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16.08.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33-08 vom 16. August 2008

Zauberei / Wie schön Sozialismus sein kann, warum Chinesen bei allem schneller sind, und wieso  die Eierdiebe niemals Kinder waren
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Geschmack muß der Mensch haben: Für den Beginn ihrer „Sondierungen“ haben sich Hessens Sozialdemokraten und Postkommunisten ausgerechnet den vergangenen Mittwoch ausgesucht, einen 13. August, Jahrestag des Mauerbaus.

Endlich ist die SPD auf den Pfad der Wahrhaftigkeit zurück­gekehrt und hat die Hosen so weit heruntergelassen, daß nun wirklich jeder sehen kann, was die Zartfühlenden unter uns bis zuletzt nicht glauben wollten. Taktvollerweise soll es bis zur Bayernwahl bei Gesprächen bleiben, Köpfe bekommen die Sarg­nägel sozialdemokratischer  Glaubwürdigkeit laut losem Zeitplan erst Anfang Oktober. Dann wollen SPD und Linke in Wiesbaden die Machtübernahme im November vorbereiten.

Für das Treffen böte sich der erste Dienstag im Monat an, das wäre dann der 7. Oktober. Im gemütlichen Teil des Vereini­gungsabends könnten die Genossen noch einen kräftigen Wodka auf den Geburtstag der DDR kippen. Es wäre der 59. Oder zählt man bei Ypsilanti und Co. die DDR-Geburtstage schon rück­wärts? So wie einen Countdown bis zur Geburt der nächsten?

Aber warum haben wir eigentlich so eine Angst vor der Volksrepublik? Mal ehrlich: Waren Sie nicht auch begeistert von der tollen Eröffnungsfeier in Peking? Realsozialismus geht auch ohne löchrige Straßen und Mangel allerorten. Peking präsentiert sich der staunenden Welt mit dem Charme eines farbenfrohen Roboters, der sogar dann noch freundlich über alle Blechbacken strahlt, wenn er einem die Internetverbindung kappt.

Und Sozialismus ist sowieso viel sportlicher als es der konsumterrorisierte Fettmopps-Kapitalismus je sein wird. Die Chinesen haben trainiert wie die Gipfelstürmer und sahnen ab wie nie bei den Medaillen. Wie sie das machen, soll keiner sehen können, weshalb die Trainingslager in abgeschirmten Zonen oder auf Militärbasen versteckt liegen. So bleibt die Produktion der Medaillenesel ein wohlgehütetes Staatsgeheimnis.

Mit Produktpiraterie hat man im Reich der Mitte schließlich Erfahrung, und zwar höchsteigene. Da baut man vor.

Was in den Hochsicherheits­trakten alles gezaubert wird, bleibt unseren Blicken ergo verwehrt. Zänkische Zungen munkeln, die Gastgeber würden verbotene Rezepturen in Strömen verabreichen und mittels nicht nachweisbarer Gentherapien die Muskeln ihrer Wettkämpfer stählen.

Das ist nichts als Propaganda, versichern die Verantwortlichen. Schließlich seien Hunderte internationaler Doping-Spezialisten im Land. Führung und Verantwortung der Kontrollen liegen indes allein bei den Gastgebern. Aber wir sind ganz sicher, daß die Chinesen bei der Behandlung des Dopingproblems mindestens soviel Eifer an den Tag legen werden wie beim Phänomen der Produktpiraterie.

Im Grunde treibt die Kritiker ja nur der Neid auf die Erfolge der Chinesen. Was spricht denn dagegen, daß die nicht einfach von Natur aus schneller sind als wir? Und das, wie der „Focus“ berichtet, nicht nur beim Laufen und ähnlichem. Chinesen altern sogar schneller: So sei die Turnerin Yang Yilin bis 2006 noch am      26. August 1993 geboren worden, während sie jetzt als 1992 geborene 16jährige an den Start gegangen ist. 2007 muß ein hartes Jahr gewesen sein für das Fräulein Yang. Nach den Spielen wird sie sich dringend erholen müssen, sonst zählt sie zu den kommenden Spielen in London 2012 mehr Lenze als die Queen.

