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13.09.08 / »Bayern hat uns vorbildlich unterstützt« / Wilhelm v. Gottberg: Wir halten nicht die Hand auf, uns geht es um politische Unterstützung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

»Bayern hat uns vorbildlich unterstützt«
Wilhelm v. Gottberg: Wir halten nicht die Hand auf, uns geht es um politische Unterstützung

Der bayerische Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein hat anläßlich des 30jährigen Bestehens der Patenschaft Bayerns für die Landsmannschaft Ostpreußen und zu deren 60jährigem Bestehen zu einem Empfang in die Münchner Residenz geladen. Dabei hielt der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen folgende Rede:

Sehr verehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Dr. Beck­stein, Sie, und mit Ihnen Ihr gesamtes Kabinett, aber auch die gesamte CSU befinden sich derzeit in der heißen Phase des Wahlkampfes zur Wahl eines neuen bayerischen Landtages. Es ist für alle Beteiligten eine nicht ganz einfache Situation mit großem Termindruck.

Dennoch haben Sie Zeit gefunden, für die Ostpreußen aus besonderem Anlaß heute einen Empfang auszurichten. Die Landsmannschaft Ostpreußen kann in diesem Jahr auf ihren 60ten Gründungstag zurückblicken. Die Landsmannschaft lebt und ist aktiv. Rund 340 örtliche Ostpreußengruppen in der gesamten Republik und 39 Heimatkreisgemeinschaften der LO sind Garant dafür, daß die östlichste Provinz des früheren deutschen Reiches ein Thema bleibt. Außerdem tragen die Bayerische Staatsregierung im Bunde mit den Ostpreußen Sorge, daß Flucht und Vertreibung sowie der territoriale Verlust Ostpreußens Eingang in das Geschichtsbuch der Deutschen findet.

Wir gedenken in diesem Jahr auch des 30jährigen Bestehens der Patenschaft des Freistaates Bayern für die Landsmannschaft Ostpreußen. Noch unter Ministerpräsident Goppel kam die Patenschaft zustande. Aber die Ausgestaltung des guten Verhältnisses zwischen Patengeber und Patennehmer geschah dann unter dem unvergessenen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß.

Die Akzente, die damals für die Patenschaft gesetzt wurden, hatten Ihre beiden Vorgänger im Amt des Ministerpräsidenten übernommen. Bald nach Ihrem Dienstantritt als bayerischer Ministerpräsident haben Sie in einem persönlichen Gespräch Herrn Rechtsanwalt Böld und mir gegenüber die Patenschaft bekräftigt, und eine Schwerpunktbildung für das ostpreußische Kulturgut im Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen zugesagt. Damit wahren Sie Kontinuität hinsichtlich der umfassenden Pflege Bayerns für die Patenschaft mit der Landsmannschaft Ostpreußen.

Der Freistaat Bayern hat wie kein anderes Land der Bundesrepublik den Heimatvertriebenen materielle und ideelle Hilfe zukommen lassen. Dies bekennen und anerkennen wir dankbar. Die bayerische Staatsregierung hat mit ihrer jahrzehntelangen Förderung der Anliegen der Vertriebenen deutlich gemacht, was in weiten Teilen unserer Gesellschaft und der politischen Klasse vergessen wurde, daß nämlich der Osten des früheren deutschen Reiches eine Angelegenheit aller Deutschen ist und eben nicht nur der ostdeutschen Überlebenden der Katastrophe von 1945.

30 Jahre Patenschaft Bayerns für die LO sind 30 Jahre gelebte Solidarität der Bayerischen Staatsregierung mit den Ostpreußen und sind 30 Jahre Fürsorge und Obhutspflicht mit der Landsmannschaft Ostpreußen. Anmerken will ich, daß Wohlwollen und Hilfsbereitschaft für die Ostpreußen immer auch von den zuständigen Fachbeamten der Ministerialebene in Bayern geleistet wird. Diese Erfahrung konnte ich in den zurückliegenden 18 Jahren zumindest für die Bereiche der Staatskanzlei, des Arbeits- und Sozialministeriums und des Finanzministeriums machen.

Ich möchte die Hilfe der Bayerischen Staatsregierung Herr Ministerpräsident, beim Zusammentragen und Sichern des ostpreußischen Kulturgutes etwas konkretisieren. Der Freistaat Bayern fördert institutionell das unter dem Dach der ostpreußischen Kulturstiftung angesiedelte Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen. Für den seinerzeitigen Aufbau des Kulturzentrums hat der Freistaat erhebliche Mittel aufgewendet. Heute leistet Bayern als institutionelle Förderung für Ellingen jährlich einen Betrag von rund 179000 Euro. Hinzu kommen noch Projektmittel für besondere Vorhaben.

Jahrzehntelang hat die bayerische Staatsregierung die Ost- und Westpreußenstiftung in Bayern mit ihrer Oberschleißheimer Gedenkstätte alimentiert. Über viele Jahre waren die Veranstaltungen in Oberschleißheim durch die Vertriebenen aus dem Großraum München hervorragend besucht. Vortragsveranstaltungen mit hohem Niveau und die Herausgabe wissenschaftlicher Publikationen haben die Ost- und Westpreußenstiftung über Bayern hinaus bekannt gemacht. Durch den Rück­gang der Erlebnisgeneration und damit einhergehend der Rückgang der ehrenamtlichen Helfer ist die Fortsetzung der Arbeit der Ost- und Westpreußenstiftung in bisherigem Umfang nicht mehr möglich. Sie haben, Herr Ministerpräsident, dankenswerterweise zugesagt, für das Oberschleißheimer Kulturgut ein neues Domizil in Ellingen bereitzustellen, wenn es denn von den Verantwortlichen der Ost- und Westpreußenstiftung gewünscht ist. Die Pläne für den weiteren Ausbau Ellingens liegen vor. Damit wird das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen gestärkt, und erhält eine erweiterte Perspektive. Darüber freuen sich alle Ostpreußen und Freunde Ostpreußens in der gesamten Republik.

Ein besonderer Glanzpunkt in der Fürsorge Bayerns für die Ostpreußen ist der Erwerb und der Ausbau des Kopernikushauses in Allenstein. Ohne die Mithilfe Bayerns wäre diese Immobilie nicht zu dem geworden, was sie nun ist, nämlich ein Kristallisationspunkt für die gesamte deutsche Minderheit im südlichen Ostpreußen. Damit besitzen die heimatverbliebenen Ostpreußen eine beeindruckende eigene Immobilie, die zur Stärkung ihres Selbstbewußtseins beiträgt. Die Angehörigen der Landsmannschaft Ostpreußen freuen sich über das Haus und nutzen es partiell mit. Keine andere ostdeutsche Landsmannschaft besitzt ein vergleichbares Objekt in der angestammten Heimat. Bayern trägt Verantwortung für die Ostpreußische Kulturstiftung durch seine Mitwirkung im Stiftungsrat. Das kluge Mitwirken Bayerns im Stiftungsrat der OKS hat dazu beigetragen, daß besonders in rot-grüner Zeit der Stifterwille nicht außer Kraft gesetzt werden konnte. Die Versuche dazu hat es gegeben.

Ich sagte schon, daß die Landsmannschaft Ostpreußen in diesem Jahr 60 Jahre besteht. 60 Jahre Landsmannschaft Ostpreußen, das ist für uns durchaus kein Freudentag. Wir alle aus der Erlebnisgeneration, die Flucht, Deportation und Vertreibung erlitten haben, würden – rückblickend gesehen – glück­lich sein, wenn wir in Ostpreußen hätten bleiben können, und wenn es für die Gründung der Landsmannschaft Ostpreußen keinen Anlaß gegeben hätten.

Gleichwohl gibt das 60-jährige Bestehen Anlaß, mit etwas Genugtuung zurückzublicken. Wir haben für Ostpreußen und die Ostpreußen einiges bewegen können. Im Zusammenwirken mit den anderen Landsmannschaften ist Vorbildliches auf dem Feld der Sozialpolitik erreicht worden. Bei der Sicherung des kulturellen Erbes ist dank der Vorbildfunktion Bayerns auf diesem Feld auch Beachtliches erreicht worden. Zahlreiche Repräsentanten der Landsmannschaft Ostpreußen sind geschätzte Gesprächspartner bei Politikern und gesellschaftlichen Gruppen. Die von der Landsmannschaft Ostpreußen herausgegebene nationalliberale Wochenzeitung „Preußische Allgemeine Zeitung“ ist trotz einer sinkenden Auflage kein Zuschußbetrieb und wird, wenn auch in kleiner Stückzahl, in 31 Länder der Welt versandt.

Schon 1951 haben wir ein humanitäres Hilfswerk für die heimatverbliebenen Ostpreußen gegründet, die Bruderhilfe der LO. Dieses Hilfswerk besteht bis heute. Einmal im Jahr reisen unsere Kreisvertreter in die Heimat und händigen den Landsleuten einen Geldbetrag aus. Dieses Geld ist kein Geld aus öffentlichen Kassen, wir sammeln es in den eigenen Reihen. Früher haben wir auch Pakete mit Nahrungsmitteln und Bekleidung geschickt. Bedürftig im Sinne der deutschen und der polnischen Sozialgesetzgebung sind die Empfänger alle. Die Bruderhilfe hat beachtlich zur emotionalen Verbundenheit zwischen hüben und drüben beigetragen und den Deutschen in Ostpreußen die Gewißheit gegeben, daß sie von ihren Landsleuten in Deutschland nicht vergessen wurden. Wir haben uns mit eigenen Mitteln an mehr als zwei Dutzend Vorhaben in Ostpreußen beteiligt, die der Erhaltung der kulturhistorischen Bausubstanz dienen. Auf der Ebene unserer Heimatkreisgemeinschaften wurden weitere Projekte mit dieser Zielsetzung gefördert.

Zum Aufbau Ellingen haben wir insgesamt 700000 DM aus eigenen Mitteln in den Jahren 1988 bis 1992 eingebracht. Geld, das aus den Überschüssen unserer Zeitung stammt. Das Grundstockvermögen der Ostpreußischen Kulturstiftung in Höhe von 105000 Euro ist ausschließlich von der LO aufgebracht worden. Die Ostpreußen haben eine große Anzahl von Exponaten des Ostpreußischen Landesmuseums mit eigenen Mitteln erworben und der Verein Ostpreußisches Jagd- und Landesmuseum – neben der LO der zweite Ausgangsstifter für die Ostpreußische Kulturstiftung – hat mit Beträgen im Millionenbereich für das Ostpreußische Landesmuseum Grund- und Immobilieneigentum erworben. Mir will es scheinen, daß die Ostpreußen mit der Landsmannschaft Ostpreußen wie keine andere Landsmannschaft einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des kulturellen Erbes ihrer Heimatprovinz geleistet haben.

Wir, die Landsmannschaft Ostpreußen, kommen nicht vorrangig als materielle Bittsteller zu unserem Patenland. Wir halten nicht die Hand auf und betteln. Uns geht es in erster Linie um politische und moralische Unterstützung für unsere Organisation und für unsere Arbeit. Diese Unterstützung hat Bayern und die CSU als Partei der Vertriebenen vorbildlich bis heute gewährt.

1991 hat Staatsminister Glück bei unserem Deutschlandtreffen in Düsseldorf gesprochen, 1997 kam dann Bundesminister Bötsch, 2000 waren Sie beim Deutschlandtreffen der Ostpreußen in Leipzig, Herr Staatsminister Huber. 2002 kam dann Ministerpräsident a. D. Dr. Stoiber, 2004 waren Sie, Herr Ministerpräsident bei dem von uns veranstalteten 4. Kommunalpolitischen Kongreß in Allenstein und haben dort das Auftaktreferat gehalten. Schließlich, Frau Staatsministerin Stewens, haben Sie die Hauptansprache bei unserem diesjährigen Deutschlandtreffen gehalten. Sie hatten entscheidend Anteil, daß unser Deutschlandtreffen überaus erfolgreich war. Die Ostpreußen wissen, daß Solidarität keine Einbahnstraße sein kann. Danke!

Herr Ministerpräsident, wir kennen uns nun mehr als zehn Jahre. 1998 und 1999 – damals waren Sie Innenminister des Freistaates – hatten wir zwei Gespräche wegen der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen, die aus dem Ruder lief. Darüber gibt es auch einen Schriftwechsel. 2004 sind Sie dann aufgrund einer Bitte von mir, ich erwähnte das schon, nach Allenstein zum 4. Kongreß der LO gekommen. Gleich nach Ihrem Dienstantritt als Ministerpräsident des Freistaates gewährten Sie dem Sprecher der Ostpreußen ein kurzes Gespräch in Berlin. Zu einem ausführlichen Meinungsaustausch empfingen Sie Herrn Rechtsanwalt Böld – den Vorsitzenden der Ost- und Westpreußen in Bayern – und mich im Frühjahr. Heute nun sind Sie unser Gastgeber bei dieser beeindruckenden Veranstaltung, „30 Jahre Patenschaft Bayern/LO“ und „60 Jahre Landsmannschaft Ostpreußen“. Im Namen aller Ostpreußen sage ich „Danke“.

Ostpreußen ist heute den Nachbarstaaten im Osten zugehörig. Dies kann uns nicht von unserer Verpflichtung für die Heimatprovinz entbinden. Nur wer sich seiner Heimat verpflichtet fühlt bewirkt etwas für sie. Die Landsmannschaft Ostpreußen hat viele Aufgaben zu erfüllen. Wir nehmen sie gemäß dem Wahlspruch der Benediktiner – „Ora et labora“ – getrost in Angriff. Dabei sind die Zukunfts­fähig­keit unserer Organisation, die Fürsorge für die Landsleute in der Heimat sowie die Sicherung des kulturellen Erbes Schwerpunkt unserer Arbeit. Herr Ministerpräsident, wir brauchen weiterhin die Solidarität von Ihnen, Ihrer Staatsregierung und dem Freistaat Bayern. Die Gewißheit, immer auf Bayern setzen zu können macht zuversichtlich. Zuversicht erhält die Zukunft. Danke, daß ich dieses heute hier vortragen konnte.

Foto: Wilhelm v. Gottberg am Rednerpult in der Müchner Residenz, im Spiegel hinter ihm sein Publikum. 


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