23.04.2024

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09.08.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32-08 vom 09. August 2008

Im Graben / Wie die Linken in Fahrt kommen, warum Franz Maget die Weißwurst hochkommt, und wie der SPD-Chef da wohl wieder rauskommt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die unter uns, die keine Sozialdemokraten sind, fühlen sich unangenehm ertappt. Ertappt bei der gierigen Vorfreude auf das, was wohl die nächsten Umfragewerte zur SPD ausspucken werden.

Es hätte so ein schöner Sommer werden können für Kurt Beck. Zwei Wochen döste er im gemütlichen Rheinland-Pfalz vor sich hin in dem wonnevollen Gefühl, all die quälenden Streitigkeiten in seiner Partei noch rechtzeitig vor der gefährlichen Ferienzeit plattgesabbelt zu haben. Selbst im Modderloch der Umfragetiefs schien der Boden wieder etwas fester zu werden.

Dann krachte der Blitz ins Mosel-Idyll, und seit Tagen hört es nicht mehr auf zu schütten: Unversehens steht der SPD-Chef mitsamt seiner Partei wieder bis zum Schaft im Schlamm. In dem Loch, in welchem er jetzt steckt, ist es egal, ob er sich nach links oder nach rechts oder überhaupt nicht bewegt, er sinkt so oder so immer tiefer.

Während die Parteispitze bibbert und stammelt wie nach einem mittelschweren Schock, erfaßt den linken Rand der SPD ein berserkerhafter Blutrausch: Bayerns Juso-Chef Thomas Asböck will dem Wolfgang Clement gleich noch Ex-Innenminister Otto Schily und Berlins streitlustigen Finanzsenator Thilo Sarrazin „hinterherschmeißen“. Der Beschluß der Landesschiedskommission der NRW-SPD, Clement zu verbannen, soll nach dem Willen von Asböck also nur der Auftakt sein zu einer ganz großen Säuberungswelle. Alles muß raus beim sozialistischen Schlußverkauf, was nicht streng genug nach Linksblock riecht!

Thomas Asböck besteht darauf, aus seinem „Herzen keine Mördergrube“ zu machen, und hält Wort: Bisher seien immer nur Parteilinke diszipliniert worden, beklagt er sich bei „Spiegel online“, und jubelt: „Deshalb freue ich mich und habe ein Schmunzeln im Gesicht, wenn  jetzt auch einmal auf der Parteirechten ein Exempel statuiert wird.“

Hierauf mäht er die gesamte fiese Agenda-Truppe erbarmungslos nieder: „Schröder hat schon als Bundeskanzler gezeigt, daß er kein Mann von Charakter ist.“ Die Schröder-Gesellen von damals  müßten heute einsehen, „daß diese Ära abgewählt worden ist. Die sollen sich mal zurückhalten.“ Zu den Abgewählten gehört bekanntlich auch der wahrscheinliche SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.

Am liebsten würde der bayerische Juso-Chef den Freistaat ab  Herbst  gemeinsam mit der Linkspartei regieren. Aber dafür werde das wahrscheinliche Wahlergebnis für SPD, Grüne und Linkspartei nicht reichen, seufzt er.

Ja, nach diesem Interview ganz sicher nicht! Bayerns wahlkämpfendem SPD-Chef Franz Maget muß nach der Lektüre von Asböcks Amok die Weißwurst hochgekommen sein. Die aprilfrische Offenheit, mit welcher der junge Mann seine linken Säuberungsphantasien ins Land posaunt, kannten wir zuletzt nur noch von Typen wie Ul­bricht oder Honecker. Diese Genossen waren indes immerhin so taktvoll, solche Sachen nur im geheimen Kreis des Politbüros laut zu denken.

Kurt Becks kunstvoll zusammengeschraubtes Gefährt aus Andeutungen, Dementis und dröhnendem Geschwafel, mit dem er sich – gezogen von der Abstumpfung und Vergeßlichkeit der deutschen Öffentlichkeit – zur Kooperation mit der Linkspartei durchmogeln wollte, liegt nun schnaufend und stinkend im Straßengraben. Wann er den Karren wieder flottkriegt, steht in den roten Sternen. Kurt Beck selbst steht ratlos röchelnd an jenem Graben zwischen den kämpfenden SPD-Flügeln und beteuert vor herbeigeeilten Journalisten, daß von einem Grabenkampf keine Rede sein könne.

Derweil schlingert Andrea Ypsilanti weiter wie eine Treibmine durchs Becksche Kalkül. Schwitzend starrt der Bundesvorsitzende gen Wiesbaden und bangt dem Moment entgegen, wann ihm die Hessin rot-rot-grün um die Ohren fliegt. Neueste Spekulationen tippen auf die kommenden Haushaltsberatungen im hessischen Landtag. Für so einen Haushalt braucht’s eine Parlamentsmehrheit, die der CDU-Ministerpräsident Roland Koch bekanntlich nicht mehr hat. Das wäre die Gelegenheit zum Putsch.

