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30.08.08 / Demenzerkrankung mit Folgen / Auch die pflegenden Angehörigen leiden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

Demenzerkrankung mit Folgen
Auch die pflegenden Angehörigen leiden
von Rosemarie Kappler

Gegenwärtig gibt es mindestens eine Million Demenzkranke in Deutschland, zwei Drittel davon haben die 1906 von dem Nervenarzt Alois Alzheimer erstmals beschriebene Krankheit. Nach Schätzungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft wird sich die Zahl der betroffenen Menschen bis 2040 auf rund 1,3 Millionen verdoppelt haben. Experten sprechen schon jetzt von der „Volkskrankheit der Zukunft“. Dazu gesellt sich ein bislang eher im Schatten gedeihendes Problem.

Die Mehrzahl der Demenzkranken wird von ihren Lebenspartnern, Kindern und – bei zunehmend früherer Diagnostik bereits im fünften Lebensjahrzehnt – auch von den Eltern gepflegt.

Da sich die Pflege eines demenzkranken Menschen meist über längere Zeit erstreckt und eine große seelische wie körperliche Belastung darstellt, ist die Gefahr sehr groß, daß pflegende Angehörige selbst schwer erkranken.

Karin Kempf, seit 2001 Fachkrankenschwester in der Universitäts-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Homburg, bestätigt dies aus eigener Erfahrung und Beobachtung: „Pflegende Angehörige von demenzkranken Menschen sind in besonderem Maße ,Mitbetroffene‘ dieser schweren Erkrankung. Die häusliche Pflege wird auch als 36-Stunden-Tag bezeichnet. Oft werden sie durch diese extreme Belastung selbst krank und leiden zum Beispiel unter schweren Depressionen.“

Gründe hierfür haben Experten in den vergangenen Jahren genügend zusammengetragen.

Pflegende Angehörige erfahren, daß sich die Persönlichkeit des kranken Menschen so radikal verändern kann, daß selbst nahestehende Menschen nicht mehr wiedererkannt werden.

Auch gehen gemeinsame Erinnerungen aus längst schon vergangenen Tagen zunehmend verloren.

„Den endgültigen Abschied von der ursprünglichen Persönlichkeit des kranken Menschen mitzuerleben ist für pflegende Angehörige ein sehr schmerzhafter und schwieriger Prozeß“, sagt Kempf, die im Rahmen eines sozialpädagogischen Fernstudiums an der Fachhochschule Koblenz ihre Bachelor-Arbeit zum Thema „Pflegende Angehörige von demenzkranken Menschen“ verfaßt und eingereicht hat. Ihre Kompetenzen und Erfahrungen möchte sie gern weitergeben und teilen, weil gerade der Krankenhausaufenthalt eines demenzkranken Menschen für die pflegenden Angehörigen zusätzlichen Streß bedeuten kann.

„Vor allem Angehörige, die sich dem demenzkranken Menschen besonders nahe verbunden fühlen, können Schuldgefühle entwickeln, wenn ein stationärer Aufenthalt erfolgt. ,Das schlimmste, was mir passieren kann, ist, meinen Mann wegzugeben. Das hat er nicht verdient …‘ ist die Aussage einer pflegenden Ehefrau“, berichtet Kempf.

Pflegende Angehörige könnten beispielsweise quälende Schuldgefühle entwickeln, wenn sie der Meinung sind, sie hätten vorab nicht ,gut genug‘ gepflegt. Oftmals sind sie auch davon überzeugt, daß nur sie allein durch die jahrelange Vertrautheit in der Lage seien, individuelle Bedürfnisse zu erkennen und auf sie einzugehen.

Die seelischen Nöte pflegender Angehöriger zu erkennen und im Klinikalltag darauf einzugehen wird in Zukunft eine größere Rolle spielen.

Karin Kempf möchte Angehörige dazu motivieren, sich möglichst früh und möglichst ausgiebig über die Besonderheiten der jeweiligen Demenz-Krankheit zu informieren. Manche Überforderungssituationen könnten vermieden oder abgeschwächt werden, wenn Angehörige sich besonders „nervige“ Verhaltensweisen wie persönliche Beschuldigungen („Du hast meinen Geldbeutel gestohlen“!) als krankheitsbedingt erklären können und nicht zum Beispiel als Bösartigkeit interpretieren.

„Wichtigster Punkt im Umgang mit demenzkranken Menschen ist für mich das Wissen, daß der demenzkranke Mensch meist bis an sein Lebensende auf der gefühlsmäßigen Seite erreichbar bleibt. Das kann für pflegende Angehörige eine wertvolle Ressource sein, den Kontakt mit ihm herzustellen, auch wenn sich sein Geist längst in eine andere Welt verabschiedet hat“, so Kempf.

Auch der Demenzkranke hat Bedürfnisse auf der Gefühlsebene: Er möchte geachtet und respektiert werden, einen Sinn in seinem Leben haben (etwa durch eine „passende“ Beschäftigung) und ein Teil des gesamtem „Großen und Ganzen“ sein.

Selbst wenn er die Bedeutung des gesprochenen Wortes nicht mehr verstehen kann, bekommt er sehr wohl andere Anteile der Kommunikation mit wie die Körpersprache oder den Tonfall in der Stimme des Gegenübers.


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