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06.09.08 / Vorverurteilt / Kriegsverbrecherprozeß gegen 89jährigen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-08 vom 06. September 2008

Vorverurteilt
Kriegsverbrecherprozeß gegen 89jährigen

In wenigen Tagen beginnt in München der Prozeß gegen einen bislang hoch angesehenen Bürger der Gemeinde Ottobrunn. Der heute 89jährige Josef S. soll im Sommer 1944 als Kompaniechef in der Toskana an der Ermordung von 14 Zivilisten beteiligt gewesen sein. Die historischen Fakten sind vergleichsweise klar: Nach dem Seitenwechsel Italiens im September 1943 führte die deutsche Wehrmacht einen Abwehrkampf gegen überlegene Alliierte, die das Land von Süden her nach und nach eroberten. Die Deutschen hatten zudem italienische Partisanen gegen sich. Josef S. war damals 24 Jahre alt und Kompaniechef eines Gebirgsjäger-Pionierbataillons. Im Juni 1944 reparierte seine Einheit in der Toskana eine von Partisanen gesprengte Brücke. Am 26. Juni geriet eine Streife seiner Kompanie in einen Hinterhalt, zwei Soldaten wurden grausam getötet, ein dritter entkam. Bei der anschließenden Vergeltungsaktion wurden 14 italienische Zivilisten getötet. Unklar ist, ob und wenn ja in welchem Umfang Josef S. dafür verantwortlich ist. Das zu klären ist die Aufgabe unabhängiger Gerichte. Selbstverständlich muß dabei die Verhandlungsfähigkeit eines so betagten Angeklagten geprüft werden, und Vorverurteilungen würden sich selbst dann verbieten, wenn der Verdächtige nicht den selben hervorragenden Ruf hätte wie in diesem Falle.

An dieser Stelle beginnen die Fragwürdigkeiten dieses Verfahrens. Die „Süddeutsche Zeitung“ überschrieb einen Beitrag über dieses Ermittlungsverfahren mit der Überschrift „Kriegsverbrecher vor Gericht“ – als wäre soeben ein Urteil verkündet worden. Zudem warf das Blatt einem der Verteidiger des 89jährigen vor, ihm werde „nachgesagt“, er pflege Kontakte zu einer (sogar als gemeinnützig anerkannten) Vereinigung, die in der Vergangenheit ihrerseits die gerichtliche Verteidigung mutmaßlicher NS-Täter unterstützt habe. Die „Süddeutsche“ spricht dabei von einer „Nazi-Organisation“, was einen massiven Vorwurf an die deutsche Finanzverwaltung impliziert. Zu den publizistischen Absonderlichkeiten kommen juristische: Josef S., der die Tat bestreitet und als langjährigen Gemeinderat der Freien Wähler öffentlich geehrt wurde, wurde bereits 2006 von einem italienischen Militärgericht in Abwesenheit verurteilt. Prozesse in Abwesenheit sind in Rechtsstaaten aber kaum zulässig.

Und während die Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg seit Kriegsende insgesamt 6498 durch bundesdeutsche Gerichte verurteilte NS-Täter verzeichnet, haben wegen der Tötung von rund zwei Millionen Menschen bei der Vertreibung der Ost- und Sudetendeutschen in 62 Jahren erst eine Handvoll Prozesse stattgefunden.             K. B.


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