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16.08.08 / Das Spiel von Licht und Schatten / Eine Ausstellung im Kunsthaus Stade zeigt Werke von Malern aus der Künstlerkolonie Ahrenshoop

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Das Spiel von Licht und Schatten
Eine Ausstellung im Kunsthaus Stade zeigt Werke von Malern aus der Künstlerkolonie Ahrenshoop
von Silke Osman

Sommer, Sonne, Wind und Wellen – das ideale Urlaubswetter für Ferien an der See. Feriengäste aus allen Teilen Deutschlands hat es auch in diesem Sommer wieder einmal an die Ostseeküste verschlagen. Viele haben ihr Paradies in Ahrenshoop und Umgebung gefunden. Spaziergänge oder Sport in der jodhaltigen Luft, baden natürlich, die Seele baumeln lassen in einem der schmucken Cafés und Restaurants oder Kultur genießen in einer der einladenden Galerien und Kunsthäuser – so viele Alternativen, den Urlaub zu genießen, gibt es anderswo wohl kaum. Und mit der „Langen Nacht der Kunst“ setzt Ahrenshoop am 16. August noch einen drauf. Dann können Kunstfreunde ab 19 Uhr in allen Galerien und Ateliers Ausstellungen, Lesungen und Konzerte erleben. Zurück zu den Ursprüngen des künstlerischen Lebens an der Ostseeküste führt eine Ausstellung, die das Kunsthaus am Schifferberg an diesem Sonnabend mit dem Titel „Von der Künstlerkolonie zur Moderne“ eröffnet, zu sehen donnerstags bis sonntags von 15 bis 19 Uhr. Gezeigt wird eine Auswahl bedeutender Arbeiten von Künstlern, die in Ahrenshoop einst gearbeitet haben, darunter Lyonel Feininger, George Grosz, Erich Heckel, Gerhard Marcks, Wolfgang Mattheuer, Alfred Partikel, Max Pechstein oder Karl Schmidt-Rottluff. Sie genossen das Spiel von Licht und Schatten, den hohen Himmel über dem weiten Meer, den Zauber der Farbe in dieser unvergleichlichen Landschaft und brachten alles auf die Leinwand.

Ahrenshoop, das war für sie die Steilküste, aber auch der langgezogene Strand, die vom Wind zerzausten Kiefern und die Katen, die sich gegen diesen Wind zu wappnen wußten, indem sie sich tief duckten. In allen erdenklichen Variationen zogen die Wolken über den Himmel, bauschten sich am Horizont oder verdunkelten sich bedrohlich, so daß man ein nahes Gewitter ahnen konnte. Immer wieder aber ist es das Licht, das die Künstler auf ihren Gemälden und Skizzen festhielten – ein Sonnenstrahl, der sich durch die Wolken bahnt, Sonnenreflexe auf dem Dach einer tief verschneiten Kate.

Auch einige 100 Kilometer weiter westlich von Ahrenshoop, in Stade an der Elbe, kann man derzeit die Kunst der Ahrenshooper Malerinnen und Maler bewundern. Das Kunsthaus Stade zeigt in über 60 Landschaftsbildern und Porträts, wie stimmungsvoll und abwechslungsreich die verschiedensten Künstler Ahrenshoop sahen. Mit dieser Schau beendet das Kunsthaus zunächst die Ausstellungsreihe „Künstlerkolonien“, um im kommenden Jahr aktuelle Kunst und Malerei sowie Grafik der klassischen Moderne zu präsentieren.

In bald zehn Jahren hat der Kunstverein Stade im Kunsthaus am Wasser West eine stattliche Reihe von Künstlerkolonien vorgestellt. Angefangen bei Worpswede über die Künstlerkolonien in Schwaan und Usedom sowie Fischerhude, Ekensund, Nidden bis nach Dachau reichte die stattliche Reihe.

Auch bei der Dokumentation des künstlerischen Schaffens in Ahrenshoop hat man keinerlei Mühen gescheut und fast 20 Leihgeber dazu gebracht, ihre bedeutendsten Bilder für diese einzigartige Schau zur Verfügung zu stellen.

Entstanden ist eine Ausstellung, die dem Besucher eine Ahnung vom Leben und künstlerischen Treiben in der faszinierenden Küsten- und Boddenlandschaft vermittelt.