Indes sitzt Andrea Ypsilanti immer noch ein böser Geist im Nacken, der Dagmar Metzger heißt, jene SPD-Landtagsabgeordnete, die partout nicht in die Volksfront will. Wer weiß, ob sie die einzige ist? Vielleicht gibt es da noch weitere, heimliche SPD-Dissidenten? Frau Ypsilanti macht nicht umsonst so einen gehetzten, unausgeschlafenen Eindruck. Wir wollen gar nicht wissen, wie oft ihr Heide Simonis im Traum erscheint!

Gräßlich verfahren das alles. Niemand würde es SPD-Chef Beck verübeln, wenn er jetzt einfach plärrend davonliefe. Ganz weit weg! Aber wo ist man heute noch sicher?

Frank Bsirske dachte da an die ferne Südsee, weiter weg geht’s nämlich nicht. Doch selbst dort in dem Gewirr zahlloser Atolle,  zwischen atemberaubender Palmenromantik und draller Bast­röckchen-Folklore wurde der Verdi-Chef eingeholt von seinen eigenen Äußerungen: Im Februar  war der Gewerkschafter gegen die hemmungslose Selbstbedienungsmentalität der deutschen Manager in die Parolenschlacht gezogen: „Hier hält eine Kultur der Maßlosigkeit Einzug“, schimpfte Bsirske damals in der „Bild am Sonntag“.

Da konnten wir uns kaum halten vor Häme, als einige der gescholtenen Wirtschaftsführer wie weggetreten auf ihre „Vorbildfunktion“ verwiesen. Schöne Vorbilder sind das, kicherten wir bitter. Schöne Vorbilder, dachte sich offenbar auch Frank Bsirske und folgerte, daß so ein bißchen Maßlosigkeit auch ihm gut stünde. Muß ja keiner merken.

Daß er ausgerechnet in dem Moment auf Konzernkosten in die exklusive Südsee aufbrach, als sich die streikende Lufthansabelegschaft die Lungen raustrillerte, hat ihm jedoch eine unerwünschte Öffentlichkeit beschert. Einmal erwischt, verstand Bsirske allerdings gar nicht, was falsch gewesen sein soll. Die Freiflüge stünden doch allen Mitgliedern des Aufsichtsrats zu! Immerhin erkannte er „die Brisanz“, die aufkommt, wenn ein Arbeitnehmervertreter so dreist zulangt, und gab den Freiflug grimmig zurück. Aber schuldig oder gar gierig fühlt er sich nach wie vor keineswegs.

Es ist das uralte Mißverständnis zwischen den Gewerkschaftsbonzen und ihrer Basis: Die Bonzen reden immerfort von „Teilhabe an den Profiten“. Die dumme Basis versteht darunter, daß alle ein bißchen mehr abkriegen von dem, was der reiche Chef sonst nur in seine tolle Villa steckt. Der Bonze hingegen meint mit „Teilhabe“: Ich will auch eine Villa, will Chef sein wie die anderen Chefs und so leben wie sie, hier zu Hause ebenso wie im Urlaub auf Tahiti, oder wie diese Luxus­orte eben heißen. Schließlich haben die Großen der Geschichte Anspruch darauf, wenigstens für ein paar Ferientage im Jahr unter Ihresgleichen zu sein.

Oder soll Frank Bsirske etwa auf Mallorca urlauben? Dort begegnet er am Ende noch dem prolligen Pauschal-Touristen, der in der Gepäck­abfertigung „seines“ eigenen Betriebes arbeitet! Außerdem: Wie soll der Verdi-Chef zwischen billigen Betonklötzen mit 38-Quadratmeter-Apartments denn etwas erfahren über die „Kultur der Maßlosigkeit“?

Proletarier aller Länder vereinigt euch ... bitte nicht unter meinem Panoramafenster. Die Devise gilt nicht nur für deutsche Arbeiterführer. Das kommunistische Regime der Volksrepublik China hatte kurz vor Beginn der Olympischen Spiele ebenfalls alle Hände voll zu tun, die Arbeiterklasse der Hauptstadt vom Hals zu kriegen. Das ganze Wanderarbeiter-Gesocks wurde hinausgekehrt aus Peking, damit alles pikfein aussieht. Was sollen denn die Leute denken? Die lumpigen Malocher können ja später zurückkehren, wenn auf Geheiß der Arbeiter und Bauern-Regierung die schicke Olympiafassade wieder eingerollt worden ist.


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