

Nach der rasanten Entwicklung des chinesischen Schiffbaus zu einer global führenden Werftindustrie schickt sich das Reich der Mitte an, weltweit auch beim Bau von Yachten mitzureden: 1,5 Millionen Arbeitsplätze sind im Entstehen, 56 Marinas im Bau, auf 550000 Boote wird der derzeitige Bedarf geschätzt, 150 Werften produzieren gegenwärtig, zum Teil mit ausländischen Lizenzen, vorwiegend für den Export, aber auch für die Inlandsnachfrage.

Der Weg ist klar, was die fernöstliche Volksrepublik anpackt, macht sie konsequent: Die Segelolympiade 2008 in Qingdao, dem ehemaligen Tsingtau, soll zudem zur wachsenden Beliebtheit des neuen Volkssportes beitragen. Zhang Lipang, Generalsekretär der kommunistischen Partei in Shanghai, klopft sich auf die Brust: „Wir haben immer mehr reiche Leute, und sie wollen Yachten kaufen, nicht in zehn Jahren, sondern jetzt!“

Der Funktionär trifft den Nagel auf den Kopf, denn nach Meinung der vorwiegend aus den USA, Australien, Italien und Frankreich stammenden Investoren steht die Branche im Reich der Mitte vor einer explosionsartigen Entwicklung des Bootsmarktes. Zhang: „Wir haben immer mehr Reiche, und selbst, wenn sie Angst vor dem Wasser haben, kaufen sie Yachten als Statussymbol ihres Erfolgs.“

Diese Erwartung eines rapiden Wachstums teilt beispielsweise auch der italienische Hersteller von Luxus-yachten, die Firma Feretti im italienischen Forli, zu der unter anderem die renommierte Bootswerft Riva am Gardasee gehört. Manager Fulvio Dodich: „Das Potential ist gewaltig.“ Während jedoch, so Dodich, seine westliche Kundschaft als Kaufmotiv angibt, sie möchte persönliche Freiheit und die Nähe zur Natur genießen, legen die Chinesen größeren Wert auf Repräsentation: „Sie wollen ihren neuen Wohlstand Freunden vorführen, Geschäftsfreunde an Bord bewirten, Leute beeindrucken.“ Auffallend ist, daß sich dabei als gute Verkaufsargumente eine Klimaanlage und andere mehr dem Luxus an Land entsprechende Ausrüstungen wie Mikrowellenherde, Ledersofas, Möbel in klassischem Design und CD-Player auch bei kleineren Einheiten herausgestellt haben. Nach seinen Marktstudien kommen für seine hochpreisig angesiedelte Zielgruppe derzeit rund 50000 potentielle Kunden in Frage, die alle über persönliche Vermögen von mehr als fünf Millionen US-Dollar verfügen. Ron Czerniak, Chef von Maxwell Marine im neuseeländischen Auckland, schwärmt gar: „Für unser Land ein Schlüsselmarkt der Zukunft.“ Deutsche große Hersteller wie Bavaria und Dehler lassen sich noch durch Agenten vertreten.

Rund 170 Millionen Chinesen erwerben inzwischen sogenannte Luxusgüter (Jahresumsatz 1,2 Milliarden US-Dollar, Schätzung: Merill Lynch) und bilden einen kaufkräftigen Mittelstand auch für kleinere Boote. Der Nachholbedarf des früher von der Weltentwicklung abgekoppelten Landes ist dank eines katapultartigen Booms der Volkswirtschaft zu einer führenden Industrienation immens. Wie der Nachrichtendienst „China News“ recherchiert hat, setzte die chinesische Yachtindustrie 2005 über eine Milliarde Yuan (100 Millionen Euro) um; etwa 60 Prozent davon stammen aus Exporten in inzwischen 70 Länder. Zuwachsraten von um die 40 Prozent je Jahr sind nach Ansicht vieler Branchenprofis in dem aus den Kinderschuhen schlüpfenden Markt zu erwarten. Das Riesenland bietet mit immerhin 11000 Meilen Küstenlinie, 108000 Meilen an Binnenwasserwegen und 90000 Seen eine geradezu ideale Plattform für solch rasanten Aufstieg. Zur wachsenden Popularität maritimen Geschehens tragen mit Sicherheit Chinas erste Teilnahme am America Cup mit der „Red Dragon“, einer in der Volksrepublik gebauten Yacht, sowie die  Olympischen Segelwettbewerbe bei. 

Nach den Plänen der Funktionäre soll die Stadt Qiu Quanlin Zhuhai am Perlfluß zwischen Hongkong und Macau zum größten Yachtzentrum der Republik ausgebaut werden. Das dafür zur Verfügung stehende Industrieareal in Ping-sha umfaßt immerhin sechs Quadratkilometer. Gerade am Perlfluß hat sich im letzten Jahrzehnt eine Bevölkerung von rund 40 Millionen neu angesiedelt, alles Bewohner mit höheren Einkommen. Entsprechende Infrastrukturen wurden aus dem Boden gestampft, darunter allein rund um die Industriestadt Schenzen 20 Golfplätze. Natürlich hat die chinesische Regierung in Peking den rasch wachsenden Erfolg der Yachtindustrie als neue Einnahmequelle ausgemacht: Seit dem 1. April 2006 fordert sie auf Sportboote eine zehnprozentige Luxusteuer ein. Das wiederum hat einige findige Chinesen bereits dazu veranlaßt, ihre Yachten als Fischerboote registrieren zu lassen – da entfällt die Abgabe.

Foto: Nicht nur Masse, sondern auch Klasse: Chinesen entdecken die Spezialanfertigung.


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