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06.09.08 / Natur erleben – Natur erforschen / Mit einem innovativen Konzept erfüllt der Nationalpark Hohe Tauern auch einen Bildungsauftrag

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-08 vom 06. September 2008

Natur erleben – Natur erforschen
Mit einem innovativen Konzept erfüllt der Nationalpark Hohe Tauern auch einen Bildungsauftrag

Mit 1800 Quadratkilometern ist der Nationalpark Hohe Tauern der größte in Mitteleuropa. Neben dem Schutz einzigartiger Ökosysteme werden hier Information und Bildung großgeschrieben. Ein Besuch bietet vor allem Familien erlebnisreiche Ferien.

Blonde Locken, verbindlich, gut gelaunt: Nationalpark-Führerin Elfi Striednig ist der Typ, der sich auch zahmen Wünschen des Wanderers anpaßt. Sie nennt es dann allerdings nicht mehr wandern, sondern spazierengehen, was der Flachländer von ihr will. Sei’s drum, die blühenden Almwiesen vor dem schneebedeckten Geißelkopf lassen uns vor Wonne sowieso kaum voranschreiten.

Am Anfang der Wanderung durch die Außenzone des Nationalparks Hohe Tauern in Mallnitz (1200 Meter), Kärnten, steht die ernsthafte Belehrung, im Falle eines Falles statt richtigem Klopapier die samtigen Blätter der Pestwurz zu benutzen, einer 20 bis 50 Zentimeter hohen Pflanze. Der Schutz ihres Lebensraums vor totaler Vermüllung ist Elfi eine Herzensangelegenheit.

Mit einer Gesamtfläche von rund 1800 Quadratkilometern ist der Nationalpark Hohe Tauern rund um Österreichs höchsten Berg, den Großglockner (3798 Meter), Mitteleuropas größtes Schutzgebiet. Mit viel Liebe und Aufwand erfüllen die Mitarbeiter den gesetzten Bildungsauftrag.

Wer die Tür zum Mallnitzer Nationalparkzentrum BIOS öffnet, verläßt seinen Alltag und kann in die Geheimnisse des Lebens eintauchen. Mikroorganismen, die mit bloßem Auge nur schwer oder gar nicht zu erkennen sind, verwandeln sich unter den Monitor-Mikroskopen zu katzengroßen Lebenskünstlern der Superlative. Kleinzeller, die im Eis überleben können, bizarre Gebilde, die in allen Farben und Formen ganze Felswände besiedeln.

An den über 80 interaktiven Erlebnisstationen werden nicht nur die Hohen Tauern unter die Lupe genommen, sondern ganz allgemeine biologische Phänomene und physikalische Gesetze spielerisch erfahrbar gemacht. Biologen sezieren vor den Besuchern schon einmal ein Rinderauge, um zu zeigen, warum manche Tiere auch nachts sehen können.

Den besten Überblick über das 100 Kilometer lange und 40 Kilometer breite Schutzgebiet geben die Luftaufnahmen vom Nationalparkzentrum Hohe Tauern in Mittersill, Salzburg, rund 25 Kilometer westlich von Zell am See. Aus der Sicht eines Adlers lassen sie, geographisch geordnet, die Höhepunkte des hochalpinen Urlandes (Kernzone) und des über Jahrtausende naturnah gestalteten Kulturlandes (Außenzone) betrachten: bizarre Felsen, versteckte Seen, karge Rasen- und Polstervegetation sowie liebliche Almen.

 Keiner der 266 Dreitausender, keiner der 551 Bergseen, keiner der 342 Gletscher, keine der Schluchten, keiner der zahllosen Wasserfälle gleicht dem anderen. Wie ein Kapitän am Ruder steht Uwe hinter dem sogenannten Pasterzenzeitrad. Kinderleicht ist das solide Metallrad zu drehen, um vor den Augen des Zehnjährigen die Pasterze, den größten Gletscher Österreichs, schmelzen, wachsen und wieder schmelzen  zu lassen. So lange, bis der längste Gletscher der Ostalpen schließlich nur noch eine grüne Wiese mit drei Seen ist.

Im Handumdrehen verändert sich das „ewige“ Eis von seinem Höhepunkt vor 20000 Jahren bis zu seinem voraussichtlichen Verschwinden um 2100. Zeitraffer ist auch das Motto des 3D-Kinos. In raffinierter Kombination aus virtuellen Animationen und realen Flugaufnahmen zeigt es, begleitet von Klang- und Rütteleffekten, die Entstehung und Auffaltung der Alpen: 250 Millionen Jahre Erdgeschichte in 15 Minuten.

Eigens für Mittersill kreiert wurde auch die Kinobox nebenan. Dank ihrer Projektionsfläche von 270 Grad steht der Zuschauer mitten in donnernden Lawinen und tosenden Wasserfällen. Der Nationalpark-Fauna begegnet man im Endloskino. Zusammen mit Familie Murmeltier erlebt man hautnahe Begegnungen mit Adler und Schneehase, Steinbock, Gams und Mauerläufer, Gänse- und Bartgeier, Schneehuhn und -hahn: 17 Minuten beschauliche Familienszenen, heiße Revierkämpfe, halsbrecherische Kletterpartien und atemberaubende Hetzjagden.

Das innovative Museumskonzept des Zentrums in Mittersill kommt gut an. Es wurde dafür mit dem Tourismuspreis 2008 ausgezeichnet. Immerhin haben seit der Eröffnung am 28. Juli 2007 schon über 70000 Besucher die insgesamt acht „Nationalpark-Welten“ unter seinem Dach betrachtet.

Treffpunkt der forschenden Jugend Europas im Nationalpark ist das Haus des Wassers in St. Jakob im Defereggental, Osttirol. Mehrtägige erlebnisorientierte Kurse lassen hier das Element Wasser mit allen Sinnen entdecken.

In der Nationalpark-Werkstatt im Klausnerhaus in Hollersbach, Salzburg, sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene eingeladen, die Ökologie des Hochgebirges mit ihrer raffiniert angepaßten Tier- und Pflanzenwelt, die Geologie der Hohen Tauern und das Leben der Menschen in den Alpen in Experimenten zu erforschen oder praktisch auszuprobieren.

Das Programm umfaßt zehn verschiedene Halbtages- und Tageangebote. Dazu kommen derzeit 23 Infostellen, Besucherzentren und Sommer- wie Winterprogramme für Halbtags- und Ganztagsexkursionen mit den Nationalparkrangern.

Drei Jahre dauert deren Ausbildung, bis sie Gruppen sicher und sachkundig durch das hochalpine Gelände führen dürfen.

Kärnten hat dazu seine Besucherkarte zur Nationalpark-Kärnten-Card erweitert. Das macht die Angebote nicht nur preiswerter, sondern auch übersichtlicher.      Helga Schnehagen

Informationen im Internet unter www.nationalpark.at, www.hohetauern.at

Foto: Wunderbare alpine Natur: Staunen am Gletschertor


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