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30.08.08 / Jetzt fehlt nur noch Honecker / Leipzig stellt Karl-Marx-Denkmal auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

Jetzt fehlt nur noch Honecker
Leipzig stellt Karl-Marx-Denkmal auf
von Patrick O’Brian

Im nächsten Jahr feiert die Leipziger Universität ihr 600jähriges Bestehen. 1409 wurde sie als „Alma Mater Lipsiensis“ gegründet. Dann wird viel von deutscher Geschichte gesprochen werden. Von der Reformation, von der Aufklärung, von Sebastian Bach, von Felix Mendelssohn Bartholdy, von den Montagsdemos.

Zur Zeit aber sorgt die Universität für Schlagzeilen, weil sie die dunkleren Kapitel deutscher Geschichte in Erinnerung ruft. An der Leipziger Universität wurde ein 33 Tonnen schweres Karl-Marx-Relief, das bereits entfernt war, wieder aufgestellt. Es zeigt, so hieß es bei der Einweihung 1974: „Karl Marx und das revolutionäre, weltverändernde Wesen seiner Lehre.“ Alle Proteste dagegen blieben wirkungslos. Und das, obwohl es sich um eines der größten Werke von Auftrags- und Propagandakunst der DDR-Geschichte handelt.

Ausgerechnet in Leipzig. In vielerlei Hinsicht ist Leipzig die deutsche Stadt schlechthin: Die Völkerschlacht bei Leipzig vor fast 200 Jahren besiegelte das Ende der Napoleonischen Herrschaft.

Die erste deutsche Fernbahnstrecke zwischen Leipzig und Dresden versinnbildlicht die rasante Industrialisierung Deutschlands im 19. Jahrhundert. Die DDR hätte gerne mit der Leipziger (Industrie-)Messe daran angeknüpft, konnte aber nicht. Keine große mitteldeutsche Stadt war 1989 so heruntergekommen wie Leipzig. Hier war der Druck am größten, hier zerbrach das SED-Regime am Widerstand von der Straße.

Leipzig hat eine der traditionsreichsten deutschen Universitäten. In der DDR-Zeit stand sie deshalb unter der strengen ideologischen Kontrolle der SED. Die Partei war sehr stark in den einzelnen Fachbereichen vertreten und parallel zur Hochschule, die von 1953 bis 1991 den Namen von Karl Marx trug, strukturiert. Diese Zeit unter der SED-Herrschaft wirkt bis heute nach.

Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth kritisiert die mangelnde Aufarbeitung: „Wenig ist heute von der Parteidurchdringung zu lesen: Auf der Webseite der Universität kommt trotz eines hervorragenden Universitätsarchivs eine Beleuchtung ihrer Geschichte als ‚Arbeiter- und Bauernuniversität’ kaum vor.“

Da paßt es ins Bild, daß die Uni ihr Karl-Marx-Denkmal restauriert – statt es zu entfernen. Das Monument sei ein zeitgeschichtliches Zeugnis, mit dem man sich aktiv auseinandersetzen müsse, argumentierte Uni-Rektor Franz Häuser. 2006 wurde es abgebaut. Bis dahin stand es am Augustusplatz (früher: Karl-Marx-Platz) vor dem Hauptgebäude. Jetzt wurde es anderer Stelle auf dem Universitätscampus wiedererrichtet – an der Jahnallee.

Mit dieser Standortverlagerung wollten die Marx-Freunde den Relief-Gegnern wie dem ehemaligen Pfarrer der Nikolaikirche Christian Führer oder dem Schriftsteller Erich Loest den Wind aus den Segeln nehmen. Außerdem wurde ein Schild angebracht, das an die SED-Diktatur erinnert. Eine solche Schautafel würde den ganzen Vorgang geraderücken, wenn sie gut gemacht wäre.

Ist sie aber nicht. Mit ein paar in Watte gepackten Sätzen über die SED-Architektur ist es nun mal nicht getan. In dem 2876 (!) Zeichen langen Text der Schautafel am Marx-Relief werden mit keiner Silbe die Millionen Toten erwähnt, die zum Opfer der pervertierten Marx’schen Lehre geworden sind. Stalin, Lenin, Mao, Pol Pot – alle Jünger des Kapitalismuskritikers bleiben unerwähnt, so als hätten sie sich nicht alle auf die Lehren jenes Mannes berufen.

Der Geschäftsführer der Kunstgießerei Lauchhammer, die das Relief 1974 gegossen und nun restauriert hat, Ulrich Kühne, findet deswegen nichts dabei, einen Marx (wieder-)aufzustellen. Er stellte sogar folgenden Vergleich an: „Ich hab’ so viele Bismarcks schon aufgestellt, nie hat sich einer darüber beschwert.“ Das ist natürlich ein Argument!

Aber Scherz beiseite: Kühne ist nach wie vor im Besitz noch ganz anderer Gieß-Muster, die er vielleicht ab Oktober – so lange dauern die Arbeiten am Marx-Relief noch – brauchen wird. Stalin, Lenin oder Ulbricht?

Kein Problem. In seinem Lager in Lauchhammer liegen sie bereit. Irgendwann werden auch diese drei vielleicht wieder Interessenten finden. Nur einer fehlt: „Honecker gab’s noch nicht“, sagt Kühne.


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