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13.09.08 / Pflüger zurückgepfiffen / Ringen um Berliner Landesvorsitz: CDU-interner Machtkampf wird zur offenen Schlacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Pflüger zurückgepfiffen
Ringen um Berliner Landesvorsitz: CDU-interner Machtkampf wird zur offenen Schlacht

Wer führt die Berliner Landes-CDU? Der aus der Bundespolitik dazugestoßene Fraktionschef Friedbert Pflüger oder die alteingesessene Riege der Bezirksvorsitzenden um den amtierenden Landeschef Ingo Schmitt? Pflüger wollte die Entscheidung und unterlag – zunächst.

Die Berliner CDU steckt in einer ernsten Machtprobe. Friedbert Pflüger, der gescheiterte Spitzenkandidat von 2006 und jetzige Oppositionsführer im Abgeordnetenhaus, hat die erste Schlacht verloren. Geschlagen gibt er sich aber noch nicht.

Lange schon schwelte eine Auseinandersetzung zwischen Pflüger, dem zugezogenen Niedersachsen, und seinen Berliner Parteifreunden (siehe auch PAZ 35/08). Vor einer Woche versuchte Pflüger, die ungeklärte Machtfrage ein für allemal aus der Welt zu schaffen.

Friedbert Pflüger ist unzufrieden: Er ist CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, aber in der Partei hat er so gut wie nichts zu sagen. Es rächt sich, daß der Hannoveraner keine Hausmacht hat in der Hauptstadt-Union. Die CDU wird beherrscht von mehreren Bezirkschefs, angeführt von ihrem Landesvorsitzenden Ingo Schmitt.

Diese Parteifunktionäre denken nicht daran, sich vom Fraktionschef in Parteiangelegenheiten hineinreden zu lassen. „Wir haben nicht so lange an unserer Machtbasis gearbeitet, um jetzt alles auf dem Präsentierteller an einen Abgesandten Merkels zu übergeben“, beschreibt ein stellvertretender Kreisvorsitzender seine Stimmung. Er spricht aus, was viele in der Berliner CDU insgeheim denken.

Doch Pflüger wollte endlich klare Machtverhältnisse kündigte am 4. September seine Kandidatur für den Parteivorsitz im nächsten Frühjahr an, eine klare Herausforderung an Parteichef Ingo Schmitt und die gesamte mittlere Funktionärsschicht. Pflüger dachte vermutlich, dies werde ein „reinigendes Gewitter“.

Und das wurde es auch, jedenfalls drückte sich der Reinickendorfer CDU-Chef und Spitzenkandidat der Partei 2001 Frank Steffel so aus. Aber in den Regen geriet nicht die eifersüchtig über ihre Lokalmacht wachende Funktionärskaste, sondern Friedbert Pflüger.

Ingo Schmitt erklärte in einem großen Zeitungsinterview: „Ich bin menschlich sehr enttäuscht.“ Die sechs wichtigsten Kreisvorsitzenden vereinbarten ein Geheimtreffen und versicherten einander: Wenn Pflüger die Machtfrage stellt, dann sägen wir ihn ab, und einer von uns sechs wird Spitzenkandidat. Am ehesten wird dies Generalsekretär Frank Henkel zugetraut.

Nach dieser Kungelrunde trafen die Kontrahenten am Sonntagabend öffentlich auf Pflüger. In einem Spandauer Hotel machten die Bezirkschefs dem Fraktionsvorsitzenden klar, daß er seine Kandidatur für den Landesvorsitz zurückziehen müsse oder alles verliere. Pflüger versuchte dagegenzuhalten. Vergebens. Sogar seine wenigen Vertrauten versagten ihm die Gefolgschaft – er solle einlenken, rieten sie ihm. Pflüger und seine Gegner ei­nigten sich am Sonntagmorgen um halb drei Uhr auf eine Erklärung, mit der Pflüger seine Kandidatur zurück­zog.

Am darauffolgenden Tag hagelte es Kritik. Die Grünen sagten, eine Jamaika-Koalition sei ohne Pflüger „nicht mehr denkbar und greifbar“. Der FDP-Chef im Abgeordnetenhaus, Martin Lindner, warnte die CDU „davor, bald keine Rolle mehr spielen und damit das Schicksal der sächsischen SPD“  (die bei zehn Prozent dümpelt) teilen zu müssen. Am stärksten dürfte Pflüger aber das geheuchelte Mitleid von Linkspartei-Chef Klaus Lederer getroffen haben, der in einem Interview den Zustand der Union bedauert, weil „eine Demokratie auch eine funktionstüchtige Opposition“ benötige. So etwas tut weh.

So viel Spott – da lud Pflüger am Tag nach dem nächtlichen Krisentreffen zu einer Pressekonferenz. Er habe unter großem Druck einem „faulen Kompromiß“ zugestimmt, stellte Pflüger jetzt fest. Konkreter wurde er nicht. Es wird vermutet, daß er es doch noch wissen will und bis zur regulären Vorstandswahl im Frühjahr versuchen wird, eine Mehrheit zusammenzubekommen.

Wenige Stunden nach Pflügers Pressekonferenz gingen die Bezirksvorsitzenden in die Gegenoffensive. Einstimmig wiesen sie seine Erklärung zurück und erklärten, sie erwarteten von jedem, „der Führung beansprucht, sich auch der Verantwortung für das offene Erscheinungsbild der Partei bewußt zu sein“.                Harald Fourier

 

Letzte Meldung: Pflüger am Ende?

Friedbert Pflügers Machtbasis ist kurz vor Redaktionsschluß auch in der Abgeordnetenhausfraktion noch ins Wanken geraten. Vor der Fraktionssitzung am Dienstag wurden mehrere Abwahlanträge gestellt. CDU-Landeschef Ingo Schmitt forderte, Pflüger solle gehen. Andernfalls werde er zum nächstmöglichen Termin abgewählt. Er begründete diesen harten Schnitt mit dem völlig zerstörten Vertrauensverhältnis. Pflüger blieb kämpferisch. „Ich trete nicht zurück, ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen“, sagte er kurz vor der Sitzung.

Ein Abwahlantrag gegen ihn könnte wegen der dreitägigen Ladungsfrist frühestens am Freitag erfolgen. Die Antragsteller benötigen eine Zweitdrittel-Mehrheit – das heißt 25 Ja-Stimmen, wenn alle 37 CDU-Abgeordneten an der Abstimmung teilnehmen.                                    H.F.

Foto: Machtkampf als Medienspektakel: Berlins CDU-Fraktionschef Pflüger und seine Widersacher in der eigenen Partei suchen die öffentliche Auseinandersetzung.


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