28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
23.08.08 / Den Konsum ankurbeln / Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Rüttgers setzt auf Anti-Rezessions-Programm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

Den Konsum ankurbeln
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Rüttgers setzt auf Anti-Rezessions-Programm
von Mariano Albrecht

Keine gute Nachricht: Die deutsche Wirtschaft ist im zweiten Quartal dieses Jahres seit knapp vier Jahren erstmals wieder geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt ist um 0,5 Prozent gefallen, teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit.

Hohe Energie und Kraftstoffpreise zum einen und Kaufzurückhaltung der Konsumenten zum anderen setzen der Wirtschaft arg zu. Ist das zarte Pflänzchen Aufschwung, das zwar nicht, wie von der Bundeskanzlerin verkündet, bei allen angekommen ist, aber dennoch zumindest im ersten Quartal des Jahres der Wirtschaft ein Wachstum von 1,3 Prozent bescherte, nun in Gefahr? Droht gar eine Rezession?

Glaubt man dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU), so müsse der an Schwung verlierenden Konjunktur etwas in Form eines „Anti-Rezessions-Programm“ entgegengesetzt werden. In der Vergangenheit legte die Regierung Konjunkturprogramme auf, um der schwächelnden Wirtschaft auf die Beine zu helfen. Konjunkturprogramme sind meist mit Milliardenausgaben verbunden, darum hatte sich Jürgen Rüttgers wohl für eine elegantere Wortwahl entschieden. Er stellt sich formell hinter die Kanzlerin, die milliardenschweren Konjunkturprogrammen eine Absage erteilt hatte. Doch mit seiner Forderung nach einem „Anti-Rezessions-Programm“ attackiert Rüttgers die Berliner Politik durch die Hintertür:

„Es ist falsch, die Hände in den Schoß zu legen“, stichelt Rüttgers. „Wer eine Rezession vermeiden will, der muß es am Anfang tun und nicht erst, wenn der Abschwung schon voll eingetreten ist.“

Derweil die SPD in einer Art Schockstarre über Umfragetiefs und Linkspartei-Kungeleinen in Hessen mit sich selbst beschäftigt ist, werden in der Union die Messer zum Wahlkampf gewetzt. Die CSU will mit der Wiedereinführung der Pendlerpauschale dafür sorgen, daß der Bürger wieder mehr Geld in die Taschen bekommt. Wahlkampfgeschenk oder Hilfe für die angeschlagene Konjunktur?

Auch in der Bundesregierung hat man den Wahlkampf im Auge. Sah Wirtschaftsminister Michael Glos vor wenigen Wochen noch entgegen allen Expertenmeinungen ein Programm zur Ankurbelung der Konjunktur für notwendig, so lehnt er dies nun doch kategorisch ab. Die Vorschlagsmaschine läuft auf Hochtouren, nur kommt wenig Konstruktives dabei heraus.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident rührt derweil in allen Töpfen und bedient sich bei den Kollegen. Um einer möglichen Rezession entgegenzuwirken, will er im Bundesrat gegen die geplante Reform der Erbschaftssteuer stimmen. Das dürfte dem gehobenen Mittelstand entgegenkommen. Mit Steuervereinfachungen für den Bürger soll wieder mehr Geld in Umlauf kommen, der schwache Konsum läßt die Binnennachfrage schrumpfen, das ist Gift für die Konjunktur. Vorsorgeaufwendungen, Kinderbetreuungskosten und Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen sollen vereinfacht steuerlich berücksichtigt werden. Die FDP-Forderung nach mehr Netto vom Brutto läßt grüßen.

Mit seinen ordnungspolitischen Einwürfen versucht sich Rüttgers an einem Themen-Mix. Von dem Plädoyer für längere Laufzeiten von Kernkraftwerken, für das auch seine Partei-Chefin Angela Merkel eintritt, bis zu Themen fern der Tagesordnung der Große Koalition, wie zum Beispiel der Forderung nach einem Regelwerk für mehr Transparenz an den Internationalen Finanzmärkten, reicht sein Engagement. Rüttgers Stimme hat Gewicht, denn mit den Stimmen aus dem einwohnerstärksten Bundesland könnten im kommenden Jahr die Wahlen entschieden werden.

Auch das populäre Thema Bildung läßt Rüttgers nicht aus, für den derzeitigen Ingenieurmangel gebe es keine rasche Lösung, die Landesregierung setze daher auf mittel- bis langfristige Strukturverbesserungen, zum Beispiel den Ausbau der Fachhochschulen. Daß Rüttgers dabei zwischen Ordnungspolitik des Bundes und den Zuständigkeiten der Länder wenig Konstruktives auf die Tagesordnung bringt, fällt kaum auf.

Dennoch treffen seine Ansätze den Kern. Während die Kanzlerin in der Welt einen guten Eindruck hinterläßt und sich in der Bundespolitik aus Sachfragen heraushält, kann sich Rüttgers Verbündete suchen. Merkels Abfuhr an die CSU durch die Ablehnung einer Neuauflage der Pendlerpauschale kann ihm dabei nur gelegen kommen. Rüttgers Anti-Rezessions-Programm kann somit weniger als eine Aufforderung an die Regierung, einem wirtschaftlichen Abschwung entgegenzuwirken, gesehen werden, als ein ordnungspolitischer Einspruch in die Politik der Großen Koalition.

Foto: Den Konsum ankurbeln: Jürgen Rüttgers würde gern ein Hilfspaket schnüren.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren