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27.09.08 / Die absolute Mehrheit wackelt / Trotz aller Erfolge muß die CSU um die Alleinregierung in Bayern bangen – Bunte Konkurrenz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

Die absolute Mehrheit wackelt
Trotz aller Erfolge muß die CSU um die Alleinregierung in Bayern bangen – Bunte Konkurrenz

Unmittelbar vor der bayerischen Landtagswahl muß die CSU um die absolute Mehrheit bangen, denn die enormen Erfolge der Staatsregierung schreiben viele Wähler noch Edmund Stoiber zu. Allerdings ist das Angebot der anderen Parteien nicht so stark, daß die legendären 50+x für die CSU schon sicher verloren wären.

Eine bayerisches Bonmot lautet: „Eine Anarchie ist was Feines. Aber bitte mit einem starken Anarchen!“ Auf die CSU bezogen bedeutet diese Beschreibung der bayerischen Mentalität: Wer hier ganz oben steht, darf sich fast alles leisten, außer Schwäche. Ein gewisser Show-Faktor gehört dazu, eine gewisse Unnahbarkeit bei aller Volksnähe, eine gewisse Aura, die den, der die Wahlkampfreden im Bierzelt hört, auch nach der fünften Maß noch in ihren Bann zieht und ihn am Ende bewundernd ausrufen läßt: „Aber a Hund is er scho.“ Er, das ist vorzugsweise ein gebürtiger Oberbayer, hochgewachsen, bewandert auf internationalem Parkett. Dem US-Präsidenten sollte er zumindest schon einmal vor TV-Kameras die Hand gegeben haben – das schmeichelt dem Bayern schlechthin. Und er sollte bei dem grundsätzlich suspekten „Preiß’n-Gschwerl da oben“, also bei der Bundesregierung, schon einmal was Ansehnliches für Bayern herausgeholt haben, einen Transrapid, eine EU-Raumfahrtzentrale oder so etwas.

Wer das weiß, kann ermessen, wo im derzeitigen Wahlkampf die Probleme von Ministerpräsident Günther Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber liegen. Außerdem zieht die CSU-Führung nicht konsequent an einem Strang: der Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber brüstet sich, er sei das Original, Bundesagrarminister Horst Seehofer hält sich im Wahlkampf zurück und legt Becksteins Erfolgslatte auf kaum erreichbare 52 Prozent. Die Rede ist von Abneigung in der engeren Parteiführung gegen die beiden Spitzenleute und gegen Generalsekretärin Christine Haderthauer. Die CSU-Vorstandssitzung am Tag nach der Wahl könnte spannend werden, wenn nicht zumindest die absolute Mehrheit der Mandate verteidigt wird.

Dabei hat die CSU unbestreitbar gewaltige Erfolge vorzuweisen: Die meisten Arbeitsplätze, die niedrigste Arbeitslosigkeit und das höchste Wirtschaftswachstum aller Länder. Bayern ist die Region mit den meisten Patentanmeldungen Europas und den besten Universitäten Deutschlands. Bayern hat den ersten ausgeglichenen Haushalt und zahlt nun sogar Altschulden zurück. Die niedrigste Kriminalitätsrate, die höchste Aufklärungsquote, die laut Pisa- und Iglu-Studie besten Schulen Deutschlands – ja sogar den niedrigsten CO2-Ausstoß aller Länder. In der Tat geht es den Bewohnern Bayerns besser als den Bewohnern anderer Bundesländer, und Bundeskanzlerin Merkel gibt zu: „Bayern ist da, wo Deutschland erst noch hin muß.“

Das wissen die Bayern grundsätzlich alles. Wenn SPD-Spitzenmann Franz Maget im TV-Duell behauptet: „Bayern wurde schlecht regiert“, nehmen ihm das rund 80 Prozent der Freistaats-Bewohner nicht ab. Nur – und da beginnt das Problem des Duos Beckstein / Huber: Diese Erfolge wurden zum größeren Teil noch unter Vorgänger Edmund Stoiber erreicht und von ihm bereits als persönliche Leistungen kommuniziert. Entsprechend defensiv kommen sie auch im Wahlkampf daher, etliche Bierzelt-Auftritte sind – zumindest nach den anspruchsvollen CSU-Maßstäben – mißlungen. Um in einem Erdinger Bierzelt Stimmung zu schüren, mußte Beckstein seine berüchtigte Zwei-Maß-fahrtüchtig-Äußerung machen, die er später, nach Protesten, als Witz abtat.

Der CSU schadet außerdem die Große Koalition im Bund: In Berlin muß man an der Seite von CDU und SPD gegen den eigenen Willen viele unpopuläre Beschlüsse mittragen, wie etwa das Antidiskriminierungsgesetz und die Kürzung der Pendlerpauschale, oder sinnlose Formelkompromisse wie den Gesundheitsfonds. Die Opposition – allesamt Kleinparteien unter 20 Prozent – hat den propagandistischen Nutzen. Nur so ist erklärbar, daß sie der CSU erhebliche Anteile wegzunehmen drohen.

Gut nur für die CSU, daß die Konkurrenten nicht wirklich eine Alternative bilden. SPD-Mann Maget ist in der Wahrnehmung breiter Schichten ein armes Würstchen, die Grünen haben mit der Forderung, Kreuze aus Schulzimmern abzuhängen und das Konkordat mit dem Vatikan zu kündigen, bei den wertkonservativen Wählern viel Ansehen eingebüßt, die Bayern-FDP ist konturenlos bis unbekannt. Dennoch liebäugelt angesichts der Berliner Zumutungen mancher bayerische Kleinunternehmer mit den Liberalen.

Die Freien Wähler schließlich beweisen, daß kein Programm das allerschlechteste Programm ist. Die Fürther Ex-Landrätin und CSU-Rebellin Gabriele Pauli tourt als eine Art Rockerbraut auf ihrer Ducati vorzugsweise durch Altbayern, zapft Bierfässer an und bringt die Bierdimpfl mit weitausgeschnittenen Dirndln in Wallung. Von ihrer Forderung, Ehen auf sieben Jahre zu verkürzen, ist sie nie abgerückt, das ist bei den völlig inhalts-Freien Wählern aber auch nicht nötig. „Partei“-Chef Hubert Aiwanger fordert die Zerschlagung der Großkonzerne und positioniert sich damit noch links von der Linkspartei.

Außerdem: Keine der anderen Parteien kann überhaupt genuin bayerische Interessen in Berlin und Brüssel durchsetzen. Zwar ist dort auch die CSU derzeit nicht gerade ein Bajuwaren-Zerberus. Aber der Bayern-SPD, den Grünen, der FDP, die ja in München allesamt nur Dependancen ihrer Berliner Zentralen unterhalten, traut man das noch weniger zu.

Und so kann es auch sein, daß die Bayern am Sonntag ins Wahllokal gehen und dann in ihrer Mehrheit wieder ihr Kreuz bei der CSU setzen. Das Schlechteste für Bayern und Deutschland wäre es nicht. Anton Heinrich

Foto: Begegnung der Kontrahenten im Bierzelt: Beim Münchner Oktoberfest konnte Oberbürgermeister Christian Ude (Mitte) Ministerpräsident Günter Beckstein (l.) und den SPD-Spitzenkandidaten Franz Maget (r.) begrüßen.


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