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13.09.08 / Ost-Deutsch (83): Absatz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Ost-Deutsch (83):
Absatz
von Wolf Oschlies

Format – Absatz“ ist die erste Einstellung, die ich am PC vornehme, sobald ich etwas schreibe. Absatz in der Bedeutung von Unterbrechung eines fortlaufenden Textes ist relativ neu in der deutschen Sprache. Er ist eine Weiterverwendung des mittelhochdeutschen „abesaz“, der ursprünglich „Verminderung“ bedeutete, ab dem 16. Jahrhundert aber den kaufmännischen Wortsinn von „Warenverkauf“ annahm. Den hat er bis heute, wie uns fast jede Wirtschaftsmeldung bezeugt.

Der merkantile „abzac“ ist bei unseren Nachbarn im Osten kaum bekannt, ich habe ihn nur im Namen einer tschechischen Metallfirma gefunden (und bei einem alten Radarsystem aus Ungarn). Frequent ist dort vor allem der graphische „abzac“: Russen, Weißrussen, Ukrainer und Bulgaren lieben Texte mit gliedernden „abzacy“. Vor allem juristische Texte, die im Bulgarischen mit einem „uvoden abzac“ (einführendem Absatz) beginnen, denen weitere folgen, alle schön nummeriert. Genau so halten es Russen, wenn sie erläutern, was im Gesetz steht unter „abzac 2 § 55“.

Auch anderweitig mutet der Sprachgebrauch ganz vertraut an, etwa wenn ein Weißrusse fragt, „mozna persy abzac zamjanic“ – kann man den ersten Absatz ändern? Oder wenn Russen erläutern: „Iz-za propuskov v tekste abzac neponjaten“ – wegen Auslassungen im Text ist der Absatz unverständlich. Da im ganzen Osten Deutsch derzeit noch heftiger als früher gelernt wird, ist das Internet voll mit Prüfungstexten wie: „Perevedite pis’menno vtoroj i pjatyj abzacy teksta“ – Übersetzen Sie schriftlich den zweiten und fünften Absatz des Textes. Oder es wird verwiesen auf „privedennyj vise abzac“ – den oben angeführten Absatz.

Sprachgeschichtlich jung ist im Deutschen der Absatz als erhöhter Teil der Schuhsohle: „Auf dem Absatz kehrt machen“, „Stöckelabsatz“ etc. Ausgerechnet den haben Polen übernommen, etwa in „wysokie obcasy“ – hohe Absätze. Vor einigen Jahren stand im polnischen Senat, der zweiten Parlamentskammer, ein Gesetz über die Gleichstellung der Geschlechter im Parlament an, was der Presse als überflüssiger Formalismus erschien. Das ließ sie die Abgeordneten spüren mit Überschriften wie „Senat pod obcasem“ – der Senat unter dem Absatz.


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