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30.08.08 / Öffnung erwies sich als Illusion / Olympia hat die Chinesen auf ihrem Weg in die Freiheit nicht weitergebracht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

Öffnung erwies sich als Illusion
Olympia hat die Chinesen auf ihrem Weg in die Freiheit nicht weitergebracht
von Albrecht Rothacher

Das olympische Sommerspektakel ist beendet. Seine Beurteilung liegt weitgehend im Auge des Beschauers. Für die Sportbegeisterten ein Feuerwerk der Bestleistungen im Duell zwischen chinesischen Staatssportlern und US-Profis, zwischen stramm getrimmten und disziplinierten Armeesportlern einerseits und Individualisten andererseits, die sich vom olympischen Gold Millionenumsätze erhoffen. Für die Funktionäre des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) um Jacques Rogge war Peking die Bestätigung ihrer selbstreferentiellen Wichtigkeit und oft genug korrupten weltweiten Geschäftigkeit. Die totalitäre Schau von Peking und die verkitschte Vereinnahmung der olympischen Symbole und Idee durch eine kommunistische Diktatur und ihre kommerziellen Helfershelfer stören da wenig. Für Chinas Präsidenten Hu Jintao und seine Apparatschiks stellen die Spiele in der Tradition von Tokio (1964) und Seoul (1988) die internationale Anerkennung ihrer Ankunft in der wirtschaftlichen und politischen Weltspitze dar – noch größer und noch pompöser als dies ihre asiatischen Rivalen je vermochten. Für den inflationsgeplagten Chinesen auf der Straße, der die Milliardenbeträge für die Spiele, die überdimensionierten Stadien, Hotels und Autobahnen zahlen mußte und als Pekinger oft genug für deren Bau entschädigungslos enteignet wurde, gingen die Spiele weitgehend ohne sichtbare Teilnahme vorbei. Für die Dissidenten und die tibetischen und uigurischen Kämpfer gegen die chinesische Kolonialherrschaft im Westen des Landes dagegen wurde das olympische Motto des „Schneller, höher, weiter“ zur vom Geheimdienstchef öffentlich verkündeten Parole der verstärkten und effektiveren Repression.

Entgegen aller, ohnehin nur gesichtswahrend und keinesfalls ernsthaft beabsichtigten Versprechungen blieb die chinesische Zensur lückenlos. Nicht genehme Meinungen wurden schnell zum Schweigen gebracht. Jegliche Illusionen, die chinesische Menschenrechtler über ein weltweites Echo für ihre Anliegen im Vorfeld der Spiele noch hegen mochten, waren angesichts der Übermacht der allgegenwärtigen Geheimpolizei rasch zerschlagen. Die auf Drängen des IOK eingerichteten drei Protestparks blieben frei von Demonstranten und Rednern. Wer dort unbedingt auftreten wollte, mußte sich zuvor bei der Polizei mit seinem Anliegen und seinen Plakaten anmelden. Die meisten ließen sich das Unverantwortliche ihres Tuns rasch ausreden. Wer dennoch darauf bestand, wie der Anwalt Ji Sizun (58) oder namenlose Rentnerinnen, die gegen den Abbruch ihrer Häuser protestieren wollten, landeten entweder für ein Jahr im Umerziehungslager oder verschwanden zur Gänze spurlos. Für das IOK war dies kein Thema. Im fernen Tibet und Xinjiang verhängten militärische Schnellgerichte ohnehin wie gewohnt weiter Todesurteile gegen Terroristen, Diversanten und Separatisten. Selbstredend auch dies kein Thema für die Fiktion unpolitischer Spiele.

Da half wenig, daß Präsident Bush sich vor seiner Abfahrt nach Peking mit einigen exilierten Ex-Dissidenten traf. Danach feierte er ungerührt – zusammen mit Putin, der damals schon seinen Angriffskrieg auf Georgien fix eingeplant hatte – bei der totalitär anmutenden Eröffnungsfeier das Regime. Auch nach dem russischen Angriff auf seinen georgischen Bundesgenossen amüsierte er sich in Peking zwei Tage lang reaktionslos weiter. Ein zweifach finales Armutszeugnis des Niedergangs seiner fatalen Amtszeit.

Keine Frage, die chinesische Führung hat zur Feier des eigenen Egos die Spiele gegen leere Versprechungen gekapert. Jene Zehntausendschaften an Sportreportern, olympischem Troß und Schlachtenbummlern bekamen dank einer lückenlosen Betreuung, Organisation und Abschirmung zwischen ihren Großhotels und halbleeren Sportarenen mit ihren sorgsam kontrollierten Kartenzuteilungen weniger vom eigentlichen China zu sehen als der durchschnittliche Rucksack- oder selbst Pauschaltourist, von unkontrollierten Unterhaltungen ganz zu schweigen. Die von Jacques Rogge verkündete, dem IOK angeblich versprochene Öffnung Chinas hätte anders aussehen müssen. Neben den offiziell erwünschten Bekundungen von Patriotismus unter dem in Divisionsstärke präsenten Betreuungspersonal berührten die Spiele das städtische Publikum in Peking und den anderen Austragungsorten kaum. Keine Spur einer Massenstimmung oder öffentlicher Feiern auf den polizeilich überwachten Plätzen als jenen in Europa mittlerweile üblichen Erlebnisräumen.

Ohne Zweifel hat die Pekinger Führung nicht die geringste Neigung, das eigene, als überlegen empfundene und für die eigenen Privilegien wohltuende diktatorische System ohne Not zu ändern, nur um dem Westen zu gefallen, der sich im Pekinger Sommer einmal mehr ohnehin wieder entweder willfährig oder angesichts des chinesischen Großmachtgehabes im Zuge der Tibetkrise des Frühjahrs genügend eingeschüchtert gab. Falls es zu Veränderungen der chinesischen Gesellschaft und Politik kommt, werden diese im Zuge der sich abzeichnenden Sozial- und Überalterungskrise, der wachsenden örtlichen Mißwirtschaft, regionalen Spannungen, der aktuellen Inflations- und Börsenkrise machtvoll von innen kommen.

Foto: Ringkampf: In diesem Fall keine olympische Disziplin, sondern Festnahme eines Demonstranten


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