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20.09.08 / Es begann mit 15 Kilometern / Die Geschichte des preußischen Eisenbahnen nahm 1838 ihren Anfang – Festliche Einweihung der »Stammbahn«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-08 vom 20. September 2008

Es begann mit 15 Kilometern
Die Geschichte des preußischen Eisenbahnen nahm 1838 ihren Anfang – Festliche Einweihung der »Stammbahn«

Vor genau 170 Jahren wurde Preußens erste Eisenbahnstrecke eröffnet. Die 15 Kilometer lange sogenannte Stammbahn verband Potsdam mit Zehlendorf.

Zahlreiche Schaulustige waren am 22. September 1838 in Potsdam zur Eröffnung der ersten preußischen Eisenbahnstrecke zwischen Potsdam und Zehlendorf zusammengeströmt. Auch hochrangige Persönlichkeiten wie die königlichen Prinzen, Justizminister von Mühler und Staatsminister von Ladenberg nahmen an dem prunkvollen Festakt teil. Weil diese Strecke der Stamm der preußischen Eisenbahnen war, hat sich dafür bis heute die Bezeichnung „Stammbahn“ erhalten.

Erst drei Jahre zuvor war mit dem zwischen Nürnberg und Fürth verkehrenden Dampfzug das Zeitalter der Eisenbahn auf deutschem Boden eingeläutet worden. Doch schon zwei Jahre zuvor gab es in Preußen weitreichende Pläne: Im April 1833 war von einem Dr. Stubbe in Berlin beim Ministerium des Innern ein Antrag für den Betrieb einer „Dampfwagenfahrt“ von Naumburg nach Breslau gestellt worden, die durch Halle, Merseburg, Potsdam und Frankfurt an der Oder führen sollte. Einen öffentlichen Bedarf an dieser Bahnlinie glaubte das preußische Staatsministerium nicht erkennen zu können. Da aber schon am 24. April 1837 der erste Teilabschnitt der Bahnlinie zwischen Leipzig und Dresden in Betrieb genommen worden war, erteilte das Preußische Ministerium doch eine Konzession für die zunächst privat durch Aktien finanzierte Strecke Berlin-Potsdam, einem Teilstück der von Stubbe beantragten Fernverbindung. Insgesamt sollten die zwischen den Endbahnhöfen in Berlin und Potsdam geplanten Gleise über eine Streckenlänge von 7000 Ruthen (rund 26,36 Kilometer) verfügen. Dabei sollte die Strecke durch Schöneberg, Wilmersdorf, Schmargendorf, Dahlem, Steglitz und Zehlendorf führen.

Beantragt wurde nur eine eingleisige Trasse auf einem Damm, der zweigleisige Ausbau war aber von vornherein in die Planungen einbezogen. An den Haltepunkten der jeweiligen Ortschaften erweiterte man die Spur mit einem Ausweichgleis und plante gleich zu Beginn eine recht umfangreiche bahntechnische Ausstattung an den Stationen mit ein. Diese sollten neben Abstellgleisen und Schuppen für 42 zu beschaffende Wagen und vier Lokomotiven auch schon über Drehscheiben verfügen, mit denen die Lokomotiven zur uneingeschränkten Vorwärtsfahrt gedreht werden konnten. Selbstverständlich waren alle Haltepunkte mit Gebäuden für das Bahnpersonal und die Fahrgäste ausgestattet und die Endstationen mit den für den Betrieb notwendigen Werkstätten versehen. Der Potsdamer Bahnhof befand sich bei der Einweihung der ersten Teilstrecke noch in der Fertigstellung. Neben einem Empfangsgebäude und Büroräumen verfügte er über einen zweireihigen Bahnwagenschuppen, eine Schmiede mit Kohlenhalle und einem massiven Schuppen für die Dampflokomotiven. Fünf Brücken sollten die Bahn insgesamt über das Gelände führen, davon drei über Arme der Nuthe bei Potsdam. Da das Gefälle der Bahnstrecke gering war, bereitete es dem Betrieb keine Probleme. Bauliche Sondermaßnahmen brauchten dafür nicht getroffen zu werden.

Mit der Betriebsaufnahme war „eine Abgangszeit von Potsdam täglich vormittags 8 und nachmittags 2 Uhr, von Zehlendorff vormittags 10 und nachmittags 4 Uhr festgesetzt“. Schon ab dem 26. September wurde der Fahrplan um eine zusätzliche Hin- und Rückfahrt erweitert. Dabei ersuchte die „Direktion der Berlin-Potsdamer Eisenbahn-Gesellschaft“ … „zur Erhaltung der Ordnung … ein geehrtes Publikum, den Gesellschaftsbeamten in der Ausübung ihres Dienstes durch williges Gehörgeben behülflich zu werden“. Zahlreiche Erlasse, Verordnungen, Bekanntmachungen und „sicherheitspolizeiliche Maaßregeln“ sollten einen reibungslosen und sicheren Betrieb ermöglichen. Selbst das Ein- und Aussteigen der Fahrgäste durfte nicht selbständig erfolgen, sondern unterlag den Anweisungen von Wagenmeistern und Wärtern. Volle zehn Minuten vor Antritt der Fahrt mußten sich alle Fahrgäste in den Wagen befinden und ihre Plätze eingenommen haben. Die Mitnahme von Hunden und anderen Tieren war ebenso verboten wie die Beförderung von Kranken und Säuglingen. Ein zweimaliges Läuten im Abstand von fünf Minuten durch das Bahnpersonal machte auf die bevorstehende Abfahrt des Zuges aufmerksam. Erst dann dampfte der Zug gemächlich aus dem Bahnhof davon.

Für die Jungfernfahrt am 22. September 1838 waren alle Maßnahmen somit mit preußischer Genauigkeit getroffen, als der große Festakt begann. Ein prächtig mit Fahnen und Blumengebinden geschmückter Zug aus zwei Lokomotiven, die aus England importiert worden waren, mit 16 Wagen und 300 Fahrgästen setzte sich von Potsdam aus unter Glockengeläut der Garnisonkirche in Bewegung.

In 22 Minuten erreichte er das 15 Kilometer entfernte Zehlendorf, das bis zum 29. Oktober Endstation bleiben sollte. Im Jahre 1839 wurden die Stationen Schöneberg und Steglitz ausgebaut und die ab 1847 zweigleisige Stammbahn-Strecke entsprechend verlängert.

Wirtschaftlich trug die Investition in das neue Verkehrsmittel rasch Frucht: Die im ersten Jahr beförderten 674171 Fahrgäste brachten der Gesellschaft einen Reingewinn von 80884 Talern. Der Postkutschenbetrieb erlebte auf dieser Strecke zur gleichen Zeit herbe Rückschläge, denn weder bei der Lasten- noch bei der Personenbeförderung war er noch konkurrenzfähig. Die Tore der Zukunft hatten sich für die Eisenbahn, nicht nur in Preußen, weit geöffnet.             Ulrich Kappenstein

Foto: Der Bau wurde 1943/44 zerstört: Der Bahnhof Potsdamer Platz ist heute ein unterirdischer Regionalbahnhof am Potsdamer Platz im Zentrum Berlins.      


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