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16.08.08 / Angriff auf die Lottofee / Die Umsetzung des Glücksspiel-Staatsvertrages entpuppt sich im Kampf gegen die Spielsucht als untauglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Angriff auf die Lottofee
Die Umsetzung des Glücksspiel-Staatsvertrages entpuppt sich im Kampf gegen die Spielsucht als untauglich
von Mariano Albrecht

Mit Schlagzeilen wie „Aktion Mensch verboten“ oder „Medienanstalt verbietet Günther Jauchs SKL Show“ hatten die Medien das Ende eines Teils der Fernsehunterhaltung prophezeit. Auch die Ziehung der Lottozahlen sei in Gefahr, hieß es.

Der seit Januar in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag der Bundesländer regelt zum Schutz der Bürger vor Wett- und Spielsucht, unter welchen Voraussetzungen Lotterien und Glücksspiele veranstaltet werden dürfen. In der Praxis entpuppt sich der Vertrag allerdings als ziemlich nutzlos, im schlimmsten Fall als Grundlage irrwitziger Auswüchse.

Verboten sei das Glücksspiel in der Öffentlichkeit und somit auch im Fernsehen, wenn der Zugang zum Beispiel Minderjährigen unkontrolliert möglich ist. Die Ziehung von Gewinnzahlen im Fernsehen sei zudem eine unzulässige Werbeform der Lottoveranstalter, die den Zuschauer zum Spielen verleite, berichteten die Medien.

Muß die ARD-Lottofee, Franzis-ka Reichenbacher, um ihren Job bangen? Der Glücksspielstaatsvertrag soll in erster Linie der Entstehung von Spielsucht entgegenwirken. Die 16 Ministerpräsidenten der Länder hatten im vergangenen Jahr den Staatsvertrag formuliert, doch was dabei herausgekommen ist, verfehlt das Thema.

In einer Medienkampagne gegen den Staatsvertrag, losgetreten von privaten Spielvermittlern wie Faber, Tip24 und Fluxx, erfuhren die Bürger von den Vorhaben des Staates und reagierten empört. Beispielsweise die SKL-Show erfreut sich größter Beliebtheit und wurde im vergangenen Jahr von bis zu neun Millionen Zuschauern gesehen, doch nun soll Schluß sein? Greift die Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrages wirklich in die Freiheit der Medien ein?

Wie RTL-Sprecher Frank Rendes mitteilte, hatte man sich beim Sender aufgrund der unklaren Rechtslage selbst entschlossen, die SKL-Show nicht in die Planung für das Jahr 2008 aufzunehmen. Von einem Verbot kann nicht die Rede sein. Das bestätigt auch die für RTL zuständige Landesmedienanstalt Niedersachsen, man hatte RTL lediglich auf die aktuelle Rechtslage aufmerksam gemacht.

Um das Monopol beim Glücksspiel zu behalten, versucht der Staat sich zumindest ein Saubermann-Image in Form von Bekämpfung der Spielsucht zu geben. Doch das hat Folgen: Lottovermittler Norman Faber sieht in Deutschland 35000 Arbeitsplätze in Gefahr. Faber ist der größte Anbieter von Systemspielen und Tipgemeinschaften im deutschen Lotto.

Die privaten Spielvermittler verschweigen jedoch, daß der Staatvertrag auch Ausnahmen vorsieht, für die eine Erlaubnis erteilt werden kann. In der Erlaubnis kann für Veranstaltungen, die traditionell in Verbindung mit dem Fernsehen präsentiert werden und bei denen vorrangig die gemeinnützige Verwendung der Reinerträge dargestellt wird, eine Befreiung vom Verbot der Fernsehwerbung zugelassen werden. Der Hessische Rundfunk und der Deutsche Lottoblock teilten mit, daß die „Ziehung der Lottozahlen“ in der ARD den Charakter einer Informationssendung habe, die die Ausspielung der Gewinnzahlen transparent mache und somit nicht aus dem Programm genommen werden müsse. Rettung für die Lottofee. Dennoch: Wie sieht es aber nun mit der Bekämpfung der Spielsucht tatsächlich aus?

Verschiedene Studien weisen aus, daß der Anteil der von Sucht bedrohten Lottospieler an der Gesamtheit Spielsüchtiger lediglich 0,33 bis 1,5 Prozent ausmacht. Grund ist die Verzögerung zwischen Spieleinsatz und Gewinnbekanntgabe. Hier fehlt der Zockerfaktor und die Interaktivität.

Während der Betrieb von Kasinos den Kommunen (Finanzbehörden) und somit dem staatlichen Monopol unterliegt, sieht die Sache beim Spielsuchtverursacher Nummer eins, dem Automatenspiel, ganz anders aus. Jeder zwölfte Automatenspieler (acht Prozent) ist von einer Spielsucht betroffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Heino Stöver von der Universität Bremen. 8000 Menschen wurden nach ihrem Spielverhalten gefragt, die Hälfte der pathologischen Automatenspieler gibt nur maximal 20 Euro für Lotterieprodukte im Monat aus, jedoch mindestens 130 Euro in Bezug auf andere Glücksspielarten. Eine gefährliche Mischung, das hätten auch die Ministerpräsidenten wissen müssen: Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspielsucht, gibt an, daß 70 bis 80 Prozent aller Spielsüchtigen, Automatenspieler sind. Doch der Betrieb von Automatenspielen fällt nicht unter den Glücksspielstaatsvertrag.

Spielautomaten gelten als „Unterhaltungsspiel mit Gewinnmöglichkeit“, ihr Betrieb wird in der Spielverordnung geregelt. Seit Inkrafttreten der neuen Spielverordnung konnten die Automatenaufsteller 20 Prozent mehr Gewinne einfahren. Für den Betrieb und die Zulassung ist die Gewerbeaufsicht verantwortlich, diese untersteht letztendlich den Wirtschaftministerien der Länder und des Bundes. Standort- und Wirtschaftspolitik sind eben eine andere Sache als der Kampf gegen die Spielsucht.


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