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27.09.08 / Baustellen der Bundespolitik / Viel zu tun bei Kindergeld, Erbschaftssteuer und Föderalismus – 2009 macht der Bund wieder zehn Milliarden neue Schulden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

Baustellen der Bundespolitik
Viel zu tun bei Kindergeld, Erbschaftssteuer und Föderalismus – 2009 macht der Bund wieder zehn Milliarden neue Schulden

In der Haushaltsdebatte letzte Woche waren die Großkoalitionäre nach Monaten der gereizten Töne wieder richtig zahm zueinander. Zusammen schoben CDU/CSU und SPD für 2009 einen Bundeshaushalt mit Ausgaben von 288,4 Milliarden Euro an. Trotz Rekordsteuereinnahmen benötigt der Bund aber wieder über zehn Milliarden Euro neue Kredite.

Vom selbst gesteckten Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ist die Große Koalition noch weit entfernt. 2011 soll es endlich so weit sein. Bis dahin ist noch viel zu tun. Schon in den nächsten Monaten steht ein strammes Programm zur Entscheidung an. Darunter befinden sich Streitthemen wie Erbschaftssteuer- und Kindergeldreform, die nicht nur die Harmonie trüben, sondern auch das Sanierungsziel in Frage stellen können. Außerdem ist im nächsten Jahr Bundestagswahl. Jede Partei muß ihre Anhänger mobilisieren. Doch die haben in der Vergangenheit schon manchen Spareifer mit Undank gestraft.

Schon während der Bundestags-Haushaltswoche verdunkelten einzelne Wolken die großkoalitionäre Eintracht. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) verlangte die Abschaffung des geltenden Kinderfreibetrags, da dieser sich bei höheren Einkommen aufgrund der Steuerprogression günstiger auswirke als das Kindergeld von 154 Euro pro Kopf. Ohne lästige Details zu nennen, empfahl Deutschlands oberster Kassenwart einen „Kindergrundfreibetrag“, der am „unteren Ende“ des steuerpflichtigen Einkommens abzuziehen sei. Beobachter vermuten, daß Steinbrück seine Beamten vorher hat rechnen lassen. Dabei seien ein paar Extramilliarden für die Bundeskasse übrig geblieben. Familienminister Ursula von der Leyen (CDU) lehnte den Vorstoß als „Steuererhöhung ausschließlich für Familien mit Kindern“ kategorisch ab und plädierte stattdessen für eine Erhöhung des Kindergeldes.

Auch das Thema Erbschaftssteuerreform sorgt bei Union und SPD für Zwist. Im Koalitionsvertrag hat Schwarz-Rot angekündigt, Familienbetriebe bei einer Betriebsübergabe zu entlasten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag beklagt, die beabsichtigte Reform bringe keine Verbesserungen. Der Koalitionsentwurf verlange bei einem Erbfall die Fortführung des Unternehmens für insgesamt 15 Jahre, anstatt die Haltefrist bei den derzeit geltenden fünf Jahren zu belassen. Danach werde eine 15prozentige Besteuerung des Betriebsvermögens fällig, obwohl ursprünglich die Steuer völlig hätte erlassen werden sollen.

Gegen den Gesetzentwurf aus dem Hause Steinbrück formiert sich inzwischen heftiger Widerstand bei CDU und CSU. Fraktionschef Volker Kauder hat Mühe, Risse in seiner Fraktion zu kitten. Befeuert wird die Kritik von Ex-Verfassungsrichter Paul Kirchhof, der den Entwurf für verfassungswidrig hält. Kanzlerin Angela Merkel sagte dem Mittelstand nunmehr Verbesserungen zu, und Bayern droht mit einem Scheitern des Steinbrück-Entwurfs. Die kontroverse Debatte setzt die SPD unter Druck: Wegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts muß eine Lösung bis Ende des Jahres erreicht sein. Sonst entfiele die Erbschaftssteuer ab 2009 ersatzlos. Für gestandene Sozialdemokraten wäre dieser Fall aber ein „neoliberales“ Unglücksszenario und mit Blick auf die Linkspartei ein politischer Alptraum.

Angesichts des Parteiengezänks verwundert es eigentlich, daß SPD-Fraktionschef Peter Struck die Föderalismusreform II als Herkulesaufgabe bezeichnete, die nur eine Große Koalition bewältigen könne. Doch der Spitzengenosse ist entschlossen, die Föderalismuskommission, die er zusammen mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) leitet, bis Mitte Oktober zum Erfolg zu führen. Die Reform soll die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu ordnen. Hauptkonfliktpunkt ist die sogenannte Schuldenbremse: Unionspolitiker fordern eine Grundgesetzänderung, die die öffentliche Neuverschuldung wirksam begrenzt. Prinzipiell, so die Vertreter der meist unionsregierten Geberländer, müssten die Bundesländer ihre Altschulden aus eigener Kraft tilgen.

Auch Bundesfinanzminister Steinbrück ist derzeit nicht bereit, den überschuldeten Bundesländern bedingungslos beizustehen. Er lancierte ein Eckpunktepapier, das Hilfeleistungen des Bundes an die Beseitigung von Haushaltsdefiziten bis zum Jahr 2015 koppeln will. Erregt schwärzte daraufhin Mecklenburg-Vorpommerns Noch-Ministerpräsident Harald Ringsdorff seinen Parteifreund Steinbrück bei der Bundeskanzlerin an. Der Ausgang der Föderalismusdis-kussion könnte zum Menetekel für den weiteren Erfolg der Großen Koalition werden.        Jost Vielhaber


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