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16.08.08 / Gefährliche Naturliebe / Heilpraktiker im KZ

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Gefährliche Naturliebe
Heilpraktiker im KZ

„Der KZ-Gärtner“ erinnert in seinem Aufbau an eine Matrjoschka, diese aus Rußland bekannte Puppe in der Puppe. Die innerste Puppe – um im Bilde zu bleiben – bildet ein Bericht Arnold Eick-manns über seine Häftlings-Odyssee durch Konzentrationslager des Dritten Reiches. Zum Bedauern des stets auf Authentizität bedachten Historikers ist dieser Bericht jedoch nicht während der Häftlingszeit entstanden, sondern später in britischer Kriegsgefangenschaft retrospektiv. Im April und Mai 1945 diktierte Eickmann seinem Mitgefangenen Karl-Heinz Wegner seine KZ-Erlebnisse, die dieser dann zu Papier brachte. Der auf die Geschichte der NS-Unterdrückung spezialisierte Historiker Andreas Seeger hat es dann übernommen, den von Arnold Eickmann diktierten und Karl-Heinz Wegner aufgeschriebenen Bericht herauszugeben.

Mit großer Akribie hat er versucht, jene Angaben Eickmanns, die im Nachhinein überprüfbar sind, zu verifizieren. Dabei stellte er diverse Ungenauigkeiten fest. Das wirft die Frage auf, inwieweit man als Leser jenen Angaben Eick-manns, die nicht verifizierbar sind, glauben darf.

Arnold Eickmanns Bericht darüber, was er in den Konzentrationslagern erlebt und miterlebt hat, ist eindrucksvoll und bewegend. Der Autor macht es dem durchschnittlichen Leser leicht, sich mit ihm zu identifizieren. Der Ich-Erzähler ist ein sympathischer Mann mit Bildung, in den besten Jahren und ein Vertreter der Mehrheitsbevölkerung. Weder Jude noch Kommunist, weder Homosexueller noch Zeuge Jehovas und auch nicht Berufsverbrecher entsprach er eigentlich nicht dem klassischen Feindbild der Nationalsozialisten. So wird er mit seiner Verhaftung unerwartet aus einem bürgerlichen Leben, einer zumindest scheinbar heilen Welt gerissen.

Wenn sich Eickmanns Bericht auch stellenweise geradezu packend liest, sofern man das bei dieser Materie überhaupt sagen darf, so ist das Buch doch eher für den geschichtswissenschaftlich Interessierten geeignet, denn der Bericht bricht je mitten in einem Satz ab. Die erläuternde Anmerkung des Herausgebers hierzu lautet: „Es fehlen zirka zwei bis drei Seiten der überlieferten Kopie. Wahrscheinlich erhielten sie Informationen über Arnold Eickmanns Zeit im KZ Auschwitz und seine Rekrutierung zur Wehrmacht. Trotz intensiver Recherchen im In- und Ausland ist es dem Herausgeber nicht gelungen, das Original ausfindig zu machen.“

Wenn es dem Herausgeber auch nicht gelungen ist, das Ende ausfindig zu machen, so ist es doch erstaunlich und bemerkenswert, was Andreas Seeger dem Leser alles für wissenswerte und für das Verständnis von Eickmanns Bericht wertvolle Zusatzinformationen bietet. Über das Leben Arnold Eick-manns wird der Leser ebenso informiert wie über Karl-Heinz Wegner. Da Eickmann durch sein entschiedenes naturheilkundliches Engagement ins KZ gelangt ist, wird auch ein Überblick über das ambivalente „Verhältnis von Medizin und Naturheilkunde im Nationalsozialismus“ geboten.           M. Ruoff

Arnold Eickmann: „Der KZ-Gärtner … vom gesundheitspolitischen Standpunkt ein Staatsfeind“, Donat, Bremen, geb., 274 Seiten, 12,80 Euro


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