19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.09.08 / Rot-Rot verstaatlicht Mauergedenken / Berliner Senat führt die Gedenkstätte Bernauer Straße und die Erinnerungsstätte Marienfelde zusammen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Rot-Rot verstaatlicht Mauergedenken
Berliner Senat führt die Gedenkstätte Bernauer Straße und die Erinnerungsstätte Marienfelde zusammen

In der vergangenen Woche hat der Kulturausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses der Gründung einer „Mauerstiftung“ zugestimmt.

Im Berliner Mauerpark, der zwischen Prenzlauer Berg und Wedding liegt, findet jedes Wochenende ein riesiger Flohmarkt statt. Es gibt kaum einen Reiseführer, der das Ramschfest nicht als Geheimtip führt.

Vor 20 Jahren wurden an derselben Stelle noch unschuldige Menschen erschossen. Fast vergessen ist auch, daß an der Bernauer Straße die Mauer mitten durch ein Berliner Wohnquartier lief.

Die für Nicht-Berliner kaum mehr nachvollziehbare Gedächtnislosigkeit Berlins hinsichtlich des Teilungsdramas wirft zunehmend ein schales Licht auf die deutsche Hauptstadt, die sich sonst so gern ihrer Geschichtsträchtigkeit rühmt. Mit dem 20. Jahrestag des Mauerfalls bemüht sich der Senat daher um ein Gedenkstättenkonzept. Der Parlamentsausschuß hat jetzt die „Stiftung Berliner Mauer“ mit den Stimmen von SPD und Linken auf den Weg gebracht. Im Oktober soll das Abgeordnetenhaus über ein entsprechendes Gesetz abstimmen, am 9. November soll die Stiftung offiziell gegründet werden.

In der neuen Stiftung werden die Mauergedenkstätte Bernauer Straße und die Erinnerungsstätte Marienfelde zusammengeführt. Die Gedenkstätte an der Bernauer Straße besteht aus einem unbebauten Grünstreifen, der früher die Todeszone zwischen West und Ost war. Dazu kommen ein paar Meter übriggebliebene Mauer, ein kleines Museum und eine Versöhnungskapelle.

Die Erinnerungsstätte Marienfelde dagegen ist ein Nachkriegswohnheim, in dem neu ankommende Ostflüchtlinge übergangsweise beherbergt wurden, bevor sie im von Wohnungsnot heimgesuchten West-Berlin eine Bleibe fanden oder nach West-Deutschland weiterreisten. Seit 1993 finden dort Spätaussiedler Unterkunft. In den leerstehenden Räumen befindet sich bereits jetzt ein kleines Museum, das an die Ost-West-Flucht erinnert. Der Besucherandrang hält sich in Grenzen. Überhaupt: Der Publikumsmagnet ist nach wie vor das privat geführte Checkpoint-Charlie-Museum in der Friedrichstraße, auch wenn die Zahl der Besucher des staatlichen Museums langsam steigt.

Der Senat sagt, durch die Fusion der beiden Stätten werde die Gedenkarbeit „qualitativ aufgewertet“. Kritiker hegen da ihre Zweifel, schon wegen der räumlichen Distanz. Die Bernauer Straße liegt in der nördlichen Innenstadt, das Aufnahmelager Marienfelde hingegen unweit der südlichen Stadtgrenze. Wer von A nach B will, der ist fast eine Stunde unterwegs.

Warum also beide Institutionen zusammenlegen? Kenner befürchten, der rot-rote Senat wolle vor allem die Kontrolle über die Arbeit der auf Privatinitiative hin entstandenen Fördervereine erlangen. Die beiden Vereine werden in Zukunft nämlich nur noch je eine Stimme im künftig sechsköpfigen Stiftungsrat haben.

Auch finanziell hat der Senat dann das Sagen. Es handelt sich bei der neuen Stiftung „Berliner Mauer“ nämlich nicht um eine Stiftung im ursprünglichen Sinne, denn normalerweise stiftet ein Mäzen einen großen Betrag, von dem das Kapital unangetastet bleibt. Die Stiftung deckt ihre Kosten nur aus den Zinserträgen des Stiftergeldes, so daß kein weiteres Geld notwendig ist, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Das sichert zugleich die Unabhängigkeit der Stiftung.

Berlin und der Bund, mit dem sich die Stadt die Kosten teilen wird, geben aber keine solche Einmalzahlung. Sie wollen die laufenden Kosten aus dem jeweiligen Haushalt begleichen. So gesehen ist die „Stiftung“ eigentlich eher eine Behörde. Die Zuschüsse zu den beiden einzelnen Institutionen lagen bislang bei gut 300000 Euro (2007). Sie steigen in diesem Jahr auf 530000 und werden im Jubiläumsjahr 2009 770000 Euro betragen.

Doch nicht nur die totale Abhängigkeit der „Stiftung“ von der Politik treibt die Kritiker um. Der Text des Gesetzes läßt ihnen die Haare zu Berge stehen. Zwar wird die „kommunistische Gewalt-herrschaft“ erwähnt, jedoch werden „Fluchtbewegungen aus der DDR sowie Übersiedlungen in die DDR“ auf eine Stufe gestellt. „Eine solche Gleichsetzung von Maueropfern und den wenigen Menschen, die freiwillig in die DDR übergesiedelt sind, ist unmöglich und stellt eine Relativierung des geschehenen Unrechts dar“, kommentierte dies der CDU-Kulturexperte Michael Braun. Auch FDP und Grüne kritisierten diesen Kotau der SPD vor der Linken, die das rote Geschichtsbild ihrer Meinung nach beinahe ungefiltert in das Gesetz habe transportieren können.                Parick O’Brian

 

Streit um Mauertote

Wann ist ein Toter ein Mauertoter? Das Zentrum für Zeithistorische Forschung nennt die Zahl von 136 Todesopfern, die in den Jahren von 1961 bis 1989 unmittelbar an der Berliner Mauer ums Leben kamen. Die „Arbeitsgemeinschaft 13. August“ unter der Leitung der Chefin des Berliner Mauermuseums am früheren Grenzübergang Checkpoint Charlie, Alexandra Hildebrandt, geht hingegen von 222 Todesopfern aus. Zudem sei es verharmlosend, nur die Opfer ab 1961 zu zählen. Zwischen 1945 und 1989 starben laut Hildebrandt zufolge 1303 Menschen im Zusammenhang mit Mauer, Grenzanlagen und Kaltem Krieg. Bei ihr fallen auch beim Fluchtversuch über die Ostsee oder über die außerdeutsche Grenze ums Leben gekommene Personen mit unter die Rubrik Todesopfer des DDR-Regimes.

Foto: Auf Privatinitative entstanden: Bei der Gedenkstätte Berliner Mauer bestimmt bald der Senat.      


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren