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13.09.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-08 vom 13. September 2008

Rache / Warum Münte gern mal so redet wie Beck, wie die SPD wohl durch die Kurve kommt, und was US-Manager am Sozialismus finden
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Schon die alten Germanen kannten da keine Gnade: Wer allzu dumm auffiel, der wurde von der Stammesversammlung rigoros verbannt. Er durfte sein Haus nicht einmal mehr durch die Tür verlassen, heißt es, sondern hatte durch ein Fenster zu krabbeln und auf Nimmerwiedersehen im Wald zu verschwinden.

Ob man Kurt Beck wenigstens noch eine Tür wies, wissen wir nicht. Aber die letzten Bilder, wie er da über die märkische Wiese davonhetzte, die waren schon bedrückend.

Zurück bleiben unsere betretenen Gesichter, eine unschuldige SPD-Spitze, ein Rätsel und eine Zeitbombe als Geschenk für die Unschuldigen.

Am spannendsten ist natürlich das Rätsel: Wer hat den Dolch geführt? Auch du, mein Sohn Steini? Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier konnte es sich zumindest nicht verkneifen, dem fliehenden Beck zum Abschied noch ein paar Giftpfeile in den Hintern zu jagen: Er danke dem scheidenden Chef für dessen Arbeit und lobte die Verdienste des Gemeuchelten. 

Müntefering ging noch viel weiter und nutzte die Gelegenheit zur rabenschwarzen Rache: Beck hatte Müntes Rückkehr in die Politik bekanntlich mit einem kühl-schnippischen „herzlich willkommen“ abgefertigt. Wahrscheinlich von Beck selbst stammt auch die dann wochenlang von allen SPD-Führern gedroschene Antwort auf die Frage, welche Rolle der auferstandene Müntefering denn nun in der Partei spielen solle: Eine „wichtige“ hieß es wie aus einem Munde – und mehr nicht. So, als wolle man sagen: Der Olle darf sich an den Tisch setzen, ab und zu von seiner „Lebensleistung“ faseln und ansonsten die Klappe halten.

 Das hat den Müntefering tief getroffen, er fühlte sich behandelt wie ein lästiger alter Klugscheißer, auf dessen Gedröhn man gerade noch gewartet hatte. Entsprechend vergiftet nun seine Retourkutsche: „Er (Beck) wird in der Partei weiterhin eine Rolle spielen. Schließlich ist er doch Parteichef ... (Kunstpause) ... in Rheinland-Pfalz.“ Münte, du Teufel!

Hoffentlich hatte der Pfälzer sein Beißholz parat, als ihm diese Gemeinheiten ins Fleisch schnitten.

Zurück in der Sicherheit seiner Mainzer Burg ließ Kurt Beck den Tränen freien Lauf: „Es wird dabei bleiben, daß ich kein anderer bin als der, der ich bin“, schluchzte er, und daß er sich nunmal nicht auf „Glanz und Glamour“ verstehe. Er sieht seine Offenheit schamlos mißbraucht von Intriganten.

Wer das alles hört, stellt sich einen Kurt Beck vor, der im Kostüm des arglosen Wandergesellen einst funkelnden Auges in die brodelnde Metropole aufgebrochen war. Doch statt der versprochenen großen weiten Welt erwarteten ihn dort nur aalglatte Gecken, die ihn grinsend in die Falle gelockt haben. Als er die Bosheit dieser Glitterwelt durchschaut hatte, da nahm er sich ein Herz, schmiß alles hin und ging heim in die heile Welt seiner Mainzelmännchen, wo ein ehrlicher Simpel wie er nichts zu befürchten hat.

Nach Becks Auslassungen wird ein großes Aufatmen durch die Berliner SPD-Zentrale gegangen sein: Uff, das Landei sind wir losgeworden, bevor es noch mehr Schaden anrichtet. Glück gehabt.

Wirklich? Wenn sie sich da mal nicht täuschen. Wer genau lauscht, hört sie ticken, die kleine Zeitbombe, die Beck zur späteren Revanche in der Hauptstadt zurück­gelassen hat. Man kann die kommende Detonation auch sehen im Gesicht von Andrea Nahles, man kann sie erahnen in den Kommentaren von Klaus Wowereit, sie erlauschen in Andrea Ypsilantis Zähneknirschen.

Beck hatte die Bombe einer Öffnung zur Linkspartei in einen Kokon aus taktischem Geschwafel gewickelt in der Hoffnung, daß der erst platzt, wenn es niemanden mehr stört. Nun drängen die Linksausleger in der SPD  selber ganz nach vorn. Die jedoch wollen ihr Projekt ganz ohne Schwafelkokon durchs Hauptportal einer offenen Strategiedebatte tragen. Da könnte es bald zum Knall kommen.

Steinmeier und Müntefering werden darüber lernen, was es bedeutet, einen Wagen in voller Fahrt zu übernehmen: Zwar kommt man von Anfang an hurtig voran, nur an der Richtung kann man kaum noch etwas ändern. Die hat der bestimmt, der die Mühen des Anschiebens geleistet hat, und das war Beck. Seine Richtung war die auf Rot-Rot.

Ob Münte und Steini dennoch versuchen werden, die Biege zu machen? Kann sein, es ist aber recht wahrscheinlich, daß sie dabei im hohen Bogen aus der Kurve fliegen. Frau Nahles und ihre Freunde bereiten sich schon aufs Schubsen vor.

Die Links­partei braucht sich da nur zurück­zulehnen und abzuwarten. Die kommen schon, die Sozis, fragt sich nur wann und wie viele dann überhaupt noch von denen übrig sind.

Zu lange sollte es allerdings auch nicht dauern mit dem Sozialismus. Eines der Hauptziele ist ja die Enteignung des Großkapitals, das auf dem Wege des Klassenkampfes zur Strecke gebracht werden soll. Kampf setzt indes voraus, daß sich der Feind auch wehrt, das Kapital also verbissen um seine Unabhängigkeit kämpft.

Ausgerechnet im Herzland des modernen Kapitalismus, den USA, tut sich dieser Tage jedoch etwas Bizarres: Ein Großunternehmen nach dem anderen winselt geradezu darum, unter den Rock des Staates krabbeln zu dürfen.

Erst war es eine große Investmentbank, die den Staat rief, um sie zu retten. Als dann die beiden Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac in den Schoß der Regierung krochen, wurde bereits gewitzelt: Als nächstes kommen wohl auch noch die drei strauchelnden Auto-Giganten Ford, General Motors und Chrysler und betteln um die Fürsorge der Obrigkeit. Der Witz war kaum verklungen, da wurde er Wirklichkeit. 50 Milliarden Dollar wollen die drei als billige Kredite aus dem Steuersäckel haben, um nicht als Totalschäden in der Stahlpresse der Rezession zu landen.

Man mag es kaum fassen. Erinnern wir uns: Als vor zehn Jahren diverse Volkswirtschaften der Schwellenländer von Argentinien bis Thailand in die sogenannte „Asienkrise“ schlitterten, da setzte ihnen die weitgehend US-gesteuerte Weltbank die Pistole auf die Brust: Öffnet eure Märkte, sonst gibt’s keine günstigen Kredite!

„Öffnung“ hieß dabei insbesondere: Privatisierung von Staatsbetrieben und radikaler Abbau von „wettbewerbsverzerrenden Subventionen“, die bis dahin heimische Unternehmen vor der mörderischen Konkurrenz auf dem Weltmarkt schützen sollten. Die sollten weg, weil sie zu „unfairen Handelsbedingungen“ führten. Fair sei nämlich nur der weltweit freie Wettbewerb freier Unternehmen.

Nun, da auf einmal die USA selbst in der Krise stecken, stehen diese Regeln auf dem Kopf: Verstaatlichungen im großen Stil und Subventionen im Milliardenbereich sollen den Weltmarkt außer Kraft setzen. Von einem Jahr aufs andere ist nicht mehr von „Wettbewerb“ die Rede, sondern nur noch von „Auswüchsen des Marktes“, denen man entgegentreten müsse. Jenseits des Teichs sprechen sie auch nicht mehr so gern von der Freiheit des Unternehmers als vielmehr von der „sozialen Verantwortung der Politik“ – wohlgemerkt, es sind die hilfeschreienden Manager, die derlei von sich geben.

Geht das so weiter, dann haben die Kapitalisten den Sozialismus bereits eingeführt, bevor die Marxisten überhaupt die Macht an sich gebracht haben.

Dabei unterscheidet sich der US-Konzernsozialismus nicht einmal im Ergebnis vom Marxschen Urbild: Am Ende bleibt bei der Marxschen Theorie wie bei der US-amerikanischen Praxis nichts zurück als ein ausgeblutetes Land mit einem Volk, das um die Früchte seiner Arbeit betrogen wurde. Betrogen von ein paar Scharlatanen, die sich „Experten“ nannten.


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