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23.08.08 / Sterben für Anfänger / Was man für den Todesfall bedenken muß, um den Hinterbliebenen unnötige Probleme zu ersparen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

Sterben für Anfänger
Was man für den Todesfall bedenken muß, um den Hinterbliebenen unnötige Probleme zu ersparen
von Marcus Mockler und Friedrich Hils

Wenn ich sterbe, bekommt alles meine Frau“, denkt der treu sorgende Ehemann. „Und wenn ich nicht mehr entscheidungsfähig bin, soll einfach sie bestimmen.“ Viele stellen sich das so vor, doch sie haben die Rechnung ohne die Gesetzbücher gemacht. Wer sich nicht mit Erbvertrag und gegenseitigen Vollmachten absichert, kann im Falle eines Falles böse Überraschungen erleben.

Seit 1992 ist in Deutschland das Normale nicht mehr das Normale. Wenn davor ein volljähriges, alleinstehendes Kind beispielsweise einen Autounfall hatte und ins Koma fiel, dann war die Betreuungsbehörde bemüht, für die anzuordnende Pflegschaft (so hieß die Betreuung damals) die Eltern oder andere Familienangehörige vorzuschlagen. Seit Einführung des Betreuungsgesetzes vor 16 Jahren ist das nicht mehr der Fall. Verliert jetzt ein Mensch seine Entscheidungsfähigkeit, regen die zuständigen Stellen – etwa der Sozialdienst eines Krankenhauses oder Verwandte, Bekannte oder Nachbarn – beim Vormundschaftsgericht eine Betreuung an; wenn umgehend Entscheidungen zu treffen sind, handelt es sich um eine Eilbetreuung.

Ein Berufsbetreuer – das sind meist Sozialpädagogen, Anwälte oder ähnlich geeignete Berufsgruppen – übernimmt diese Aufgabe, wenn sich die Angehörigen nicht intensiv darum bemühen, selbst die Betreuung übertragen zu bekommen. Und der staatlich bestellte Betreuer erfüllt seinen Auftrag so lange (und muß dafür von der Familie bezahlt werden), bis der Patient entweder stirbt oder so weit wiederhergestellt ist, daß er seine Dinge selbst regeln kann. Oder aber, bis die Aufgabe an Angehörige übergeben wird.

In der Praxis bekommen zwar der Ehepartner oder die Eltern volljähriger Kinder unter Umständen die Betreuung übertragen. Aber im Unterschied zu früher müssen sie sich selbst dazu bereit-erklären und auch selbst bei den zuständigen Stellen darlegen, daß sie in der Lage sind, im Sinne des Erkrankten zu entscheiden. Die Bringschuld liegt bei den Angehörigen. Der Gesetzgeber sah sich übrigens durch mehrere in den Medien verbreitete Mißbrauchsfälle zur Verabschiedung des Betreuungsgesetzes veranlaßt: Da wurden Eltern beispielsweise von ihren Kindern in die Psychiatrie gebracht, obwohl es noch keine Veranlassung dazu gab. Durch das Betreuungsgesetz sollte solchen Mißbräuchen entgegengewirkt werden.

Wer die staatliche Intervention für den Betreuungsfall verhindern will, dem bleibt nur eine Möglichkeit: die Unterzeichnung einer Vorsorgevollmacht – am besten notariell beurkundet. Die Vorsorgevollmacht macht das Selbstverständliche wieder selbstverständlich.

Die Kosten für eine Vorsorgevollmacht hängen vom Vermögen dessen ab, der sie haben will. Bei einkommenslosen Schülern und Studenten sind das meist weniger als 50 Euro, bei Haus- und Grundbesitzern kann das auch erheblich mehr sein. Tritt aber ein Bedarfsfall ein, schlagen die Kosten, die durch einen staatlichen Betreuer und die in manchen Situationen (etwa bei einem schweren Schlaganfall) erforderlichen fachärztlichen Gutachten entstehen, in der Regel unverhältnismäßig höher zu Buche.

