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16.08.08 / Grenzen einer Weltmacht / Für Washington ist Moskaus Kaukasus-Coup ein Desaster – EU ratlos

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Grenzen einer Weltmacht
Für Washington ist Moskaus Kaukasus-Coup ein Desaster – EU ratlos
von Hans Heckel

Washingtons Reaktion auf die russische Offensive gegen Georgien ist vor allem von Hilflosigkeit gekennzeichnet. Die schnelle und rabiate Art, in der Moskau am Kaukasus Tatsachen schafft, hat die USA wie die EU und auch die deutsche Diplomatie überrollt. Dabei steht für alle viel auf dem Spiel.

Die USA hatten, im Selbstbewußtsein der „einzigen Weltmacht“, den Georgiern ihre Freundschaft versichert, sie zum bevorzugten Partner in der Region erhoben. Darauf hatte sich Georgiens Präsident Michail Saakaschwili so sehr verlassen, daß er sich den Coup traute, über Nacht reinen Tisch zu machen in Südossetien. Nun muß er sich getäuscht sehen: Außer diplomatischen Appellen und Drohungen war in der Stunde der größten Not, als der Kreml zum brutalen Gegenschlag ausholte, aus Washington nichts zu bekommen. Das werden sich andere Partner der USA merken. Der Nimbus der Weltmacht hat Schaden genommen.

Aber was hätte George Bush auch tun sollen? Einen Krieg mit Rußland beginnen wegen Südossetien? Ausgeschlossen.

So ist es dem Kreml gelungen, dem alten Widersacher in Übersee seine Grenzen aufzuzeigen. Auf diese Gelegenheit hatte der nach wie vor starke Mann von Moskau, Wladimir Putin, nur gewartet. Seit Ende des Kalten Krieges erweiterten die USA ihre Einflußsphäre auf ehemals sowjetisches Gebiet, stießen über den Kaukasus bis ins Herz der euro­asiatischen Landmasse vor – tief in den Rücken Rußlands.

Den Männern um Putin, die zäh am Wiederaufstieg zur Weltmacht arbeiten, war dies seit langem ein Dorn im Auge. Nun gab ihnen die Unvorsichtigkeit eines kleinen US-Verbündeten die Gelegenheit, zuzuschlagen.

Die aufgeschreckten Strategen in den USA und der EU streiten: Hätte Rußland vor einer derart harten Reaktion zurückgeschreckt, wenn Georgien bereits auf der Schwelle der Nato-Mitgliedschaft stünde? Dies hatte insbesondere Berlin mit Rücksicht auf Moskau verhindert. Oder ist es gerade das schleichende Vordringen des Westbündnisses, welches den Kreml zu immer extremeren Mitteln greifen läßt?

Wenn Amerikaner wie Europäer auf die territoriale Integrität Georgiens pochen, raunt Moskau nur müde „Kosovo“. Die Ausgangslage in der Balkan-Region ähnelt der in Südossetien und Abchasien fast aufs Haar, nur daß es im Falle des Kosovo Rußland war, das auf der territorialen Unversehrtheit – in diesem Falle Serbiens – beharrte. Washington, Berlin und Paris hingegen stellten den Willen der kosovarischen Mehrheit nach Loslösung von Belgrad über die Souveränitätsrechte Serbiens. Die Anerkennung des Kosovo bietet Moskau nun die Vorlage, für die abtrünnigen georgischen Provinzen das gleiche zu fordern.

Von geostrategisch überragender Bedeutung ist Georgien wegen der durch das Gebiet verlaufenden Pipeline, über die zentralasiatisches Öl in den Westen gelangt. Eine Gefährdung dieser Route bedeutet auch für Deutschland, daß die Abhängigkeit von russischen Lieferungen noch steigen dürfte.


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