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13.09.08 / Opa oder Pate zu mieten / Kinderliebe Menschen helfen allein erziehenden Müttern oder Vätern – Bundesweit 260 Patenschaften

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Opa oder Pate zu mieten
Kinderliebe Menschen helfen allein erziehenden Müttern oder Vätern – Bundesweit 260 Patenschaften

Nicht alle Kinder haben das Glück, daß ihre Großeltern in derselben Stadt leben. Was also tun, wenn Oma und Opa weit weg sind oder wenn es gar keine Großeltern gibt? Ganz einfach: Man mietet welche. Marcel ist vier, Fabienne sechs und Maurice acht Jahre alt. Die drei leben mit Mama Sonja in Halle an der Saale. Ihr Papa wohnt weit weg. Er kümmert sich seit der Scheidung kaum um sie, weil er eine neue Frau und mittlerweile auch zwei weitere Kinder hat. Deshalb leiht sich die Familie immer mal einen Opa aus – Karl-Heinz Venske. Der Frührentner, der keine eigenen Kinder hat und bereits vor langer Zeit Witwer wurde, ist durch das Projekt „Familienpatenschaften“ Ersatz-Opa geworden. Das Projekt wurde vom Verein „Villa Jühling

e. V.“ aus Halle ins Leben gerufen. Hier können sich Eltern melden, die auf der Suche nach Ersatz-Großeltern sind. Ebenso wenden sich ältere Menschen an den Verein, die keine Enkel haben oder diese zu selten sehen und Lust haben, für andere Kinder da zu sein.

Auch der „Berliner Frauenbund 1945 e. V.“ vermittelt vitale Senioren als „Wunsch-Oma“ beziehungsweise „Wunsch-Opa“ oder auch als „Wunsch-Großeltern“ an Alleinerziehende. Regelmäßig betreuen die Helfer dann ihre „Wunsch-Enkel“, um dadurch alleinerziehende Eltern zu entlasten.   Einige Organisationen haben auch „Leih-Tanten“ und „Leih-Onkel“ im Angebot. So wie beispielsweise der Verein „biffy Berlin – Big Friends for Youngsters e.V.“ („Große Freunde für junge Leute“), der Erwachsene als Begleiter und Unterstützer für Kinder vermittelt. Zugleich will der Verein Menschen ohne eigene Kinder ein Angebot machen, Verantwortung für die junge Generation zu übernehmen. „Ausschlaggebend für den gegenwärtigen Erfolg von Patenschaften ist der Wandel in der Familienstruktur“, meint der Familiensoziologe Hans Bertram. Die Familien werden kleiner. Großeltern oder andere Verwandte leben meist weit entfernt. „Deshalb“, so Bertram, „muß die Fürsorge auch über die Familie hinausgehen.“ Hinzu kommt, daß immer mehr Ehen scheitern und der dann allein erziehende Elternteil oft mit der Situation überfordert ist. In der Tat sind viele Eltern, die sich an Biffy wenden, ohne Partner. Auch die Mutter von Bastian. Der Junge sieht seinen Vater regelmäßig, dennoch fand die Mutter, daß es Bastian gut täte, einen weiteren Ansprechpartner zu haben. Rainer Balke wiederum ist ledig, Familie und Freunde leben weit entfernt. Er sagt: „Ich bin glücklich, daß ich Bastian als Patenkind habe. Die Zeit mit ihm ist für mich einfach ein Vergnügen.“ Henry lebt mit seiner Mutter ebenfalls allein, Kontakt mit dem Vater hat er nicht. Und weil es auch sonst keine Männer im näheren Umfeld gibt, kam der Mutter das Patenschaftsangebot von „biffy Berlin“ sehr gelegen. Michael Brinck-mann, der sich nun schon vier Jahre lang um Henry kümmert, ist zu einem engen Vertrauten geworden. Rund 150 Patenschaften hat der Verein innerhalb von Berlin schon vermittelt, rund 260 Patenschaften wurden deutschlandweit auf den Weg gebracht. Die Ansprüche an Paten sind hoch: Patenschaften sollen mindestens zwölf Monate laufen, die Paten müssen sich regelmäßig um ihre Schützlinge kümmern und absolut verläßlich sein. Die Aufwandsentschädigung für den Einsatz beträgt 40 Euro monatlich; daneben erhalten die Paten Einzel- und Gruppengespräche sowie Weiterbildungen. Nach einer „Patenschulung“ war auch Matthias Tamaschke dabei. Dort lernte er Jakob kennen. „Der Funken sprang sofort über“, erzählt der Programmierer. Elf Monate sind seither vergangen; die beiden treffen sich inzwischen jede Woche, spielen bei gutem Wetter draußen Fußball und bei schlechtem Wetter drinnen Playstation.

Die erste Verabredung von Sabine Heller und Lisa ist jetzt drei Jahre her. Die Studentin holt Lisa jeden Freitag von der Schule ab und verbringt mit ihr den Nachmittag. „Sabine ist manchmal wie eine Freundin, und manchmal wie eine Mama“, sagt Lisa. Genau so eine Mischung ist laut Heller auch wichtig: „Als ich klein war, habe ich manchmal Dinge nur nicht gemacht, weil sie mir meine Mutter geraten hat. Das ist eben so.“

Henry, Jakob und Lisa möchten „für immer“ mit ihren Paten befreundet sein. Und die Paten können sich gut vorstellen, mitzuerleben, wie die Kinder erwachsen werden.            Corinna Weinert

Foto: Geliehene Zeit: Paten können zuhören, wenn es Probleme gibt.   


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