Als Entdecker des heimeligen Fischerdorfs Ahrenshoop gilt der Maler Paul Müller-Kaempff (1851–1941), der in seinen Erinnerungen von seiner ersten Begegnung 1889 schreibt: „Gelegentlich einer Wanderung am Hohen Ufer lag plötzlich, als wir die letzte Anhöhe erreicht hatten, zu unseren Füßen ein Dorf: Ahrenshoop. Wir hatten von seiner Existenz keine Ahnung und blickten überrascht und entzückt auf dieses Bild des Friedens und der Einsamkeit. Kein Mensch war zu sehen, die altersgrauen Rohrdächer, die grauen Weiden und grauen Dünen gaben dem ganzen einen Zug tiefsten Ernstes und vollkommener Unberührtheit ...“

Noch vor Mueller-Kaempff soll allerdings der Mecklenburger Carl Malchin in Ahrenshoop gemalt haben; Skizzenblätter sind mit dem Hinweis „Ahrenshoop 1882“ versehen. Müller-Kaempf war so begeistert, daß er bald (1892) nach Ahrenshoop zog und dort eine Malschule eröffnete. „Ein altes, kinderloses Ehepaar nahm uns in sein Häuschen auf ... Nun ging ein eifriges Studienmalen los; Jahr für Jahr kam ich wieder, und als ich mir ein eigenes Haus mit Atelier gebaut hatte, kam bald Hausbesuch: Freunde, Kollegen, ein fröhlicher Kreis ...“, berichtet er.

Es waren auch viele Frauen, die nach Ahrenshoop kamen, um dort zu malen. Um die Wende zum 20. Jahrhundert war es ihnen noch verboten, sich an den staatlichen Akademien ausbilden zu lassen. Sie besuchten so private Malschulen wie die von Mueller-Kaempff in Ahrenshoop oder die von Lovis Corinth in Berlin. Dort hatte auch Dora Stetter (1881–1964) studiert, bis sie 1911 nach Ahrenshoop kam. 1917 heiratete sie den Grafiker Fritz Koch-Gotha, der als Karikaturist und Buchillustrator unter anderem durch den Kinderbuchklassiker „Häschenschule“ populär wurde. Neben Dora Koch-Stetter sind vor allem Anna Gerresheim (1852–

1921), Elisabeth von Eicken (1862–1940) und Hedwig Woermann (1879–1960) zu nennen, die in Ahrenshoop wirkten. Ihnen ist im Stader Kunsthaus eine eigene Abteilung gewidmet, und es fällt auf, daß die Künstlerinnen vermehrt Menschen dargestellt haben, sei es in Porträts, sei es bei der Arbeit, während die Männer sich eher der Landschaft und ihrer Schönheit zugewandt haben.

Mit den Künstlern kamen schließlich auch die ersten Badegäste nach Ahrenshoop. Ein zweischneidiges Schwert. Einerseits brachten sie Geld oder besser Aufträge für die Künstler, andererseits aber auch Unruhe in die Beschaulichkeit der Kolonie. Und die hatte man schließlich gesucht, um abseits des lebhaften Kulturbetriebs der Städte zu malen. „Am schönsten war es doch, wenn die Badegäste fort waren“, erinnerte sich Mueller-Kaempff, „wenn der Herbst mit seinen oft noch im November milden Tagen kam, wenn die Birken sich golden färbten, die Kirschbäume in leuchtendem Rot glühten, im Darß die Hirsche schrien, auf den Feldern die Kartoffelfeuer brannten und die Gärten voll bunter Herbstblumen standen. Kam dann der Winter und brachte Schnee und Eis, dazu blauen Himmel und Sonnenschein, dann erblühte eine Fülle ungeahnter Schönheit. Und schnob der Nordost und jagte mächtige Wellen brüllend an Strand und Dünen, daß diese oft zur Hälfte fortgespült senkrecht wie eine Mauer standen, dann war es behaglich im eigenen Heim und im freundlichen Verkehr mit Kollegen, die sich allmählich auch ein Heim in Ahrenshoop gegründet hatten.“

Die Ausstellung „Ahrenshoop – Künstlerkolonie an der Ostsee“ im Kunsthaus in Stade, Wasser West 7, 21682 Stade, ist dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 1 Euro, bis 4. Januar 2009.

Foto: Dora Koch-Stetter: Das rote Haus in Althagen (Öl, 1911)


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