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13.09.08 / Land auf der Kippe / Ulrich Ladurner berichtet über das 160-Millionen-Einwohner-Land Pakistan

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Land auf der Kippe
Ulrich Ladurner berichtet über das 160-Millionen-Einwohner-Land Pakistan

Als Pakistans Präsident Musharraf vor wenigen Wochen zum Rücktritt gezwungen wurde, hielt sich das Interesse in Deutschland in Grenzen. Das Buch „Bitte informieren Sie Allah – Terrornetzwerk Pakistan“ erklärt, warum diese Einstellung kurzsichtig ist.

„Was in Pakistan geschieht, hat entscheidenden Einfluß auf Afghanistan. Die Deutschen sind davon direkt berührt; denn heute sind mehr als 3000 deutsche Soldaten in Afghanistan stationiert. Es ist daher geboten, die innere Lage Pakistans zu verstehen.“ Diese Beurteilung der Lage stammt von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, der das Vorwort zu „Bitte informieren Sie Allah – Terrornetzwerk Pakistan“ verfaßt hat.

Der Autor Ulrich Ladurner reist seit 1999 für die Wochenzeitung „Die Zeit“ regelmäßig nach Pakistan. Sein aktuelles Buch entwirft ein Bild vom dem Land, das er selbst als „gemäßigt muslimisch“ bezeichnet. Er stellt die politische Entwicklung der letzten Jahrzehnte dar und geht auch auf gesellschaftliche Probleme ein.

Das besondere an „Bitte informieren Sie Allah“ sind die vielen Interviews, die der Autor mit Vertretern aus Politik, Militär, Wirtschaft und Gesellschaft geführt hat. Allerdings ist es egal, mit wem er spricht, meistens landen die Gesprächspartner beim Thema Islam. „,Der Islam ist nicht politisch!‘ ,Aber der Islam hat doch den Anspruch, sämtliche Lebensbereiche zu gestalten?‘ ,Der Islam ist nicht politisch!‘ wiederholte Mohammed Ayub und ich begriff, daß er immer dieselbe Antwort geben würde, ganz gleich, wie oft ich ihn fragen würde. Die Atmosphäre im Büro verdichtete sich. Mir war, als könnte ich die Gedanken der Anwesenden spüren, die allmählich den Raum füllten wie eine zähe, dick-flüssige Masse.“

Nicht überall erlebt Ulrich Ladurner eine derartige Feindseligkeit wie bei dem Studentenführer Mohammed Ayub. Andere geben gern Auskunft, doch obwohl sie viel sagen, kann der Journalist die Personen trotzdem nicht einschätzen.

„Ich bekam Zakaria nicht in den Griff. Obwohl er mir bereitwillig antwortete, obwohl ich glaubte, seine Worte zu verstehen, gab es etwas an ihm, das mir entglitt.“ Also fragt der Autor den Studenten nach seinem Verhältnis zur Musik, die für die Taliban blasphemisch ist. Und Zakira erklärt, daß ihm Musik Unbehagen bereite. Sein Lebenssinn, ein guter Moslem zu sein, würde durch das Hören von Musik gefährdet.

Egal, wen der Hamburger nach dem 11. September 2001 fragt, alle wollen Beweise dafür haben, daß die Attentate von Moslems durchgeführt wurden. Und immer, wenn eine Diskussion beginnen könnte, dann sagen alle ihre auswendig gelernten Koranverse auf. „Das Interview mit General Aslam Beg war nach der ersten Frage bereits zu Ende. Der General gab seine geopolitischen Überzeugungen von sich und entließ mich, ohne daß ich die Chance gehabt hätte, ihn zu unterbrechen. Wie der ägyptische Journalist, der mich im Warteraum niedergewalzt hatte, hatte auch der General etwas unerbittlich Automatenhaftes an sich. Er wirkte wie ein ferngesteuerter Roboter, wobei ich mich fragte, wo das Fernsteuerzentrum lag. Vermutlich war es der Koran, denn General Aslam Beg zitierte mehrmals daraus, während er mir seine Ansichten auseinandersetzte. Jeder militärpolitische Gedanke stand bei ihm auf einem religiös verbrämten Fundament.“

Und so gelangt der Autor zwar in die Vorzimmer der Macht, doch kaum einer der Gesprächspartner liefert ihm klare Fakten.

Nur der Direktor der Universität in Lahore erscheint ihm menschlich und in seinem Handeln nachvollziehbar. Der aufgeklärte Mann mit europäischer Universitätsausbildung ist jedoch machtlos gegen die zunehmende Islamisierung seiner Hochschule.

Da Ulrich Ladurner seine Gesprächspartner und deren Umfeld genau beschreibt, hat der Leser den Eindruck, mit ihm durch das Land zu reisen. Und wenn er den Vertreter einer Terrororganisation fragt, wie die Attentate bisher das Leben der zu „Befreienden“ verbessert hätten und dieser antwortet „Es ist der Anfang, der Anfang der Befreiung!“, dann läuft es einem kalt den Rücken runter. Tote Landsleute sind für die Terroristen ein akzeptables Opfer in ihrem Kampf, den radikalen Islam zu verbreiten.

Man kann bemängeln, daß der Hamburger Journalist fast nur mit Personen spricht, die Funktionen innehaben. Ob General, Politiker, Studentenführer, Koranschüler oder Prediger, sie alle stehen für etwas. Menschen aus dem Volk hingegen stellt der Autor nicht vor. Sie sind nur die gesichtslosen Opfer des rabiaten Militärs, das die wirkliche Macht im Land hat und die Taliban aus verschiedenen Gründen nicht so bekämpft, wie es könnte.

Allenfalls die Waisenkinder, dessen einziges Unterrichtsbuch der Koran ist, erwähnt er. Kinder, die keinerlei andere Sicht auf die Welt kennenlernen, als die ihrer Islam-Lehrer. Der Autor vermittelt so ein Bild eines Landes, das kurz vor der Islamisierung steht. Und tatsächlich steht Pakistan auf der Kippe, daher rührt auch das internationale Interesse an der Entwicklung der Machtverhältnisse dort.

„Noch vor der Mitte des Jahrhunderts wird Pakistan das Land mit der viertgrößten Bevölkerung der Erde sein. Allein das macht klar, daß sich die Welt mit Pakistan beschäftigen muß. Schon heute ist es mit 160 Millionen Einwohnern eines der größten muslimischen Länder der Erde, und es ist das einzige muslimische Land, das Atomwaffen besitzt“, so Alt-Bundeskanzler Schmidt im Vorwort. Ulrich Ladurner hilft mit seinen sehr ambitioniert geschriebenen „Bitte informieren Sie Allah!“ zu verstehen, warum die Welt nicht wegschauen kann.            Rebecca Bellano

Ulrich Ladurner: „Bitte informieren Sie Allah – Terrornetzwerk Pakistan“, Herbig, München 2008, geb., 238 Seiten, 19,90 Euro


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