29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.09.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36-08 vom 06. September 2008

Wertvoll / Warum das Paradies keinen Ausgang mehr braucht, wie sehr Steigbügelhalten wehtut, und was Beck jetzt schon wieder falsch gemacht hat
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Laßt Bilder sprechen, nahmen sich die Teilnehmer des Hessenparteitags der Linken vor, und bauten ihren Traum von Deutschland vor das Versammlungsgebäude: „Gute Arbeit, gute Löhne, gute Bildung, gute Rente“ leuchtete es bunt von den Pappziegeln, mit denen die Dunkelroten im hessischen Lollar eine vier Meter hohe Mauer errichteten.

Die Botschaft: Wenn wir erstmal dran sind, bauen wir euch ein Paradies, aus dem euch kein Gott und kein Kapitalist mehr vertreiben kann. Und warum nicht? Weil sozialistische Paradiese im Unterschied zum biblischen Vorbild keinen Ausgang haben, alles ist dicht vermauert.

Leider war der Parteitag nur kurz, weshalb zum Anbau von Wachtürmen, Gräben und Todesstreifen keine Zeit mehr blieb. Aber das macht nichts, denn wie sagte schon Lenin: Die erste Tugend des Revolutionärs ist die Geduld. Und bislang ging die Rück­kehr der Kommunisten an die Macht doch recht flott vonstatten.

Geduld bleibt dennoch wichtig: Man darf seine nützlichen Helfer auf dem Weg nach oben nicht überfordern, sonst machen die auf halber Strecke schlapp. Die SPD hat vom schmerzhaften Steigbügelhalten schon ganz dicke Blasen an den langen Fingern, mit denen die Ypsilanten nach der Macht greifen wollen.

Es macht sich Unmut breit, viele Sozialdemokraten fühlen sich nicht wohl beim Steigbügelhalten. Frau Ypsilanti versteht weder diesen Unmut, noch, warum sie von einigen prominenten Parteifreunden beschrieben wird wie ein außer Kontrolle geratener Krankheitsherd. „Pest und Cholera“ ächzt Bundesfinanzminister und SPD-Vize Peer Steinbrück, wenn er auf Hessen blickt.

Die hessische SPD-Kandidatin sieht sich dagegen als Vollstreckerin des Guten schlechthin. Früh in ihrer politischen Pubertät hatte sie die Gewißheit in sich aufgesogen, daß das Gute links ist, alles Rechte hingegen für das Böse steht. Roland Koch verkörpert in ihrer düsteren Sagenwelt das Untier, das zu enthaupten jedes Bündnis rechtfertigt. So weit entronnen in ihr bizarres Panoptikum aus schwarzen Drachen und roten Rächern ist sie für ihre am Boden gebliebenen Parteifreunde kaum mehr ansprechbar. Nicht einmal für den weisen Franz Müntefering, der wie der Spukgeist des Vaters von Prinz Hamlet zurückgekehrt ist, um den erschrockenen Sozialdemokraten ein paar trübe Wahrheiten unter die Nase zu halten.

Das hatte gerade noch gefehlt: Nichts ist lästiger als ein erledigt geglaubter Herrscher, der plötzlich wieder auf der Bühne steht mit all seiner ärgerlichen Überlegenheit. Auf die Frage, welche Rolle der einstige SPD-Chef denn künftig spielen solle, antworten die Strucks und Becks, die Steinmeiers und Nahles’, als hätten sie alle den Mund voll: Undeutliches Gemurmel von „Lebensleistung“ und „wichtig“ und „wertvoll“ und „Erfahrung“ dringt mühsam zwischen ihren halbgeschlossenen Lippen hervor. Von einem klaren Satz, wohin sie sich den Münte denn nun wirklich wünschen, keine Spur.

Es hat ganz den Anschein, als wünschten sie ihn in Wahrheit schleunigst in ein entlegenes Heim für Polit-Pensionäre. Oder: Hätte der Schröder den Münte nicht einfach mitnehmen können zu den Russen? Dort wäre er mit Geldverdienen beschäftigt oder könnte Putin dabei helfen, schlafende Raubkatzen zu bändigen.

Die Russen. Die haben’s auch nicht leicht. Wärme und Zuspruch hatten sie sich erhofft von ihren asiatischen Partnern aus China, Kasachstan und Umgebung. Stattdessen hielten die Freunde von der „Schanghai-Gruppe“ nur Eimer mit kaltem Wasser bereit, als es um die Kaukasus-Politik des Kreml ging. Wen wundert es da, daß Wladimir Putin hernach erst einmal in den Wald wollte, um sich abzureagieren. Die Natur ist manchmal der einzige Freund.

