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23.08.08 / Mit linker Komponente / Ehemaliger Schulführer einer Adolf-Hitler-Schule berichtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34-08 vom 23. August 2008

Mit linker Komponente
Ehemaliger Schulführer einer Adolf-Hitler-Schule berichtet

Man kennt es zu genüge. Als Zeitzeugen befragte Angehörige von Einrichtungen des Deutschen Reiches während der NS-Zeit verweisen darauf, daß es an ihrer Wirkungsstätte „nicht so schlimm“ gewesen sei; daß bei ihnen der Einfluß des Nationalsozialismus begrenzt gewesen sei; daß bei ihnen noch das überlieferte Ideal des überparteilichen Staatsapparates gegolten und alles noch im großen und ganzen korrekt, anständig und vernünftig zugegangen sei – und daß man doch bitte zwischen ihrer staatlichen Einrichtung und der entsprechenden Einrichtung der Partei unterscheiden möge, mit deren Vertretern man nicht gekonnt habe.

Derart distanzierend äußern sich Beamte über die Partei, Wehrmachtssoldaten über die SS und Angehörige der Nationalsozialistischen Bildungsanstalten (Napolas) über die Adolf-Hitler-Schulen (AHS). Das mag ja alles stimmen, doch ist es wenig originell und trägt unweigerlich den Geruch der Selbstverteidigung.

Da ist es eine erquickende Abwechslung, daß der ZeitReisen-Verlag auf seiner CD „Eliteschulen unterm Hakenkreuz“ mit dem  Schulführer der Adolf-Hitler-Schule Heiligendamm von 1937 bis 1939 und Leiter der Erziehungsakademie der Adolf-Hitler-Schulen Max Klüver einen leitenden Repräsentanten der vielgescholtenen Einrichtungen der Partei interviewt hat.

Was Max Klüver zusätzlich als Zeitzeugen interessant macht, ist, daß es sich bei ihm nicht um eine „braune Dumpfbacke“ handelt, sondern um einen promovierten Akademiker mit differenzierenden Aussagen.

Bereits der erste der insgesamt 14 im Interview behandelten Themenblöcke gehört zu den interessantesten. Es geht um den Unterschied zwischen Napolas und Adolf-Hitler-Schulen.

Dieser Block ist aus dreierlei Gründen besonders reizvoll. Zum einen dürfte gerade bei den Nachgeborenen das Wissen um die Unterschiede zwischen diesen beiden Eliteschultypen des Dritten Reiches nur rudimentär sein. Zum zweiten ist es spannend, daß hier einmal ein ehemaliger Angehöriger einer Parteiinstitution diese gegenüber dem staatlichen Pendant abgrenzt und nicht umgekehrt. Und zum dritten ist es verblüffend, wie die Art und Weise, in der Max Klüver Kritik an den Napolas als angeblichen Schulen überkommenen Typus übt, an jene von linken Bildungsreformern an den heutigen Regelschulen erinnert.

Auch in den 13 anderen Themenblöcken fallen derartige Parallelen zwischen Klüver und linken Bildungsreformern auf. Da schwärmt Klüver davon, daß an den AHS nicht einfach Wissen gepaukt, sondern die Fähigkeit zu selbständigem, analytischem Denken und kontroverser Diskussion vermittelt worden sei. Da ist bezüglich der AHS von Arbeitsgruppen statt Frontalunterricht die Rede.

Klüver spricht von fächerübergreifendem Unterricht und einer Beurteilung der Schüler, die sich nicht nur auf Fachnoten beschränke. Wie ein Alt68er lobt er das kameradschaftliche „Du“ zwischen Lehrenden und Lernenden an den AHS.

Andere von Klüver vorgestellte (und dort teilweise verwirklichte) Ideale der AHS sind hochaktuell: Elite- ohne Dünkelbildung, Entrümpelung der Lehrpläne, Straffung der Lehrerausbildung sowie schließlich eine praxis- und schülernahe Ausbildung der Lehrkräfte.

Auch hierin zeigen sich wieder die linke und die moderne Komponente des Nationalsozialismus, die beide gerne verschwiegen beziehungsweise geleugnet werden, aber nichtsdestoweniger real existent waren.

Das Gespräch findet in einem konzentrierten, aber aggressionsfreien Klima statt. Augenscheinlich haben Interviewer und Interviewter ihren Dialog vorbereitet und lesen ihre Fragen beziehungsweise Antworten ab. Das ist nicht unbedingt von Nachteil. Klüver trägt seine inhaltsschweren und faktenreichen Antworten mit ruhiger, klarer Stimme in korrektem Schriftdeutsch vor. Aus dem Stegreif wäre eine entsprechende Leistung wohl kaum möglich.

Um es abschließend auf den Punkt zu bringen: Es ist interessant, einen gebildeten und gut informierten Zeitzeugen aus dem Inneren des NS-Apparates berichten zu hören.    Manuel Ruoff

„Eliteschulen unterm Hakenkreuz“, CD, ZeitReisen-Verlag, Bochum o.J., Laufzeit 79 Minuten, 9,90 Euro


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