Das ist eben das 21. Jahrhundert. Wir ahnten schon vor seinem Anbruch, daß es das Jahrhundert der Wunder werden würde, weshalb wir uns heute über gar nichts mehr wundern. Frankreichs Staatspräsident Sarkozy ist ein Mann dieser neuen Zeit. Ihn erschüttert nichts mehr. In Mos­kau sagte er am Dienstag zum Georgien-Krieg: „Es ist völlig normal, daß Rußland seine Interessen verteidigen möchte, ebenso wie die der Russen in Rußland und der russischsprachigen Menschen außerhalb Rußlands“, um dann anzufügen: „Es ist ebenso normal, daß die internationale Gemeinschaft die Integrität, die Souveränität und die Unabhängigkeit Georgiens garantieren möchte.“ Was uns Zurückgebliebenen noch wie ein Spektakel von ungeheuren Ausmaßen vorkam, der Krieg eben, das hakt der schneidige Präsident tatsächlich unter „was soll’s“ ab: alles ganz „normal“. Respekt.

Aber ob sich die hunderttausend Flüchtlinge und Ausgebombten wohl schon in ihrer neuen Normalität eingerichtet haben? Die Bilder sagen etwas anderes. Ach, denen fehlt einfach der Blick fürs große Ganze.

Offiziell war der Franzose als EU-Ratspräsident in Moskau, um sein Bild von Normalität zu entwerfen, das damit auch das unsere ist. Hinter diesem Begriff von Normalität steckt das Ziel, sich möglichst keinen Ärger einzuhandeln. Man übergeht die Probleme nicht, das fiele ja auf. Man übergähnt sie einfach.

Aber wirkt das nicht ein bißchen faul, ja feige? Stimmt, deshalb gilt es, an unwichtiger Stelle hektische Betriebsamkeit zu entfalten, damit die Untätigkeit bei den wichtigen Problemen nicht auffällt.

Doch selbst hinter den allerunwichtigsten Kinkerlitzchen lauern bisweilen folgenschwere Entscheidungen, für die man geradestehen muß. Um auch diesen noch aus dem Wege zu gehen, sondern kluge Politiker nur mehr besorgte „Appelle“ ab, statt Entscheidungen zu fällen. Appelle sind die perfekten Attrappen von Verantwortungsbewußtsein. Wenn später was passiert, kann man immer darauf verweisen, das vermeintliche Problem rechtzeitig erkannt zu haben. Aber leider sei der „Appell verhallt“.

Wie riskant schon der Vorschlag zu einer Entscheidung sein kann, hat die FDP-Politikerin Miriam Gruß mitbekommen. Frau Gruß ist von der Kinderkommission des Bundestages.

Wie? „Kinderkommission des Bundestages“? Aber Kinder haben doch gar kein Wahlrecht? Wie kommen die dann in den Bundestag? Nein, nein, das sind keine echten Kinder, auch Frau Gruß ist schon groß. Das sind nur junggebliebene Erwachsene, die öfter mal Lust haben auf eine kecke Kinderei. Danach ist auch ihre jüngste Eingebung.

Der Vorschlag von Frau Gruß war, das beliebte Überraschungs-Ei zu verbieten. Ihre Begründung  verschlägt einem die Sprache: Die Abgeordnete behauptet nämlich, das Schoko-Ei mit Spielzeug drin sei gefährlich, weil Kleinkinder nicht unterscheiden könnten zwischen Dingen, die man essen kann und solchen, die man nicht essen kann – wie der Plastikkram, der in den Schoko-Eiern versteckt ist. Den könnte sie aus Versehen verschlucken.

Frau Gruß und ihre Kollegen sind entweder nie Kinder gewesen, oder sie haben alles vergessen. Kleinkinder können sehr genau unterscheiden, was eßbar ist und was nicht, weil sie nämlich eine absolut zuverlässige Untersuchungsmethode haben für alle Gegenstände, die sie in ihrer Umgebung finden: ab in den Mund damit und probenuckeln! Dabei ist es völlig unerheblich, ob der Untersuchungsgegenstand aus einem Schoko-Ei hervorkommt, nur so am Boden herumliegt oder ob er in einer trüben Pfütze dümpelt.

Bis auf Miriam Gruß und ihre Kommission wußten das leider alle noch und kicherten die arme Frau an die Wand. Die knickte sofort ein: Ihr Vorschlag sei nur als „Appell an die Industrie“ gemeint gewesen.

Da hat sie gerade noch die Kurve gekriegt. Nur Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein stellte ihr ein Bein.

Er ist im Wahlkampf und will sich daher keine Gelegenheit entgehen lassen, für die Rechte des Volkes zu kämpfen. Das mit dem Ei-Verbot gehe gar nicht, protestierte der Landesvater heftig. Wenn er sich mal nicht allzu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Hätte es nicht auch ein Appell getan?


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