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30.08.08 / Das Leid der Frauen / Will Seelmann-Eggebert über Ehen während der Kriegsgefangenschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

Das Leid der Frauen
Will Seelmann-Eggebert über Ehen während der Kriegsgefangenschaft

Würde der Preußische Mediendienst eine Bestseller-Liste führen, so wäre der Autor Will Seelmann-Eggebert bereits mit zwei Titeln darauf zu finden gewesen. In „Einer vom Jahrgang 1923“ und in „Weder Narren noch Täter“ beschrieb er seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg, als sowjetischer Kriegsgefangener und Spätheimkehrer. In „Liebe, Sehnsucht, Hoffnung – Beobachtungen und Gedanken eines Spätheimkehrers aus der Sowjetunion (Gefangenschaft 1945–1955)“ geht er dieses Mal nicht in erster Linie auf seine Erlebnisse ein, sondern schildert das Schicksal seiner Frau, die bis 1955 warten mußte, bis ihr Mann aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte. Auch hier zieht der Autor die Leser nicht durch eine besonders geschliffene Sprache oder Spannung in seinen Bann, Will Seelmann-Eggebert begeistert durch Authentizität. Alles, was er schreibt, schreibt er ungefiltert und voller Wahrhaftigkeit. Er will erklären, wie es war, und breitet dafür offen alle seine Empfindungen aus.

Noch im April 1945, also kurz vor Kriegsende, trat der 22jährige mit seiner Verlobten vor den Traualtar. Kurz danach geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft, und seine Frau sollte Monate kein Lebenszeichen von ihm erhalten.

Das Beispiel von seiner Frau nimmt der Autor zum Anlaß, um an alle Frauen zu erinnern, die ein ähnliches Schicksal zu erleiden hatten. Denn während das Leben der Menschen um sie herum sich immer mehr normalisierte, Freunde heirateten, Kinder bekamen, und ein Familienleben hatten, hofften sie darauf, daß ihre Männer irgendwann zurückkehren. Seelmann-Eggebert weist auch darauf hin, daß seine Lage in Gefangenschaft dadurch erträglicher war, daß er Menschen mit dem selben Schicksal um sich herum hatte, seine Frau hingegen hatte kaum jemanden, mit dem sie sich austauschen konnte und der sie verstand, wenn sie sich Sorgen machte, ob sie denn noch begehrenswert sei, wenn ihr Mann endlich heimkehren würde. Wenn er denn überhaupt heimkehrte. Es gab genügend Männer, die noch in der Gefangenschaft selbst an Krankheiten verstarben. Auch das Thema Treue war vorhanden. Viele Gefangene mußten erfahren, daß ihre Frauen nicht so lange warten konnten und in der Zwischenzeit einen neuen Partner gefunden hatten. Die Frau von Seelmann-Eggebert hielt die Treue, doch die Folge waren viele emotionale Tiefs, ja, sogar Depressionen. „Ich bin sehr stolz auf Dich, meine kleine, tapfere Frau, und froh, daß Du so selbständig und energisch Dir Deine, bald unsere kleine eigene Existenz aufbaust und Dich damit unabhängig von anderen Menschen gemacht hast“, zitiert er aus einen seiner Briefe an seine Frau aus dem Jahr 1949. Doch alles Zureden hilft nichts. „Sie schreibt, sie könne dieses Alleinsein mitunter nicht mehr ertragen; daß sie überhaupt noch da sei, sei das Verdienst ihrer Wirtsleute, Mutter und Tochter, und eines meiner Brüder. Es klingt so jämmerlich, daß sogar ein guter Kamerad, vor einiger Zeit erst aus Workuta in unser Lager gekommen, eine seiner Karten opfert und ihr schreibt: ,Sagen Sie Will in einer fest umrissenen Form, warum Sie Ihr Leben so nicht mehr ertragen können …‘“ All die Hilflosigkeit, die Verzweiflung, Will Seelmann-Eggebert macht sie auch für Menschen, die all das nicht erlebt haben, nachvollziehbar und begreiflich.          Bel

Will Seelmann-Eggebert: „Liebe, Sehnsucht, Hoffnung – Beobachtungen und Gedanken eines Spätheimkehrers aus der Sowjetunion (Gefangenschaft 1945–1955)“, SK Verlag, Bamberg 2008, broschiert, 112 Seiten, 7,50 Euro


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