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13.09.08 / In strahlender Stimmung / Asse II: Wie Umweltminister Gabriel den Ausstieg aus dem Ausstieg bekämpft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

In strahlender Stimmung
Asse II: Wie Umweltminister Gabriel den Ausstieg aus dem Ausstieg bekämpft

Die Probleme bei der Lagerung von schwach- und mittelaktiven Nuklearabfällen im Salzbergwerk Asse II werden politisch instrumentalisiert – mit dem Ziel, eine Renaissance der Kernkraftnutzung in Deutschland zu verhindern.

Jahrzehntelang hatte die niedersächsische Gemeinde Remlingen, Teil der Samtgemeinde Asse südöstlich von Wolfenbüttel, mit dem atomaren Versuchsendlager in der 1964 stillgelegten Salzmine gut leben können. Bis im Juni 2008 in regionalen Medien von skandalösen Mißständen berichtet wurde: Angeblich wird seit Jahrzehnten eindringende Lauge radioaktiv verseucht, belastet das Grundwasser, unterminiert die Stabilität der Schachtanlage – die sich anbahnende Katastrophe schien in dem einem oder anderen Bericht nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Verstärkt wurde das Horrorszenarium durch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und die vereinigten Anti-Kernkraft-Aktivisten an seiner Seite. Die Folge vor Ort: Die Asse-Mitarbeiter in Remlingen sehen sich zunehmend „persönlichen Anfeindungen ausgesetzt“, wie der Betriebsrat in einem Offenen Brief klagt.

Adressiert hat der Betriebsrat den Brief unter anderem an Gabriel – und damit genau den Richtigen getroffen. Der Bundesumweltminister, vormals als Mitglied der niedersächsischen Landesregierung in direkter Verantwortung für Asse II, tönt nun vom „psychologischen GAU“. Eine Wortwahl, der Helmholtz-Pressesprecher Heinz-Jörg Haury energisch widerspricht: Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 sei ein GAU (Größter Anzunehmender Unfall) gewesen, hier aber habe man es allenfalls mit einer „ernsten Situation“ zu tun. Vehement weist Haury auch Gabriels Vorwurf zurück, dem Betreiber von Asse II fehle „die notwendige Sachkenntnis“ in nuklearen Angelegenheiten. Beispielsweise gelte das von Professor Dr. Herwig G. Paretzke geleitete Institut für Strahlenschutz unter dem Dach des Helmholtz-Zentrums München als weltweit führend.

Die Probleme beruhen darauf, daß aus dem Deckengebirge über der Südflanke des Salzsattels stetig Wasser einfließt, sich mit dem Salz zu Lauge verbindet und in geringem Umfang durch die eingelagerten Nuklearabfälle kontaminiert wird. Diese Laugen werden aufgefangen, auf ihre Radioaktivität geprüft, schließlich hochgepumpt und mit Tanklastern zu anderen stillgelegten Kalibergwerken transportiert. Die äußerst niedrigen gesetzlichen Grenzwerte wurden nie erreicht oder gar überschritten. Und in vier Jahrzehnten Betriebszeit gab es auch nie eine Gefährdung oder Schädigung von Mitarbeitern und Anwohnern.

In Asse II wurde von 1906 bis 1964 Salz abgebaut. Dann erwarb der Bund die Mine und beauftragte Deutschlands größte Wissenschaftsorganisation, die Helmholtz-Gemeinschaft, ein Forschungslager für radioaktive Abfälle einzurichten. Ab 1967 wurden in 750 Meter Tiefe 124494 Fässer und Betonbehälter mit schwachaktiven Reststoffen aus Kernforschungszentren, Kraftwerken und nuklearmedizinischen Einrichtungen gelagert; ab 1972 kamen auf 510 Meter Tiefe 1293 Fässer mit mittelaktiven Abfällen hinzu. Hochaktive Stoffe mit starker Wärmeentwicklung wie abgebrannte Brennelemente aus Kernkraftwerken wurde überhaupt nicht eingelagert. 1978 wurde die Einlagerung beendet. Seitdem werden ausschließlich Forschungsarbeiten durchgeführt, deren Ergebnisse in anderen europäischen Ländern durchaus geschätzt, von deutschen Politikern jedoch ignoriert werden.