Ein Freund nicht nur der Russen. Gustav muß Republikaner sein, denn schönere Geschenke konnte der Tropenstrum der wahlkämpfenden US-Präsidentenpartei gar nicht mitbringen. Erst baute er sich tosend auf zur „Mutter aller Stürme“ und zerrte wütend an der kubanischen Küste. Dies gab George Bush die Gelegenheit, an die eigene Golfküste zu eilen und die kameragerechte Heldenpose einzunehmen: Komm nur, Monster, dir zeig ich’s!

Rechtzeitig vor dem Landgang  schrumpfte Gustav dann zur niedrigsten Hurrikanstufe eins (auf der Skala von eins bis fünf) zusammen und ließ das bedrohte New Orleans obendrein rechts liegen. So bleiben die Schäden vergleichsweise überschaubar.

Daß die US-Republikaner von Gustav hingerissen sind, versteht sich da von selbst (auch wenn das natürlich keiner zugeben darf). Woher die Begeisterung deutscher Medien für Gustav rührt, bleibt indes rätselhaft. Ein TV-Sender, der vor Urzeiten einmal als Nachrichtenkanal gestartet war und daher immer noch einen dementsprechenden Namen trägt, brachte es fertig, die ersten acht Minuten seiner Haupt-„Nachrichten“ allein mit Gustavs neuesten Zuckungen zu füllen. Erst danach duckten sich Afghanistan-Übergriffe, Kaukasus-Krise oder deutsche Innenpolitik als schüchterne Kurzmeldungen in die Sendung.

Angeblich hat der georgische Präsident Saakaschwili die Offensive gegen Südossetien absichtlich auf den Beginn der Olympischen Spiele gelegt. Sein Kalkül sei gewesen: Wenn alle Welt nach Peking guckt, merken die gar nicht, was in Zchinwali passiert. Das ging in die Hose, wie sich schon Stunden später herausstellte. Hätte er statt auf Olympia auf schlechtes Wetter im Golf von Mexiko gewartet, wäre sein Coup zumindest von Millionen Deutschen nahezu unbemerkt geblieben. Wir hätten erst Wind von der Sache bekommen, als die Russen am Zuge waren. Das hätte Georgiens Opferrolle in unseren Augen viel glaubwürdiger gemacht.

Die Kaukasus-Krise ist für alle entfernt Beteiligten schlecht ausgegangen. Vor allem für die deutsche SPD. Die Sozialdemokraten hätten gern das mehrfach bewährte Stück „Friedenspartei gegen Kriegspartei“ in ihr Wahlkampf-Potpourri aufgenommen. 2002 hatte das glänzend funktioniert, als Gerhard Schröder den Amis den heraufdämmernden Irak-Krieg vorhielt und in Goslar heroisch „Niemals!“ rief.

Sowohl die Bush-Regierung als auch CDU-Chefin Merkel waren ziemlich verdattert und reagierten genau so, wie es sich der amtierende SPD-Kanzler nur wünschen konnte: Bush verstieg sich in eine hämmernde Kriegsrhetorik, während Frau Merkel fahrig herumtaktierte zwischen Bündnistreue und Wahlkampf. Auf diese Weise schaffte es der schon abgeschriebene Gerhard Schröder im Herbst 2002 noch einmal auf den Kanzlerstuhl.

So hatte es sich Kurt Beck auch heute gewünscht: Die SPD als Garantin von Frieden und Entspannung, ganz in der Tradition von Willy Brandt, und die CDU als zähnefletschende Partei eines neuen Kalten Krieges. Das hätte Eindruck gemacht!

Diesmal jedoch witterte die CDU-Vorsitzende den Braten und besetzte alle diskussionswürdigen Positionen gleich selbst – von „harte Worte an Moskau“ bis „weitere Einbindung Rußlands in die Gespräche“. Für Frank-Walter Steinmeier und die SPD blieb da nur übrig, zu nicken.

Eine Enttäuschung für Kurt Beck. Er wäre gern ein großer Integrator, in der internationalen Politik wie innerhalb seiner eigenen Partei. Wenn er nur wüßte, wie? Alle loben, dachte er, das kommt immer gut an. Also lobte er die neuesten Vorschläge der Parteilinken, die irgendwie nach Linkspartei schmecken, als „wertvollen Beitrag“, wie eine SPD-eigene Tageszeitung berichtete.

Darauf schoß der SPD-Wirtschaftsflügel wie von der Tarantel gestochen hoch. Beck geriet arg ins Schwitzen und ließ dementieren: Man habe den linken Vorstoß nur „zur Kenntnis genommen“. Was das nun wieder sollte, weiß keiner. Doch sicher ist: Alles hat seinen Grund, die Parteienverdrossenheit hat sogar schon wieder einen mehr.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren