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13.09.08 / Er löste das Königsberger Brückenproblem / Vor 225 Jahren starb der vielseitige Naturwissenschaftler Leonhard Euler – Aufklärer und frommer Christ

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Er löste das Königsberger Brückenproblem
Vor 225 Jahren starb der vielseitige Naturwissenschaftler Leonhard Euler – Aufklärer und frommer Christ

Fast 900 wissenschaftliche Arbeiten hat der Mathematiker und Physiker Leonhard Euler vorgelegt. Der vor 225 Jahren Verstorbene ist einer der Begründer der klassischen Mechanik in der Physik.

Leonhard Euler, im Jahr 1707 in Basel geboren und vor 225 Jahren, am 18. September 1783 in St. Petersburg gestorben, gilt nicht nur wegen der Lösung des sogenannten Königsberger Brückenproblems als einer der größten Gelehrten aller Zeiten. „Euler rechnet anscheinend so mühelos, wie andere Menschen atmen oder wie der Adler in der Luft schwebt“, schrieb bewundernd ein französischer Kollege. Goethe nannte Euler schlicht „ein Genie“, und Eulers Nachfolger an der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin, der 1736 in Turin geborene Mathematiker Joseph-Louis Lagrange, empfahl seinen Studenten: „Lest Euler, er ist unser aller Meister.“

Ein großer Wissenschaftler war im 18. Jahrhundert wie selbstverständlich auch ein Weltbürger. Nationale Grenzen kannte Euler jedenfalls nicht. Seine Heimatstadt Basel wollte dem überragende wissenschaftliche Leistungen bringenden gerade 20jährigen keine Professur anbieten, und so nahm dieser ein Angebot der russischen Akademie der Wissenschaften an und zog nach St. Petersburg, wo er 1731 Akademiemitglied wurde und eine Professur für Physik erhielt. Zehn Jahre später übersiedelte er nach Berlin und wurde Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Hier wohnte er in der Behrensstraße 21, heute Sitz der Bayerischen Landesvertretung und gegenüber der Komischen Oper.

In der preußischen Hauptstadt legte er nicht nur zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten vor, sondern betätigte sich auch als Berater bei Projekten wie der Einrichtung des Lotteriewesens, dem Ausbau des Finowkanals oder bei der Trockenlegung des Oderbruchs. Aber mit dem König Preußens kam Euler nicht zurecht. Die Spannungen wurden so unerträglich, daß Euler 1766 einer Einladung der Zarin Katharina II. folgte und nach St. Petersburg zurückkehrte. Persönlich wurden es schlimme Jahre. Nachdem er schon als 30jähriger auf dem rechten Auge erblindet war, verlor er 1771 das Augenlicht völlig. Dennoch forschte er unermüdlich weiter; seine Arbeiten diktierte er entweder seinen Söhnen oder seinem treuen Sekretär Nikolaus Fuß, einem ehemaligen Schneider.

War und ist Euler bis heute in Fachkreisen hochgeachtet, so wurde er schon zu Lebzeiten populär durch ein Buch, das ein europaweiter Bestseller wurde. Es sind die um 1768 zuerst auf Französisch, bald danach auf Deutsch erschienenen „Briefe an eine deutsche Prinzessin über verschiedene Gegenstände aus der Physik und Philosophie“. Es wurde ein sensationeller Bucherfolg, gleichsam ein „Volksbrock­haus des 18. Jahrhunderts“ mit zwölf Auflagen auf Französisch, vier auf Russisch, mehreren auf Deutsch sowie mit Übersetzungen ins Englische, Dänische, Schwedische, Spanische und Italienische. Geschrieben hat Euler die insgesamt 324 Briefe an die Prinzessin Friederike Charlotte Ludovica Luise von Brandenburg-Schwedt, einer Nebenlinie der Hohenzollern, die im uckermärkischen Schwedt residierte. Sie war eine Urenkelin des Großen Kurfürsten und eine Nichte zweiten Grades Friedrichs des Großen. Ihr Vater war mit Euler befreundet und hatte diesen veranlaßt, seine gerade erst 14 Jahre alte Tochter zu unterrichten. Die Briefe sind gewissermaßen – in Fortsetzung des Unterrichts – Lerneinheiten, die in höchst anschaulicher Form, allgemeinverständlich und oft humorvoll, aber nie oberflächlich, viel vom Wissen der damaligen Zeit zusammenfassen, also nicht nur Naturwissenschaften, sondern, wie der Untertitel sagt, auch „Philosophie“, was im damaligen Sprachgebrauch Psychologie und Empfinden, Religion und Musik mit einschloß.

Euler beginnt mit den programmatischen Sätzen: „Da die Hoffnung, meine Unterweisungen in der Geometrie bei Eh. Hoheit fortsetzen zu können, von neuem weiter hinausgesetzt zu sein scheint – ein in der Tat für mich sehr empfindlicher Aufschub –, so wünschte ich, so gut als es die Natur der Sachen erlaubt, diesen Mangel schriftlich zu ersetzen. Vor allen Dingen muß man ein gewisses Maß festsetzen, das unsern Sinnen angemessen ist und von dem wir einen klaren Begriff haben können, wie zum Beispiel das Maß eines Fußes. Wenn man einmal die Idee eines Fußes hat, so hat man auch eine von seiner Hälfte, seinem Viertel, seinem zwölften Teile, von seinem tausendsten Teile, welcher so klein ist, daß er beinah nicht mehr gesehen wird.“

Anschaulichkeit war Euler also ein wichtiges Prinzip. „Wenn der Mond in Ruhe wäre“, schreibt er, „so würde er ganz gewiß fallen; aber da er von einer höchst schnellen Bewegung fortgetrieben wird, so ist das gerade die Ursache, die seinen Fall verhindert.“ Und in Erläuterung seines großen Zeitgenossen Isaac Newton: „Das ist eine sehr merkwürdige Eigenschaft der Erde, daß alle Körper, die sich nicht nur auf ihr, sondern auch in sehr großer Entfernung von ihr befinden, eine Kraft haben, welche sie nach dem Mittelpunkte der Erde treibt, und diese Kraft ist die Schwere, die nach der Proportion abnimmt, wie die Körper sich von der Oberfläche der Erde entfernen.“

Euler war ein tiefreligiöser Mensch, und anders als viele Aufklärer des 18. Jahrhunderts, die eine Welt ohne Gott zu erkennen glaubten und propagierten, sah er in der ganzen Schöpfung das Werk eines Gottes, der „auf alle Körper ohne Ausnahme“ zu wirken vermag. Allerdings glaubte auch er wie (fast) alle Aufklärer: Die Freiheit ist allen Menschen „wesentlich“. Gott zwinge die Menschen nicht zur Freiheit, „denn dies wäre der Freiheit entgegen, die den Menschen wesentlich ist, er sucht sie nur zur Beobachtung dieses Befehls zu bewegen, indem er ihnen die stärksten Motive vorhält, die sich auf ihre eigene Wohlfahrt gründen. Den Menschen bleibt es beständig frei, ob sie sich darnach richten wollen oder nicht … Wir wissen aus der Erfahrung, daß die Bosheit des einen Teils der Menschen sehr oft zur Besserung und Glückseligkeit des anderen beitrage“.

Ziemlich am Ende der Briefe informiert Euler über unser Sonnensystem und seine gewaltige Ausdehnung, um mit den Worten zu schließen: „E. Hoheit werden ohne Zweifel diese erstaunliche Entfernung der Fixsterne und den ganzen Umfang der Welt nicht ohne die größte Verwunderung begreifen können. Wie groß muß nicht die Macht desjenigen sein, der diese Unermeßlichkeit erschaffen hat und der ein unumschränkter Herr davon ist! Lassen Sie uns Ihn mit der tiefsten Unterwerfung anbeten.“          Dirk Klose

 

Mathematisches Problem am Pregel

Der Kneiphof, die vom Pregel umflossene Flußinsel mitten in Königsberg, war über fünf Brücken erreichbar: die Grüne, die Krämer-, die Schmiede-, die Köttel- und die Honigbrücke, wobei allesamt wegen der Flußschiffahrt Klappbrücken waren. Zwei andere Brücken, die Holzbrücke und die Hohe Brücke, verbanden weitere Teile der Innenstadt miteinander. Diese Konstellation warf bei Mathematikern die Frage auf, ob es einen Rundweg gibt, bei dem man alle sieben Brücken der Stadt über den Pregel genau einmal überquert und wieder zum Ausgangspunkt gelangt. Jahrzehntelang zerbrachen sich die besten Mathematiker darüber den Kopf. Im Jahre 1736 erbrachte Leonhard Euler den Beweis, daß es einen derartigen Rundweg nicht gibt.

Außer der Honigbrücke, die heute noch besichtigt werden kann, hat keine der Brücken den Zweiten Weltkrieg überstanden. Die Grüne und die Krämerbrücke wurde 1972 durch eine 546 Meter lange und 27 Meter breite namenlose Spannbetonbrücke über die beiden Pregelarme und die Insel ersetzt. Die Holzbrücke wurde nach dem Krieg als Spannbetonbrücke wieder aufgebaut. An der Stelle der Hohen Brücke wurde in der Nachkriegszeit ebenfalls eine Spannbetonbrücke gebaut.   D. K. / M. R.

Foto: Leonhard Euler im Alter von 46 Jahren: Pastell von Jakob Emanuel Handmann (1718–1781) aus dem Jahre 1753


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