Die Einlagerung wurde, wie die Betreiber betonen, entgegen den Behauptungen des Umweltministers ebenso korrekt dokumentiert wie der Umgang mit den Laugeneinflüssen. Die Arbeiten standen unter Bergrecht. Erst jetzt wurde die Anlage der atomrechtlichen Aufsicht der Bundesanstalt für Strahlenschutz unterstellt. Somit gelten künftig strengere Auflagen.

Damit eröffnet sich für den erklärten Kernkraftgegner Gabriel eine weitere Zugriffsmöglichkeit, um Fortschritte in Richtung einer sicheren Endlagerung auch der Abfälle aus Kernkraftwerken (zum Beispiel in Gorleben) zu blockieren. Offensichtlich ist dies die rot-grüne Antwort auf den sich anbahnenden Stimmungswandel in Deutschland. Wie in nahezu allen anderen Ländern gelangen auch hier immer mehr Menschen zu der Erkenntnis, daß wohlverstandener Umweltschutz und sichere Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen nur mit verantwortungsbewußter Nutzung der Atomkraft erreichbar sind. Da sind Angst und Hysterie die schlechtesten Ratgeber.                        H.-J. Mahlitz

Foto: Alle blicken auf Asse II: Bis 1978 wurden in dem Salzbergwerk fast alle bis dahin angefallenen schwach- und mittelradioaktiven Abfälle versuchsweise endgelagert.

 

Zeitzeugen

Sigmar Gabriel – Höhen und Tiefen kennzeichnen die Karriere des 49jährigen SPD-Politikers. Der Höhepunkt seiner Karriere ist sein 2005 erlangtes Ministeramt. In seiner Amtsführung unterscheidet sich der SPD-Bundesumweltminister kaum von seinem grünen Amtsvorgänger Trittin.

 

Jürgen Trittin – Während der gesamten Amtszeit der rot-grünen Bundesregierung war der 54jährige Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Bevor er 1980 den Grünen beitrat, vertrat er den „Kommunistischen Bund“ im Studentenparlament der Uni Göttingen. Bei den Grünen machte er schnell Karriere. Seit 1998 sitzt er im Bundestag. Gerhard Schröder ernannte ihn gleich zweimal zum Minister: von 1990 bis 1994 im Land Niedersachsen (zuständig für Bundes- und Europaangelegenheiten), 1998 (bis 2005) auf Bundesebene als obersten Umwelt- und Naturschützer. Hier „glänzte“ er mit Projekten wie Dosenpfand und Atomausstieg.

 

Ernst Albrecht – Der 78jährige CDU-Politiker war von 1976 bis 1990 niedersächsischer Ministerpräsident. In seine Amtszeit fiel die von ihm geförderte Entscheidung, im Kreis Lüchow-Dannenberg ein nationales Atomenergiezentrum zu errichten, mit Kernkraftwerk, Wiederaufarbeitung, Zwischen- und Endlager. Geblieben ist davon das für hochaktive Stoffe vorgesehene Lager Gorleben.

 

Hermann von Helmholtz – Der preußische Universalgelehrte (1821–1894) aus Potsdam ist Namensgeber der Helmholtz-Gemeinschaft, der mit fast 27000 Mitarbeitern größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Zunächst hatte Helmholtz als Pathologieprofessor an der Uni Königsberg gewirkt, später als Physikprofessor in Bonn, Heidelberg und Berlin. Gemeinsam mit Werner von Siemens baute er die Physikalisch-Technische Reichsanstalt in Berlin auf. Sein Markenzeichen – interdisziplinäre Spitzenforschung – ist auch das der Helmholtz-Gemeinschaft.


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