In Ehen, in denen einer der Partner (meistens der Mann) das Finanzielle regelt, kommt es häufig zu einem weiteren Problem: Im Todesfall hat der überlebende Partner keinen Zugriff mehr auf das Konto. Bei Banken und Sparkassen gibt es Mitarbeiter, die jeden Tag die Todesanzeigen in den Zeitungen erfassen und überprüfen, ob der Verstorbene bei ihnen ein Konto hat. Wenn ja, wird es sofort gesperrt. Manchmal dauert es Monate, bis die Angehörigen an das Geld kommen – weshalb schon manche Witwe für viele Wochen völlig mittellos dastand. Auch der Verlust der Geschäftsfähigkeit zum Beispiel durch einen Schlaganfall kann es für den Ehepartner sehr schwer machen, stellvertretend die Geschäfte zu führen. Um das zu verhindern, gibt es eine – ebenfalls vom Notar zu beurkundende – Generalvollmacht. In der Regel werden Generalvollmacht und Vorsorgevollmacht in dieselbe Urkunde gepackt.

Auch beim Erben sollte man nicht blind davon ausgehen, daß sich alles ohne juristische Absicherung vernünftig lösen läßt. Vor Erbschleicherei sind selbst christliche Familien nicht gefeit, und die blanke Geldnot hat schon Menschen ihr Erbteil einklagen lassen, die zuvor als auf Harmonie bedachte Familienmenschen gegolten hatten. Für den Gesetzgeber ist klar: Die Hälfte eines Erbes ist der sogenannte Pflichtteil, dessen Geldwert nach der Regelung der gesetzlichen Erbfolge eingefordert werden kann. Dieser Pflichtteil steht dem Ehepartner und den leiblichen Kindern dann zu, wenn sie durch ein Testament oder eine letztwillige Verfügung nicht berücksichtigt beziehungsweise ausgeschlossen wurden. Gibt es weder Ehepartner noch Kinder, folgen die Eltern als mögliche Erben.

Der Pflichtteil läßt sich nicht einmal durch ein anders lautendes Testament aushebeln. Einen Ehepartner oder ein Kind vollständig zu enterben, ist juristisch sehr schwierig und setzt im Normalfall ein verwerfliches und strafbares Handeln dieses Angehörigen gegen den Erblasser voraus. Im Klartext: Wenn ein Sterbender aufgrund der Eintragungen im Grundbuch Alleineigentümer von Haus und Grundstück ist, dann kann er zwar alles einem Dritten vererben, etwa einer gemeinnützigen Organisation. Die Hälfte des Geldwertes steht aber Ehepartner und Kindern zu – diesen Pflichtteil muß der Alleinerbe wieder ausbezahlen. 

Und genau hier liegt auch das Risiko. Ein Kind kann in jedem Fall die Auszahlung seines Pflichtteils fordern. Bei einem Einzelkind ist der möglicherweise so hoch, daß der überlebende Ehepartner das nicht bezahlen kann – und das Eigenheim verkaufen muß. Ein Beispiel: Haus und Grundstück haben einen Wert von 300000 Euro. Eigentümer war der Mann allein. Wenn er stirbt, könnte sein einziges Kind sofort seinen Pflichtteil beanspruchen. Das entspräche in diesem Fall einem Viertel des Nachlasses, also 75000 Euro. Das würde der Witwe finanziell das Genick brechen. Bezahlt sie nicht, kann ihr Kind sogar eine Zwangsversteigerung erwirken.

Das Problem läßt sich nicht ganz lösen, aber entschärfen – durch einen Erbvertrag oder ein Testament. Darin wird zum Beispiel die gesetzliche Erbfolge akzeptiert, aber das Recht der Kinder auf ihren Anteil hinausgeschoben bis zum Tod des überlebenden Ehepartners. Die Witwe oder der Witwer kann dann handeln wie ein Alleinerbe, darf allerdings das geerbte Gut nicht verschenken. Auch bei Erbvertrag und Testament kann das Kind nun zwar seinen Pflichtteil erstreiten. Der überlebende Elternteil kann aber umgekehrt drohen, beim eigenen Ableben dem Kind auch nur den Pflichtteil (also wiederum die Hälfte) zu überlassen. Das bedeutet: Hätte dem Einzelkind nach dem Tod beider Elternteile das ganze Haus samt Grundstück gehört, hat es nun nur noch eine Geldforderung in Höhe der Hälfte des Nachlaßwertes. Das werden sich gerade geldgierige Menschen zweimal überlegen.

Testamente sind übrigens auch ohne Notar gültig, wenn sie vollständig von Hand geschrieben sind. Mustertexte gibt es im Internet. Dabei ist allerdings zu bedenken: Solche Texte passen nur für ganz einfach gelagerte Fälle, weshalb es unbedingt empfehlenswert ist, sich juristisch beraten zu lassen.

Foto: Trauer um den Verstorbenen: Neben dem Schmerz gibt es auch viele bürokratische Krisen.


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