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06.09.08 / Ein Volk, das seine Geheimnisse behielt / Ein einzigartiges Museum in Potsdam ist den Prußen gewidmet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-08 vom 06. September 2008

Ein Volk, das seine Geheimnisse behielt
Ein einzigartiges Museum in Potsdam ist den Prußen gewidmet

Mehrere Museen in Deutschland beschäftigen sich mit der Geschichte Ostpreußens, aber kaum eines befaßt sich intensiver mit den Prußen, den baltischen Ureinwohnern der Region. Mit bescheidenen Mitteln tut dies seit einiger Zeit das Museum „Die ersten Preußen“ in Potsdam.

Dieses Museum sammelt seit 1980 das noch vorhandene Material über die Prußen, vor allem Bücher, Karten, Zeichnungen und Drucke. Der Ausstellungsraum liegt in unmittelbarer Nähe des bekannten Regionalmuseums „Haus der Bandenburg-Preußischen Geschichte“. Damit liegt es im Bereich des ehemaligen Potsdamer Stadtschlosses. Im Jahre 1945 ausgebrannt, ließen die DDR-Gewaltigen das Schloß in den Jahren 1959 und 1960 sprengen und seine Reste abtragen.

„Man wollte uns eigentlich gar nicht hier haben“, meint mit verschmitztem Lächeln der bekennende „Pruße“ Reinhard G. Grunenberg. „Wir waren zu klein und völlig unbekannt. Aber mit Zähigkeit und Verhandlungsgeschick gelang es uns, einen günstigen Mietvertrag zu bekommen.“

Betritt man den Ausstellungsraum, darf man keine Exponate erwarten, die das Typische der Kultur und der Geschichte der Prußen im Original verdeutlichen: Gerätschaften, Waffen, Kultgegenstände und Schmuck – fast nichts davon ist erhalten geblieben. Schon eher findet man Literatur, alte Dokumente und Urkunden über die Prußen. Aber auch die Suche danach erweist sich als ein dorniger Weg, denn die Prußen behielten ihre Geheimnisse für sich, schließlich kannten sie keine Schriftsprache. Was über sie überliefert ist, stammt von griechischen und römischen Geschichtsschreibern, Kaufleuten und Seefahrern, später auch von Missionaren und Ordensrittern. Tacitus lobte die Landwirtschaft der sogenannten „Aesten“, mit denen er möglicherweise die Prußen meinte, und schätzte sie als um einiges fleißiger ein als die vermeintlich trägen Germanen.

Schon etwas besser kennt man die Sprachen der Prußen. Der letzte Sprecher des sogenannten „Altpreußischen“ lebte auf der Kurischen Nehrung und nahm im Jahre 1677 die Sprache mit ins Grab. Doch kürzere Texte sind erhalten und gelten als sprachwissenschaftliche Sensation. Die Sprache ist so archaisch, daß Linguisten sie mit Lateinisch, Griechisch und Alt­indisch vergleichen.

Ein bekanntes Vermächtnis dieses kleines Volkes steckt in ihrem Namen. Dieser wurde in der Lautung „Preußen“ 1773 durch Kabinettsorder von den Brandenburgern für alle ihre Gebiete übernommen.

Die bescheidene kleine Prußensammlung, die das ostpreußische Sammler-Ehepaar Kauffmann in den vergangenen Jahren zusammengetragen hat, bildet das Kernstück des Museumsbestandes, den Grunenberg in Potsdam als Treuhänder übernommen hat. Er bewahrt die wenigen Fundstücke, jagt weiteren hinterher, veranstaltet Seminare und Ausstellungen und sammelt das dafür erforderliche Geld. Inzwischen behilft sich sein Museum mit Nachdrucken, Kopien und Nachschöpfungen. „Es wäre zu schön, könnten wir ein Ausstellungsstück nach dem anderen durch Originale austauschen.“ Grunenberg ist optimistisch. Weil Bücher und Abbildungen in den Ausstellungen dominieren, verwendet er häufig die Bezeichnung Museumsgalerie. Besonders wertvolle Stücke aus dem Angebot der Museumsgalerie sind ein Originaldruck Martin Luthers „An die Herren des Deutschen Ordens“, eine von Albrecht von Preußen 1523 in Auftrag gegebene Kritik Luthers an der Lebensweise der Ordensritter; ein Originaldruck „Landesordnung des Herzogtums Preußen“ von 1577, ein Originaldruck „Hofgerichts-Ordnung des Herzogthums Preußen“ von 1584, ein Originaldruck „Historia Rerum Prussicarum“ von Schütz, 1599 sowie des weiteren Original-Chroniken von Hartknoch, Waiselius und anderen.

Obwohl die Ausstellungstätigkeit der Museumsgalerie auch aus finanziellen Gründen noch auf Sparflamme köchelt, wächst die Zahl derer, die sich für das heidnische Völkchen interessieren. Grunenberg vermutet, daß viele Ost-und Westpreußen, die nach 1945 in den Westen kamen, und solche Mitbürger, die davor aus Ostpreußen ausgewandert sind, die Wurzeln ihrer Herkunft entdecken wollen. Heutige Schätzungen gehen davon aus, daß bevor der Deutsche Ritterorden 1230 nach Ostpreußen kam, die Zahl der Prußen ungefähr 200000 betrug. In der Ordenszeit kamen 130000 Neusiedler anderer Herkunft zusätzlich ins Land.

Für die Sprachforscher ist es nicht so wichtig, ob Originale oder Nachdrucke die Wände der Museumsgalerie schmücken. Sie könnten auch mit einem „virtuellen Museum“ leben. Um diesen Wünschen entgegenzukommen, werden vom Zusammenschluß und der Interessenvertretung der Prußen „Tolkemita“ Seminare veranstaltet. Auch solche, auf denen man Prußisch lernen kann. Man lancierte eine Schriftenreihe mit dem Titel „Tolkemita-Texte“. Bisher sind – man höre und staune – 71 davon erschienen.

Die Museumsgalerie muß damit leben, daß die bekannte Prussia-Sammlung, die in den Nachkriegswirren verschollen war, in Königsberg mit geretteten Teilbeständen erstrahlt und alle vergleichbaren Sammlungen überschattet. Vielleicht bietet sich in Zukunft eine Zusammenarbeit an, beispielweise mit Leihgaben oder der Überlassung von Fotografien besonders wertvoller Exponate aus dem Königsberger Museum für Kunst und Geschichte.

Aber eine Trumpfkarte verbleibt der Museumsgalerie „Die ersten Preußen“ und das ist das „Personal“, die Mannschaft ehrenamtlicher Streiter um Reinhard G. Grunenberg. Bei allen Fragen erweist er sich als kompetenter Prußenkenner. Gunter G. Haugwitz

Die Potsdamer Museumsgalerie „Die ersten Preußen“, Am Neuen Markt 9 d, 14467 Potsdam, Telefon / Fax (030) 31016599, ist jedes Wochenende geöffnet. April bis Oktober von 15 bis 18 Uhr. November bis März von 13 bis 16 Uhr.

Foto: Die Hauptgötter der heidnischen Prußen: Der Gott des Todes Pikollos (Patollu), der Gott des Donners (und der Natur überhaupt) Perkunos und der Gott des Lebens Potrimpos (von links nach rechts)


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