19.04.2024

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20.09.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-08 vom 20. September 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

nun sollen die großen Suchmeldungen den Vorrang haben, denn viele der Leserinnen und Leser, die während der Sommermonate verreist waren, sind nun wieder zu Hause und haben „Nachlese gehalten“, also die inzwischen erschienenen Ausgaben unserer Zeitung durchforstet. So kommt es erst jetzt zu Reaktionen auf die länger zurückliegenden Kolumnen, und bei den weniger schwerwiegenden Fragen ist das auch nicht so gravierend, bei den Suchmeldungen nach Vermißten jedoch schon, und deshalb haben wir sie zurückgehalten. Daß sich da ein ganz schöner Pungel angesammelt hat, ist verständlich – und deshalb heißt es ohne lange Vorrede: losgelegt!

Beginnen wir mit dem Schreiben von Herrn Wilfried Krause aus Kiel. Da handelt es sich zuerst einmal um seine Großmutter väterlicherseits, Charlotte Margarete Krause, geb. Küssner, * 31. August 1877 in Wolfshagen, Kreis Rastenburg. Ihre Eltern waren Friedrich August Küssner, * 1851 in Groß Wolfsdorf, und Charlotte geb. Borow, *1855 in Groß Neuhoff/Ostpr. Bis zum 13. Februar 1945 wohnte sie in Königsberg, Schönstraße 5. Etwa Ende März/Anfang April zog sie zu Herrn Krauses Großvater mütterlicherseits, dem Konditormeister Kurt Gehlhaar, nach Juditten, Fried-richwalder Allee 48. Die damals 78jährige Großmutter soll – bereits sehr geschwächt – im September 1945 noch einmal eine Bekannte aufgesucht haben. Es war das letzte Mal, daß Charlotte Krause lebend gesehen wurde. Diese Bekannte meldete sich nach dem Krieg bei Herrn Krauses Vater, um ihm von dieser Begegnung zu berichten. Nach ihrer Vermutung könnte Charlotte Krause in Königsberg verstorben und auf dem Alten Luisenfriedhof beerdigt worden sein. Vielleicht weiß jemand aus unserem Leserkreis, wie und wo das Leben von Großmutter Krause endete. Die Familie wird ja, schon bedingt durch den Konditormeister – „Gehlhaar“ war ja nun wirklich in Königsberg ein Begriff! – einen großen Bekanntenkreis gehabt haben.

Weiter sucht Wilfried Krause nach seinem Onkel Hans Krause, *23. Oktober 1903 in Königsberg. Er war von Beruf Kaufmann und wohnte, bis er eingezogen wurde, Hagenstraße 69 bei Dischereit. Seine letzte Nachricht soll vom März 1945 stammen, als er – erkrankt oder leicht verwundet – als Angehöriger der Stamm-Kompanie Pz.Jäg.Ers.-Abtlg.1 (Erkennungsmarke 31,08) im Leichtkranken Kriegslazarett 509 in Königsberg lag. Herrn Krauses Vater hat immer nach seinem Bruder gesucht, bereits 1957 mit Foto über das DRK, doch leider ohne Erfolg. Jetzt hofft Wilfried Krause auf unsere Ostpreußische Familie. Er selber hat in der Herzog-Albrecht-Allee 8 in Königsberg gewohnt. „Wir haben alle den Krieg heil überstanden – über den Rest schweige ich lieber!“ schreibt unser Landsmann. Wir können das nur zu gut verstehen! (Winfried Krause, Niobeweg 9, 24159 Kiel, Telefon: 04 31/372665).

Die nächste Suche zeigt uns wieder einmal eines jener Schicksale auf, die in den Sog von Nachkriegselend, Flucht und Vertreibung gerieten oder dort ihren Ursprung haben, denn der Cousin von Frau Theodora Nieder aus Nidderau, die uns seinen Wunsch übermittelt, wurde am 28. Juli 1945 in Bad Saarow geboren. Seine Mutter brachte ihn im Krankenhaus Radlow zur Welt, wo eine Tante von Frau Nieder als Krankenschwester tätig war. Die junge Frau flüchtete nach der Geburt ihres Sohnes geradezu panikartig aus dem Krankenhaus, denn sie ließ neben dem Kind auch ihre Brieftasche mit Fotos und ihrem „Ausweis der Deutschen Volksliste“ zurück. Nach dem Jungen wurde nie wieder gefragt. Die Krankenschwester nahm ihn in Pflege, und er wuchs ihr so an das Herz, daß sie und ihr Mann ihn dann fünf Jahre später adoptierten. Er fand Geborgenheit und Liebe in dieser Familie, aber die Frage nach seinen leiblichen Eltern blieb doch und wurde im Laufe der Jahre immer stärker. Vor allem will er gerne wissen, welches Schicksal seine Mutter veranlaßt hat, ihn nach der Geburt zu verlassen. Als Frau Nieder nun unsere Rubrik las, sah sie einen Weg, nach der aus den zurückgelassenen Papieren ersichtlichen Familie Stolpe aus Seehofen/Lissa zu suchen. Den Fotos nach muß es eine recht große Familie gewesen sein, so daß die Hoffnung besteht, daß sich jemand meldet. Näheres könnte dann Frau Nieder mitteilen, denn die Angelegenheit muß sehr behutsam behandelt werden. (Theodora Nieder, Wartbaumstraße 5, 61130 Nidderau, E-Mail: TheodoraNieder@t-online.de).

Vor einigen Monaten haben wir die Frage von Herrn Werner Nagel aus Hohenwestedt gebracht, leider ohne Erfolg, und deshalb bittet er uns, sie noch einmal in abgeänderter Form zu wiederholen. Da es sich um für ihn wichtige Unterlagen handelt, die ihm im März 1945 in Pommern von den Russen abgenommen wurden, erfüllen wir gerne seinen Wunsch und hoffen, daß die Veröffentlichung diesmal Erfolg hat. Der heute 86jährige schildert den Vorgang so: Zusammen mit anderen ostpreußischen Flüchtlingen kam Werner Nagel im Februar 1945 in den Kreis Schlawe/Pommern und landete auf einem Brennerei-Gut nahe Pollnow. Der Gutsverwalter hieß Max Klein. Seine Ehefrau Martha Klein geb. Pareigat war eine Schwester seiner damaligen Fluchtgefährtin Gertrud Pareigat aus Neukirch, Kreis Elchniederung. Nach dem Russeneinmarsch wurde kurzfristig ein Transport von zirka 400 Frauen und 800 Männern zusammengestellt, die zu Fuß ostwärts über Pollnow-Schlawe-Bublitz-Rummelsburg, Hammerstein bis Neustettin getrieben wurden. Ab dort wurden sie mit der Bahn über Konitz und Graudenz nach Soldau transportiert. Vor dem endgültigen Weitertransport nach Rußland erfolgte eine Sichtung, wobei die Kranken – zu denen auch Werner Nagel gehörte – aussortiert wurden. Diese wurden nach Graudenz zurückgebracht und dort Anfang Mai 1945 ohne jegliche Papiere „nach Hause“ entlassen, einfach so, ohne die bereits in Pommern abgenommenen persönlichen Unterlagen. Diese waren bei der Festnahme zusammen mit dem Vernehmungsprotokoll in einem Aktenordner abgeheftet worden. Diese Dokumente sucht Herr Nagel noch heute. Eine Anfrage bei der Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft in Moskau erbrachten keinen Erfolg, da Werner Nagel nicht sagen kann, in welchem Lager in Rußland der Transport endete. Dorthin müßten wahrscheinlich auch alle Unterlagen gekommen sein. Deshalb stellt er nun an uns diese Fragen: Wer von unseren Landsleuten ist im April 1945 von Soldau weiter nach Rußland transportiert und in welches Lager gebracht worden? Wer von der nachgewachsenen Generation hat Angehörige gehabt, die zu der angegebenen Zeit über Graudenz/Soldau weiter nach Rußland transportiert wurden und weiß aus deren Erzählungen, wohin sie damals gekommen sind? – Stichwort ist also: Soldau! Da es sich ja um einen großen Transport von vorwiegend ostpreußischen Gefangenen handelt, müßte es eigentlich Hinweise geben, die unserm Landsmann weiterhelfen könnten. (Werner Nagel, Berliner Ring 10, 24594 Hohenwestedt, Telefon: 048 71/2558).

Auch Frau Eva Weidlich aus Auerbach meldet sich wieder – seit der Wende hat die Ostpreußin aus der Elchniederung, die es in das Vogtland verschlagen hat, sich oft an uns gewandt. Über ihre Flucht aus der Heimat und die damit zusammenhängenden Erinnerungen hat sie ein Gedicht geschrieben und bittet mich, es in unserem „Familien-Seminar“ in Bad Pyrmont vorzulesen. Das werde ich auch gerne tun, liebe Frau Weidlich, aber dies ist ja nicht der Hauptgrund Ihres Schreibens, sondern die Suche nach Menschen, die Ihren schweren Lebensweg begleitet und ihn irgendwann verlassen haben. Da ist zuerst der Halbbruder, dessen Namen Frau Weidlich nicht einmal weiß, weil die Eltern geschieden waren. Er müßte entweder Hoffmann oder Böttcher heißen und heute etwa 70 Jahre alt, also jünger als seine 1933 geborene Schwester, sein. Fixpunkt für diese Suche ist der Wohnort der Familie Hoffmann, Raging im Kirchspiel Rauterskirch, ein etwas über 200 Einwohner zählendes Dorf, knapp 25 Kilometer südwestllich von Kuckerneese (Kaukehmen). Der Personenkreis ist also begrenzt, der hier weiterhelfen könnte.

Das trifft auch auf die zweite Suchfrage von Frau Weidlich zu, die in das Kinderheim Gelbensande führt, in dem die kleine Eva mit den Geschwistern Fröhling aus Lohberg zusammen war. Es waren fünf Kinder, ein Mädchen hieß Gisela. Gesucht wird deren Bruder Reinhard Fröhling. Weitere Angaben kann Frau Weidlich leider nicht machen, etwas nähere aber zu der Suche Nr. 3. Hier geht es um Herrn Professor Dr. Herbert Becker, den sie aus ihrer Zeit im Christlichen Heim in Gehlsdorf bei Rostock kannte. Das war im Jahre 1949, und Frau Weidlich hieß damals Eva Hoffmann. Der Gesuchte war später Präsident der Rettungsflugwacht in Filderstadt. Es wäre zu wünschen, daß unsere treue Leserin einige Zuschriften erhält, denn ich entnehme ihren Zeilen, daß sie hofft „dadurch jemanden zu finden“. Vielleicht helfen auch schon ein paar Zeilen von Landsleuten aus ihrer so früh verlassenen Heimat, der Elchniederung. (Eva Weidlich, Andreas Schubert Straße 4, 08209 Auerbach, Telefon: 037 44/213305).

Zum guten Schluß: Immer wieder weise ich darauf hin, daß unsere Ostpreußische Familie sozusagen „die letzte Instanz“ ist, wenn es sich um die Suche nach Vermißten oder Verschollenen handelt. Als erste Anlaufstelle sind Institutionen da, die sich ausschließlich mit dieser Aufgabe befassen. Das teile ich nicht nur wiederholt in unserer Kolumne, sondern auch in der direkten Beantwortung vieler an mich persönlich gerichteter Schreiben mit. Daß es noch heute zu Erfolgen kommen kann, dafür hier ein aktuelles Beispiel: Frau Maria Hülse aus Koblenz übermittelt uns, daß die fast 65jährige Suche nach ihrem vermißten Bruder Willy Scheller aus Insterburg nun ein Ende gefunden hat. Sie hatte sich an die Kriegsgräberfürsorge in Kassel gewandt und bekam innerhalb von zehn Tagen die Nachricht, daß ihr Bruder 1944 gefallen sei und auf einem deutschen Sammelfriedhof in Moldawien-Chisinau liege. Nun hat die Ungewißheit für Maria Hülse ein Ende.

Eure Ruth Geede

Foto: Endlich Gewißheit: Willy Scheller liegt in Moldawien begraben


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