18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.09.08 / Schlacht um die Siedlung Kaup / In Cranz wurde zwei Tage lang das Leben in der ehemaligen Wikingerstadt vor 1000 Jahren nachgestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-08 vom 06. September 2008

Schlacht um die Siedlung Kaup
In Cranz wurde zwei Tage lang das Leben in der ehemaligen Wikingerstadt vor 1000 Jahren nachgestellt

Bei einem zweitägigen Festival am 8. und 9. Juli in Cranz wurde eine Schlacht um die Siedlung „Kaup“ nachgestellt. Die Besucher wurden in die Zeit vor 1000 Jahren zurückversetzt, als das Samland von Prußen und Wikingern besiedelt war.

Auftakt des Fests war ein Kostümumzug durch die Hauptstraßen der Stadt Cranz, der die Passanten zum Mitmachen animierte. Ungefähr 300 Teilnehmer aus der Russischen Föderation, der Republik Polen und den baltischen Staaten waren angereist, um die Zuschauer mit ihrer Darstellung von Kriegern und Händlern zu überraschen. Die Hälfte der Teilnehmer waren Nichtrussen.

In den Tagen des Festivals konnten sich die Zuschauer nachgestellte Kriegshandlungen ansehen. Die Schlachten wurden von Gefühlsausbrüchen der Zuschauer begleitet, von denen sich einige sogar selbst in den „Kampf“ stürzten.

Wer friedlichere Beschäftigungen vorzog, konnte an einer archäologischen Exkursion teilnehmen, auf der Handwerkskunst sowie verschiedene Spiele und Vorstellungen gezeigt wurden. Die Besucher konnten Waffen und Rüstungen der Wikingerzeit ausprobieren und sich so selbst als Wikinger oder Prußen fühlen. Viele sahen sich mit Interesse das Bogenschießen an, an dem Groß und Klein auch selbst teilnehmen konnte. Nebenbei spielte Musik auf historischen Instrumenten, und viele Gäste tanzten dazu.

Auf dem Festplatz wurden Souvenirs und handwerklich gefertigte Gegenstände zum Kauf angeboten, die an Ort und Stelle hergestellt worden waren, etwa Geschirr, Holzspangen sowie weitere Holz- und Schnitzarbeiten. Ziel der Mittelalterfreunde war ein möglichst originalgetreues Arbeiten, ihre Kleidung hatten sie selbst genäht. Unter freiem Himmel kochten und buken sie, ritten auf Pferden und schmiedeten Schwerter. Die „Wikinger“ und „Handwerker“ lagerten in einer Zeltstadt unweit des Strandes im Stadtpark.

Höhepunkt des Festivals war die Schlacht der Dorfgemeinschaft Kaup gegen die skandinavischen Wikinger, die im Stadtpark begann, und später am Strand fortgesetzt wurde. Das war ein ein­drucks­volles Spektakel, aber historisch doch ein wenig ungenau. Nach allem, was die Archäologen heute sagen können, war diese Siedlung gut zwei Kilometer südlich der Stadt nämlich von Wikingern geprägt und hatte also wenig Anlaß, „gegen die eigenen Leute“ zu kämpfen.

Für das nächste Jahr planen die Organisatoren dennoch, ein Wikingerschiff zu bauen, um gleich eine richtige Seeschlacht am Ufer von Cranz stattfinden zu lassen.

Dieser Form von Volksbelustigung war eine archäologische Expedition auf einen Hügel in der Nähe von Cranz vorausgegangen, die zu archäologischen Funden skandinavischen Ursprungs führte. Die umfangreichen Funde gaben den Anlaß zu dem internationalen Festival zur Rekonstruktion der Wikingerepoche in Ostpreußen. Die Archäologen hatten festgestellt, daß im Samland zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert einige größere Standorte der Wikinger existierten. Doch die Wikinger betätigten sich nicht nur kriegerisch, sondern betrieben auch Handel. So gab es in der Siedlung Kaup (in der Nähe des Dorfes Wiskiauten bei Cranz) in jener Zeit einen großen Markt, der weit über die Grenzen des Samlandes bekannt war. Auf Altnordisch bedeutet das Wort „Kaup“ in etwa „Markt“ oder „Handel“. Dieses größte Handels- und Handwerkszentrum im Samland bestand vom Beginn des 9. bis zum Anfang des 11. Jahrhunderts. Die Bevölkerung von Kaup war wohl gemischt, aber ausweislich der Gräber und Siedlungsreste überwiegend skandinavisch. Diese bedeutende Siedlung beherrschte den Ostseehandel der Region und die Meerenge, die seinerzeit an dieser Stelle die Kurische Nehrung vom Festland trennte. Förderung, Bearbeitung und Handel mit Bernstein waren offenbar schon damals ein wirtschaftliches Standbein in der Region. Jurij Tschernyschew

Foto: Auftakt des Festes: Kostümumzug durch die Straßen von Cranz


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren