18.04.2024

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20.09.08 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-08 vom 20. September 2008

Im Tunnel / Wo sich Rote und Grüne begegnen, wie Peer Steinbrück die Zeit bis zur Wahl überbrückt, und wie eine neue Steuerquelle entdeckt wurde
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Nachdem sich die SPD einen neuen alten Vorsitzenden gehinterzimmert hat, können die Vorbereitungen zur großen Wahlkampfschlacht beginnen. Am Rande des Kriegsschauplatzes gruppieren sich die Heere, wobei sich langsam herausschält, wer mit wem gegen wen zieht.

CDU-Chefin Merkel hat es am einfachsten. Sie will mit der FDP regieren. Punkt.

Für die Liberalen ist die Sache schon schwieriger. Genervt wischen sie sich demonstrativ die Luftküsse von der Wange, die ihnen SPD-Generalsekretär Hubertus Heil zuwirft. Zumal er sie zwar umwirbt als möglichen Koalitionspartner, gleichzeitig aber die Westerwelle-Partei zum Kumpel zweiter Klasse degradiert, der nur hinzugeampelt werden soll, wenn es mit den Grünen allein nicht reicht.

Für den Wunschpartner schniegeln die Sozis ihr grünes Profil heraus. Sie pöbeln gegen die Atomkraft und verwenden nur noch benutzte Parteiführer. Der schonende Umgang mit den Nachwuchsressourcen geht soweit, daß sie nun sogar Gerhard Schröder aus der Altstofftonne gezogen haben.

Wer da wohl noch alles raus­kommt in den nächsten Monaten. Björn Engholm? Hans-Jochen Vogel? Rudolf Scharping?? Aus jetzt! Über sowas macht man keine Witze! Wie wir am Beispiel von Münte gesehen haben, kann jeder Kalauer über politisch Wiederverwertete flugs wahr werden. Also beschreien wir es lieber nicht.

Einfach nicht drüber reden ist sowieso oft das Weiseste, was man machen kann. Beck hat immerzu geredet. Zu manchen Sachen hatte er am Ende sowohl das Eine gesagt als auch das genaue Gegenteil davon und schließlich noch irgendwas dazwischen. Dann fiel ihm der Kopf von den Schultern.

Müntefering operiert weitaus geschick­ter. Er gilt als Mann der Mitte, weshalb ihn keiner verdächtigt, mit den Ultralinken zu kungeln. Damit das so bleibt, spricht er über die Angelegenheit Rot-Rot so knapp und schmallippig wie er kann oder am liebsten eben gar nicht. Dabei fährt der künftige SPD-Chef den Kurs in Richtung rot-roter Kooperationen auf Länderebene stur weiter. Ihm nimmt das niemand übel, obwohl es jeder weiß. Jeder? Na ja, fast jeder. Ausgerechnet die, die es am ehesten wissen müßte, hat nichts mitbekommen: Andrea Ypsilanti glaubte dem Radio-Schelm tatsächlich, daß er Müntefering sei. Sie schöpfte keinen Verdacht, als der Stimmenimitator sie sieben Minuten lang dazu bringen wollte, Hessen durch die Hintertür zu verlassen und in Berlin Hubertus Heils Stuhl einzunehmen, um die Partei vor dem Schaden durch ein rot-rotes Bündnis zu bewahren.

Sie habe alles stehen und liegen gelassen für die Müntestimme, erheitern sich die Bösewichter im Land. Starr sei Ypsilanti gewesen vor Ehrfurcht, demütig und unsicher im Ton.

Ganz schön peinlich für die Entlarvte, weshalb die Hessen-SPD nun allen mit rechtlichen Schritten droht, die die Mitschnitte des gemeinen Telefonats weiterverbreiten oder auch nur daraus zitieren.

Damit hat Andrea Ypsilanti zweierlei bewiesen. Erstens: Daß sie wirklich um jeden Preis mit den Dunkelroten zur Macht will, selbst wenn der designierte Bundesvorsitzende Müntefering dagegen sein sollte (was er, wie erwähnt, gar nicht ist). Und zweitens: Daß man die Peinlichkeit eines solchen Reinfalls am Telefon noch steigern kann, indem man anschließend mit Klagedrohungen um sich ballert.

Den Liberalen versaut das Gebalze der Sozis mit den Linken gründlich den Appetit auf sozialliberale Nostalgie. Die SPD könne nicht gleichzeitig oben Brücken bauen zur FDP und unten Tunnel graben zu den Kommunisten, giftet Guido Westerwelle.

Irgendwo in dem Tunnel müßten die Sozialdemokraten übrigens ihrem Lieblingskoalitionspartner begegnen, denn auch die Grünen wühlen sich eifrig in die untersten linken Sedimente ihrer schillernden Vergangenheit zurück. Wie weit sie schon vorangekommen sind, erkennt man an der prächtigen Laune von Hans-Christian Ströbele. Endlich gehe es in seiner Partei wieder um Umverteilung, jubelt der bekannte Linksausleger, der wenig zum Freuen hatte in seiner Partei, als die sogenannten Realos den Taktstock führten und auf FDP für zu Geld gekommene Altachtundsechziger machten.

Allerdings möchte man zweifeln, ob das mit dem Umverteilen wirklich so originell ist. Im Grunde schmeißen doch alle Parteien mit Kamellen nach dem Volk, das angesichts der klebrigen Masse an süßen Versprechungen ein finsterer Verdacht beschleicht.

Warum Verdacht? Nun, es paßt einfach nicht zusammen, was da geboten wird: Jahrelang war ja Aufschwung, begleitet von saftigen Steuererhöhungen. Die Einnahmen des Staates sprudelten wie Islands heiße Quellen. Und dennoch muß Peer Steinbrück nach wie vor jedes Jahr neue Milliardenschulden machen.

In dieser ohnehin prekären Haushaltslage sind jetzt auch noch die internationalen Kapitalmärkte hochgegangen wie ein mittschiffs getroffener Munitionsdampfer. Daß das die Konjunktur  und damit die Steuereinnahmen drückt, versteht sich eigentlich. Dennoch versprechen die Politiker immer neue Wohltaten und beharren trotzdem darauf, ab 2011 keinen Cent neue Schulden mehr aufzunehmen.

Offenbar haben sich die schwarz-roten Haushaltskünstler darauf geeinigt, die spitze Feder des exakten Rechners mit Blick auf den anrollenden Wahlkampf in der Schublade zu versenken. Dafür holen die Koalitionäre das Schminkköfferchen hervor und malen mit dicken bunten Lippenstiften ganz wunderbare Zahlen an die Wand.

Wie immer bei solchen Manövern könnte allerdings die Zeit zum Problem werden. Die Abkühlung der Wirtschaft kommt ein bißchen früh. Es ist fraglich, ob man das Kasperletheater vom soliden Haushalt und der robusten Konjunktur bis September 2009 am Laufen halten kann, ehe die Flammen der Wirklichkeit die Kulissen in Rauch verwandeln. Was, wenn am Ende ein paar Monate fehlen und das Volk den faulen Zauber der Zahlengaukler zu früh durchschaut?

Peer Steinbrück hat bereits eine Idee, wie man die Realität bis zum Wahltag vernebelt. Jeder weiß ja, daß die Arbeitsmarktdaten immer mit Verzögerung auf die Konjunktur reagieren: Springt die Wirtschaft an, dauert es etliche Monate, bis die Arbeitslosigkeit sinkt. Macht die Konjunktur schlapp, braucht es ebenfalls eine ganze Weile, bis auch die Zahl der Erwerbslosen wieder ansteigt.

Jetzt geht sie wieder runter, die Konjunktur:  Da die deutsche Wirtschaft auch im dritten Quartal geschrumpft sein dürfte, stecken wir in der Rezession, sagen die Fachleute.

Falsch, sagt Peer Steinbrück: Da immer noch Jobs entstünden, könne gar keine Rezession sein. Das ist natürlich Schwachsinn. Aber: Mit dieser neuen Definition von Rezession gewinnt der Minister Zeit und kann weiter auf gut Wetter machen, bis der Jobabbau dem Abschwung mit der üblichen Verzögerung nachfolgt.

Wenn termingerecht nach der Wahl das Bundesbudget einbricht, muß aber trotzdem neues Geld her. Woher soll das kommen? Gleich nach dem Urnengang mit Steuererhöhungen hervorzuplatzen macht keine gute Presse.

SPD und Grüne haben sich daher etwas anderes ausgedacht, den „Bildungssoli“, einen Solidaritätszuschlag für Bildung, der den Soli Ost ablösen soll. Bildung könnte so zur neuen Geldmaschine der Politik werden, wie das Klima, das ja auch tolle Erträge abgeworfen hat. Die sonst so geizigen Deutschen haben gezeigt, daß sie jede Abzocke über sich ergehen lassen, wenn nur Klima draufsteht: „Es geht doch um die Zukunft unserer Kinder!“ Eben, und um die geht es ja auch bei der Bildung. Auf diese Weise ließen sich riesige Einnahmen erzielen, ohne daß einer den Widerspruch wagt und ohne, daß das böse Wort „Steuererhöhung“ fällt. Wofür man das Geld dann tatsächlich ausgibt, fragt eh keiner.


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