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23.08.08 / Wir Kinder vom Kottbusser Tor / Erkundung des Ortes, an dem Christiane F. sich angeblich wieder Drogen beschafft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

Wir Kinder vom Kottbusser Tor
Erkundung des Ortes, an dem Christiane F. sich angeblich wieder Drogen beschafft
von Markus Schleusener

Christiane F. soll wieder abgestürzt sein. Der 46jährigen, die durch den Roman „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ berühmt wurde, wurde der Sohn weggenommen.

Angeblich, so Boulevardberichte, soll sie sich am Kottbusser Tor herumtreiben. Dieser U-Bahnhof hat den „Zoo“ längst als Drogenumschlagplatz Nummer eins abgelöst. Ein Ortstermin.

Ich treffe Jens. Nennen wir ihn so. Der 30jährige Berliner wohnt in Kreuzberg, nicht weit entfernt vom „Kotti“, wie sie den häßlichen Platz hier nennen. Auch er versorgt sich dort hin und wieder mit Drogen.

Seine Geschichte hört sich so ähnlich an wie die von Christiane F., nur daß er im letzten Moment immer wieder die Kurve gekriegt hat. Jens ist Student – seit zehn Jahren schon. Nebenbei macht er alle möglichen Jobs. Lange Zeit hat er in einem Callcenter einer großen Firma gearbeitet.

Irgendwann kam er wie jeder Jugendliche mit Drogen in Kontakt. Das ist kaum zu vermeiden, fängt fast immer schon in der Schule an.

Erst Kiffen, dann Kokain. Als der Stoff zu teuer wurde, stieg er um auf billigeres weißes Pulver, das ähnlich aufputschend wirkt: Speed.

Konsumenten haben oft einen Dealer, bei dem sie regelmäßig kaufen. Was aber, wenn der mal schläft oder nicht kann oder – was auch vorkommt – ausgestiegen ist? „Dann fahre ich zum Kottbusser Tor, da geht immer was“, sagt er. „Du mußt nur ein paar Sekunden fragend umherschauen, dann kommt jemand und bietet dir etwas an.“

Aber solche flüchtigen Geschäftskontakte erweisen sich meist als Betrug. „Einmal war ich mit einem Freund dort, um Koks zu kaufen. Aber als wir das Päckchen später ausgepackt haben, da sahen wir nur ein grüngelbes Zeug. Das war Heroin. Wir haben es weggeworfen.“ Der Marktpreis von Kokain liegt ungefähr fünfmal höher als der von Heroin. Der Dealer hat sie betrogen.

Als guten Rat gibt mir Jens noch mit auf den Weg: „Sprich lieber mit Deutschen als mit den arabischen Dealern, weil die zugänglicher sind. Und gib’ dich als Ex-Junkie aus. Mit Journalisten wollen die nichts zu tun haben.“ Gesagt, getan.

Das Kottbusser Tor am Sonnabendnachmittag: Ganz oben ist es ruhig. Der Bahnsteig der Linie 1 ist oberirdisch. Schlechte Voraussetzungen für dunkle Geschäfte. Außerdem verbindet diese U-Bahnstrecke Friedrichshain und Charlottenburg. Das ist nicht die richtige Klientel.

Treppe runter. Rund um den Platz lungern Asoziale rum. Zwei ältere Frauen, die ziemlich mitgenommen wirken, hier. Zwei jüngere Punkerinnen dort. Eine Frau um die 50 Jahre (könnte auch jünger sein) steht vor der Kaiser’s-Filiale. Bierflasche in der Hand. Ob sie Christiane F. schon mal gesehen hat? Nein, hat sie nicht. Sie torkelt davon.

Dann noch eine Treppe nach unten. Dort geht es zur U 8. Sie verbindet Wedding mit Neukölln. Beides sind soziale Brennpunkte. Matt-rosafarbene Fliesen. Dämmerlicht. Am Ende eines längeren Ganges stehen die Dealer. Ungefähr zehn Araber oder Türken, alle unter 30. Gerade sind welche dazugekommen, begrüßen die anderen mit Handschlag. Zwei von ihnen haben eine amerikanische Baseballmütze auf, einer führt einen Kampfhund mit sich. In der Mitte stehen die Bosse – mit dem Stoff. Um sie herum ihre Handlanger. Sie sprechen Kunden an, vermitteln „den Deal“.

Kaum ist diese Gruppe erspäht, da spricht mich der erste an. „Brauchst du was, Mann?“, flüstert er. Ich schaue ihn an. „Ich suche diese Frau“, zeige dabei auf ein Christiane-F.-Bild. „Mann, damit hab’ ich nix zu tun. Bist du Kripo, Mann?“ „Nein, ich suche eine alte Freundin.“ „Kenne ich nicht.“ Er geht weg.

Ich bin jetzt in einem unterirdischen Zwischengeschoß. Alles ist heruntergekommen. Ein Obdachloser durchwühlt einen Mülleimer auf der Suche nach Pfandflaschen. Die anderen Dealer mustern mich jetzt argwöhnisch. Der Junge, mit dem ich gesprochen habe, tuschelt mit ihnen. Zeit zu verschwinden.

Wenn sich Christiane F. tatsächlich am Kotti mit Drogen versorgt haben sollte, dann liegt der Verdacht sehr nahe, daß sie wieder Heroin nimmt. Daß sie wieder richtig unten angekommen ist. Die Typen dort handeln nicht mit feschen Partydrogen wie Koks oder Haschisch. Das ist unterstes Drogenmilieu. Dies legen auch die Erfahrungen von Jens nahe.

Es gibt inzwischen ein neues Gerücht: Sie soll in die Niederlande gegangen sein. Da dürfte sie vom Regen in die Traufe gekommen sein. Diesmal gibt es wohl kein Happy End für Christiane F. Jens dagegen macht erst einmal Pause. Er ist für ein paar Wochen in Brandenburg bei einem Zeltlager. Weit weg von der Drogenszene am „Kotti“.

Foto: Heruntergekommen: In dem Viertel findet manviele Drogen-Dealer und Süchtige.


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