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16.08.08 / Ein siegreiches Unentschieden / Vor 250 Jahren führte die Schlacht von Zorndorf zu einem Rückzug der Russen Richtung Osten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Ein siegreiches Unentschieden
Vor 250 Jahren führte die Schlacht von Zorndorf zu einem Rückzug der Russen Richtung Osten
von Jürgen Ziechmann

Am Vortrag der Schlacht von Zorndorf vom 25. August 1758 war die rund 36800 Mann starke preußische Armee bis kurz vor das gleichnamige, nahe Neudamm an der Oder gelegene Dorf, in dessen Nähe die etwa 44300 Mann umfassende gewaltige Streitmacht der Russen lagerte, heranmarschiert. Dann setzte sie sich am 25. August 1758 um 3 Uhr morgens nach kurzer Nachtruhe wieder in Bewegung. Der König beabsichtigte, die Russen mit Hilfe der schiefen Schlacht­ordnung wie bei Leuthen anzugreifen und ließ seine Truppen um das russische Lager, das sich nördlich des Dorfes Zorndorf mit der Front nach Osten befand, herummarschieren.

Bei den Russen war dieser Marsch allerdings nicht unbemerkt geblieben. Ihr Oberbefehlshaber General Wilhelm Graf von Fermor ließ also die ganze russische Armee einen Schwenk machen, so daß er sich jetzt gegen einen Angriff von Süden, den er voraussah, gewappnet hatte. Gegen 8 Uhr war die gesamte Aufstellung beendet. Die hinter dem Umgehungsversuch der Preußen liegende Absicht einer schiefen Schlachtordnung wurde dadurch wirkungslos gemacht, und es mußte zu einem Frontalangriff der Preußen kommen. Das Dorf Zorndorf im Süden vor seiner Front hatte Fermor bereits gegen 7 Uhr durch seine Serbischen Husaren anzünden lassen. Dadurch wurde die Wut der preußischen Soldaten auf die Russen gesteigert, so daß diese bereit waren, auch ohne daß es dazu eines ausdrücklichen Befehls bedurft hätte, keinen Pardon zu geben.

Die Frontveränderung hatte für die Russen gravierende Nachteile: Zum ersten blies der Südwind nun dem rechten Flügel der Russen den Rauch des von ihnen angezündeten Dorfes ins Gesicht; zum zweiten wurde die eigene neue Front rechts und links von zwei Senken, dem Zaberngrund und dem Langen Grund eingeengt; und zum dritten verlief in der Mitte ihrer Front noch eine weitere Senke, der Galgengrund. Der größte Nachteil war, daß sich zwischen dem Zaberngrund und dem Galgengrund viele russische Regimenter ballten, die weder nach links noch nach rechts ausweichen konnten. Insofern war allein die Absicht des preußischen Königs, die schiefe Schlachtordnung anzuwenden, von großem Vorteil für die zahlenmäßig unterlegenen Preußen, auch wenn es nicht zu einer regelgerechten Anwendung des militärischen Gedankens, der der schiefen Schlachtordnung zugrunde liegt, kam.

Der König setzte zunächst den Vormarsch um Zorndorf herum fort. Endlich konnte er den rechten Flügel des Feindes erkennen und mußte einsehen, daß eine weitere Umgehung des Feindes zu nichts führen würde, da ein Angriff aus Westen durch den Zaberngrund unmöglich war. Fried­rich der Große wollte aber die Grundidee der schiefen Schlacht­ordnung, mit überlegenen Kräften lediglich einen Flügel des Feindes anzugreifen und dessen Front dann von da aus aufzurollen, nicht gänzlich aufgeben, und er befahl, die russischen Kräfte, die zwischen dem Zaberngrund und dem Galgengrund gedrängt standen, forciert anzugreifen, diesen Teil der Aufstellung einzudrücken und dann über den Galgengrund hinweg, die feindliche Front aufzurollen. Um sich gegen eine Überflügelung seines den Angriff führenden (linken) Flügels zu schützen, sollten die Mitte und der rechte Armeeflügel sich zurückhalten und als starke Reserve bereit stehen, um einen Angriff der russischen Kräfte zwischen dem Galgengrund und dem Langen Grund abzuwehren.

Entsprechend wurde die Artillerie eingeteilt: der größere Teil zur Vorbereitung und Unterstützung des eigenen Angriffs auf dem linken Flügel; der kleinere Teil zur Zurückhaltung des gegnerischen linken Flügels.

Die Reiterei des linken Flügels stand hinter den Infanterie-Bataillonen und noch weiter westlich neben dem linken Flügel.

Kurz vor 9 Uhr begann die gegenseitige Beschießung. Der König beabsichtigte, den schwierigen direkten Infanterie-Angriff seiner Soldaten durch entsprechend umfangreichen Artillerie-Beschuß so gut wie möglich vorzubereiten. Der Artilleriekampf war von seltener Heftigkeit. Weil zum ersten die Preußen auf ihren Anhöhen besser postiert waren, zum zweiten die Russen gegen die Sonne schauen mußten und zum dritten die Rauchschwaden des brennenden Zorndorf die russische Artillerie behinderten, richteten die preußischen Geschütze beim Gegner ein Vielfaches des Unheils an, das dieser den Preußen anzutun vermochte.

Die russischen Truppen hielten aber mit großem Fatalismus das zweistündige Feuer aus und ergänzten die Verluste aus den eng hintereinander stehenden Regimentsreserven. Die Regiments-Popen hatten den Bauernburschen eingeschärft, sie stürben für die Zarin und würden im Jenseits belohnt werden. In der Mitte und auf dem linken Flügel der Russen waren die Verluste der russischen Truppen weit weniger groß, denn die preußischen Batterien konnten gegen die gut gedeckten russischen Linien nicht weit genug vorrücken.

Nach zwei Stunden gingen die preußischen Infanterie-Bataillone des linken Flügels in Linie vor. Die preußische Kavallerie sollte erst vorrücken, wenn die feindlichen Infanterie-Linien in Unordnung geraten waren. Dieser Schlacht­ordnung entsprechend verlief die Schlacht in zwei Phasen:

Zunächst begann das Gefecht auf dem preußischen linken Flügel, wo die preußischen Infanterie-Bataillone des linken Flügels kurz vor 11 Uhr vorgingen. Das gegenseitige Gewehrfeuer wirkte auf beiden Seiten verheerend. Als die preußischen Truppen auf 40 Schritt an die russische Linie herangekommen waren, und die Russen den Feind von Angesicht zu Angesicht sehen konnten, stürzten sie sich mit dem Bajonett auf die Preußen. Diese hielten stand und drangen weiter vor.

In der Mitte aber gerieten die preußischen Truppen, die entgegen dem Befehl des Königs ebenfalls vorgegangen waren, an russische Truppen, die bisher noch keine größeren Verluste durch Artilleriebeschuß hatten hinnehmen müssen. Diese preußischen Truppen erlitten schwerste Verluste und gingen zurück.

In dem Moment sandte der König einen Adjutanten zu dem Kavallerie-General von Seydlitz auf dem linken Flügel mit dem Angriffsbefehl. Esquadronsweise stürzte sich die Kavallerie des linken preußischen Flügels auf die Russen, die sich mit äußerster Todesverachtung verteidigten. Endlich flohen die Russen, verfolgt von reinhauenden Kavalleristen. Viele russische Soldaten gerieten in die Bagage, den Troß, betranken sich noch weiter, denn vorher waren sie mit Wodka abgefüllt worden, und lehnten sich sogar gegen die eigenen Offiziere auf. Auch wenn die preußische Kavallerie sogar bis in die russische Bagage folgte und die Armeekasse der Russen erbeutete, war sie auf diesem Teil des Schlachtfeldes nicht mehr zu konzentrierten Operationen fähig.

Friedrich selbst, der zu der schwankenden Mitte seiner Front geritten war, sprang vom Pferde und ging mit der Fahne des Regiments Bülow (No. 46) in der Hand vor, um die Zurückweichenden wieder vorwärts zu dirigieren – allerdings mit mäßigem Erfolg.

Nun begann die zweite Phase der Schlacht, denn inzwischen war es 2 Uhr nachmittags geworden. Der preußische rechte Flügel war bisher noch gar nicht im Kampfgeschehen gewesen und hatte sich nordöstlich von Zorndorf in einer Mulde verborgen gehalten. Diese preußischen Truppen, die noch die in der Mitte geschlagenen eigenen Bataillone an ihrer linken Seite an sich banden, waren dem ebenfalls noch unverbrauchten Gegner zahlenmäßig weit unterlegen. Sie bedurften also energischer Artillerie-Unterstützung. Zum Glück für die Preußen war ihre Artillerie der russischen überlegen und feuerte unentwegt in die russischen Reihen.

