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30.08.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35-08 vom 30. August 2008

Toilettenpapier / Wie Lone Star den Mittelstand liebt, wie der Euro in die ganze Welt strahlt, und was auf den Strahlen so alles ins Land kommt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die Finanzkrise bläht sich auf zur weltweiten Wirtschaftskrise. Die skrupellosen Banker haben uns den Ruin gestümpert.

Tut denn keiner was? Doch: Die Politik hat den Überblick bewahrt. Dort sitzen die Anwälte des Volkes, die darauf achten, daß uns das Schlimmste erspart bleibt. Deshalb haben sie uns endlich die IKB geschickt vom Hals geschafft. Die Tochterbank der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die eigentlich den Mittelstand fördern sollte, hat sich statt dessen mit amerikanischen Ramsch-Hypotheken verzockt. Das kostete den deutschen Staat und seine KfW am Ende über neun Milliarden Euro.

Das Sorgenkind ist also weg. Oder? Nun ja, ganz so stimmt es leider nicht. Das Kind ist zwar weg, die Sorgen aber bleiben im Hause: Verscherbelt wurde nämlich bloß das lukrative Geschäft mit der Mittelstandsförderung, die Risiken aus dem Hypothekendesaster darf die KfW behalten, heißt es in Bankenkreisen.

Mit der Abwicklung des Verkaufs hat die KfW die amerikanische Investmentbank Merrill Lynch beauftragt. Zwei Interessenten hatten sich gemeldet: Der US-Finanzinvestor Lone Star und ein Russe namens Alexander Lebedew. Natürlich hat Merrill Lynch die Sache völlig neutral und ausschließlich im Interesse des deutschen Auftraggebers durchgezogen, wird versichert.

Die US-Investoren boten dem Vernehmen nach 150 Millionen Euro für die IKB, der Russe wollte angeblich 400 bis 600 Millionen berappen. Den Zuschlag erhielt Lone Star.

Wie bitte? Ja, ja, aber jetzt nur keine voreiligen Verdächtigungen: Die politisch Verantwortlichen in Berlin beteuern mit treuem Augenaufschlag, daß Lone Star keineswegs bevorzugt worden sei von seinen Duz-Freunden bei Merrill Lynch. Das Angebot sei einfach besser gewesen.

Na denn, man muß wohl ein richtiger Fuchs im Spekulantenbau sein, um zu kapieren, warum 150 Millionen Euro Verkaufserlös besser sein sollen als das Drei- oder Vierfache. Aber davon verstehen wir eben nichts, wir einfachen Steuerzahler. Deshalb vertrauen wir den Experten in der Politik. Aus deren linkeren Reihen kommt seit Monaten die Forderung, der Staat müsse viel stärker eingreifen in den Bankensektor, ganz Linke wollen die großen Geldhäuser sogar verstaatlichen. Nun, was solche Staatsbanken drauf haben, das zumindest durchblicken wir seit der Bruchlandung im Hause der staatlichen KfW sehr genau.

Wer Lone Star eigentlich ist, wissen wir nicht so recht. Ins Gerede gekommen sind die Investmentbanker mit dem Aufkauf von Privathypotheken. Berichten zufolge haben deutsche Kreditinstitute die Hypotheken ahnungsloser Hausbauer auf dem Weltmarkt verklappt, wo einige davon Lone Star ins Netz gingen. Sobald der Kreditnehmer ein wenig in Verzug geriet mit den Zahlungen, kam dann nicht mehr eine warnende Aufforderung der Hausbank, sondern gleich die Einleitung der Zwangsversteigerung durch Lone Star – ruppig, aber legal.

Wie sich die rabiaten US-Banker mit solcherlei Gebaren zum fürsorglichen Förderer des deutschen Mittelstands qualifiziert haben, bleibt uns allerdings ein Rätsel. Könnte es nicht sein, daß sich Lone Star zum Mittelstand in der gleichen inbrünstigen Weise hingezogen fühlt wie ein Vampir zur holden Jungfrau?

Wird sich zeigen. Dennoch ist diese Herzieherei über Banker (und aus der Politik dazugestellte Hobbybanker) im Grunde naseweis. Wir, die wir keinen Schimmer haben, meckern und mosern wie immer. Etwas mehr Demut, bitte! Ist es nicht ein phantastisches Schauspiel, mit welcher Grazie diese Geldjongleure durchs Höllenfeuer der Finanzkrise tänzeln, ohne selbst etwas abzubekommen? Wie sie immer neue Auswege finden, um den angesammelten Schrott, der von der Blase übrigblieb, anderen unterzujubeln?

Nehmen wir allein die spanischen Banken. Die haben es ja besonders toll getrieben und so viele neue Wohnungen kreditfinanziert, daß Spanien ein kleineres europäisches Nachbarvolk komplett in seine Mauern aufnehmen könnte, ohne in Wohnungsnot zu geraten: Zum Jahresende wird die Halde unverkaufter Heime auf über eine Million Einheiten angewachsen sein. Entsprechend gewaltig ist die Flut von Pleiten und geplatzter Kredite. Für viele spanische Geldhäuser eine tödliche Bedrohung.

Aber sie haben einen Ausweg gefunden: Um nicht im Strudel der Verluste unterzugehen, leihen sich die iberischen Geldverleiher bergeweise Bares bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Fast 50 Milliarden Euro haben die Frankfurter Währungshüter so schon aus dem Säckel der Euro-Gemeinschaft über die Pyrenäen geschaufelt.

Ob sie das Geld je wiedersehen? Es sieht nicht danach aus. Als „Sicherheit“ hinterlassen die Spanier sogenannte Hypothekenverbriefungen, deren Wert knapp oberhalb von löchrigem Toilettenpapier notiert. Gesichert sind die Verbriefungen nämlich mit den praktisch unverkäuflichen Wohnungen von der spanischen Immobilienhalde.

So hätten sich die Zockerbanken auf Kosten der deutschen und nordeuropäischen Steuerzahler saniert, merkt eine englische Zeitung süffisant an. Raffiniert, nicht wahr?

Eine Gemeinschaftswährung ist etwas Wunderbares: Da kann man mal so richtig Gas geben, volle Kante ins Risiko. Geht’s glatt, ist man reich, geht’s schief, kann man den anderen die versalzene Suppe hinstellen, und die Idioten löffeln alles brav aus. Die einen haben den Spaß, die anderen tragen tapfer die „Gesamtverantwortung“. Europa ist ja eine Solidargemeinschaft.

In Deutschland lahmt derweil die Wirtschaft. Das hat jedoch wirklich nichts mit iberischem Toilettenpapier zu tun, sondern liegt daran, daß die Deutschen zu viel sparen, sagen die Wissenschaftler. Die große Frage ist, wozu, genauer: worauf sparen die Deutschen denn?

Die Inflation mache den Leuten Angst, sagen manche. Ach! Das wäre doch eher ein guter Grund, den schwindsüchtigen Schotter so schnell wie möglich in etwas Brauchbares umzusetzen, bevor er gar nichts mehr wert ist – anstatt ihn zu sparen.

Andere meinen, es sei die Furcht vor dem Abschwung. So? Kann auch nicht sein: Kanzlerin Merkel hat versprochen, daß der Aufschwung immer weitergeht und bei allen ankommt.

Warum also so knickrig, die Deutschen? Ganz einfach: Der kluge Mann baut vor. Wenn schon die spanische Blasenschwäche mit 50 Milliarden Euro zu Buche schlägt, was kommt dann auf uns zu, wenn nach dem nächsten „Siegeszug des Euro“ auch Bulgarien und Rumänien, die Ukraine und die Türkei, Georgien und Moldau und wer nicht noch alles an den Gemeinschaftstopf rücken?

Immerhin steht die EU für die Bekämpfung von Diskriminierung aller Art. Daher kann man künftigen Neulingen nicht verweigern, es auch mal richtig krachen zu lassen wie die Spanier, um die Kosten später an die EZB weiterzureichen. Und deren Kosten tragen als stärkstes Einzelmitglied eben vor allem die Deutschen. Da ist es durchaus angeraten, jetzt schon ein paar Euros zurückzulegen.

Indes, um lustige „Verbriefungen“ in Frankfurt gegen hartes Geld einzutauschen, muß man nicht einmal Mitglied der Eurozone sein. England gehört ja nach wie vor nicht dazu. Der größte britische Immobilienfinanzierer Nationwide, der ebenfalls auf einem monströsen Berg notleidender Ramschkredite sitzt, installiert daher gerade eine Zentrale im Euroland Irland. Von Dublin aus will Nationwide seinen Kreditmüll dann an die EZB in Frankfurt weiterreichen.

Das könnte andernorts bald Schule machen, so daß uns nach und nach immer mehr gestrauchelte Geldinstitute aus Nicht-Euro-Staaten spanisch kommen dürften. Wir können stolz sein: Der Euro strahlt wirklich in alle Welt.


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