Wenn die Russen dem preußischen Artilleriefeuer auch standhielten, so machte der Verlauf der Schlacht auf dem preußischen rechten Flügel auch den preußischen Truppen in der Mitte wieder Mut, so daß sie sich erneut um ihren König formierten. Der entschlossene Angriff des äußersten rechten Flügels der preußischen Infanterie brachte den russischen Vorstoß zum Stehen. Die Schlachtlinien beider feindlicher Truppen lösten sich dann in Einzelgefechte auf. Da die russischen Truppen zahlenmäßig den preußischen Verbänden weit überlegen waren und ihre Verluste auf ihrem linken Flügel ersetzen konnten, wogte der Kampf unentschieden hin und her, wobei die preußischen Bataillone zunächst kleinere Geländegewinne erzielten. Die Russen konnten angesichts der ermatteten Preußen allerdings die meisten ihrer Geschütze in Sicherheit bringen.

Gegen 18 Uhr trat eine Pause in dem blutigen Ringen ein. Da sich die preußischen Soldaten nahezu völlig verschossen hatten, konnte ein weiteres Vordringen von ihnen nicht mehr geleistet werden. Im Gegenteil: Die Russen, die noch die Kraft zum Gegenstoß hatten, drängten alle preußischen Truppen von dem gewonnenen Terrain wieder zurück. Kurz nach 20 Uhr ließ der König die Truppen sich versammeln und ein Lager mit Front nach Südwesten mit dem Langen Grund im Rücken beziehen. Gegen 21 Uhr verstummten die letzten Gewehrfeuer wegen der Dunkelheit. Fermor ließ ein Lager an der Nordwestecke des Dorfes Zorndorf errichten. Seine ursprüngliche Absicht, wegen der exponierten Lage seiner Verbände nach Süden an das Ufer der Oder zur Wagenburg, die die Russen dort zurückgelassen hatten, abzumarschieren, konnte er aufgrund der schlechten Verfassung der Truppe nicht durchführen. Insofern ist festzuhalten, daß er nicht aufgrund seiner siegreichen Truppen, sondern wegen deren Erschöpfung auf dem Schlachtfeld verblieb.

 

Der historische Gesamtkontext der Schlacht und ihre Einordnung

Mit General Wilhelm Graf von Fermor hatten die Russen am 1. November 1757 einen neuen Oberbefehlshaber erhalten. Zu Beginn des darauffolgenden Jahres ging er im Krieg mit den Preußen zum Angriff über. Er besetzte Ostpreußen, belagerte mit 10000 Mann Kolberg und stieß mit 66000 Mann in Richtung Warthe und Netze vor. Aufgrund der Versorgungslage marschierte er langsam, so daß er erst am 1. Juli 1757 Posen erreichte. Dann rückte er nördlich von Küstrin an die Oder vor.

Für Friedrich den Großen kam es jetzt darauf an, eine Vereinigung der Russen mit den Schweden, die in Vorpommern vorrück­ten, und erst recht eine Vereinigung der Russen mit den Österreichern, die in Schlesien vorrück­ten, zu vereiteln. Wie er es in seinen „Generalprinzipien vom Kriege“ 1748 bereits ausgeführt hatte, war er entschlossen, mit möglichst starken Kräften erst den einen und dann den anderen Gegner zu schlagen.

Bei Zorndorf traten seine rund 36800 Preußen auf etwa 44300 Russen. Die bisher blutigste Schlacht des Krieges kostete die Preußen an Toten, Verwundeten und Gefangenen 12442 Mann, 355 Offiziere, also fast ein Drittel der Gefechtsstärke, zwei Fahnen und 26 Geschütze; die Russen verloren über 20700 Mann, 918 Offiziere, 24 Fahnen, 103 Geschütze und über 850000 Rubel in bar.

Da beide Heere auf der Wahlstatt verblieben, beanspruchten auch beide, Sieger geworden zu sein. Allerdings hatte der König sein strategisches Ziel erreicht: Die Russen zogen unmittelbar nach der Schlacht nach Osten ab, mußten im Oktober die Belagerung von Kolberg aufgeben und setzten sich „nur“ in Ostpreußen fest. Die russische Herrschaft endete dort erst nach dem Tode der Zarin Elisabeth am 5. Januar 1762.          J. Z.

Foto: Friedrich der Große: Der König führt seine Truppen mit der Fahne des Regiments v. Bülow (No. 46) in die Schlacht bei Zorndorf (Gemälde von Carl Röchling (1855–1920)).


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