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27.09.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied, liebe Familienfreunde,

es ist wohl an der Zeit, Nachlese zu halten. Die vielen Zuschriften, die zu den verschiedensten Themen Stellung nehmen, hier und da mit Hinweisen ein Mosaiksteinchen setzen oder auch ganz einfach bekunden: Die Ostpreußische Familie ist prima – sie mußten wegen der schwerer wiegenden Suchfragen zurückstehen. Aber gerade sie zeigen die ganze Vielfalt dieser bunten Wunschpalette, in der das Bild unserer Heimat breit aufgefächert wird. Und so beginnen wir gleich mit dem Schreiben von Frau Brigitte Junger, der Schatzmeisterin der Kreisgemeinschaft Angerburg, die uns eines jener besagten Mosaiksteinchen liefert, das in diesem Fall in das Suchbild von Herrn Karl Zoll aus Hilchenbach paßt, der seine Schulfreundin aus Alertshausen im Wittgensteiner Land nie vergessen hat. Sie hieß Sigrid Krieger und wohnte als Tochter des Revierförsters auf der Karlsburg. Als der Vater 1936 verstarb, ging die Mutter mit ihrer Tochter in ihre ostpreußische Heimat zurück. Noch einmal kam eine Ansichtskarte von Brigitte aus „Schloßberg in Masuren“, dann war die Verbindung abgerissen bis auf ein kurzes Wiedersehen nach dem Krieg in Hessen. Da war Sigrid Krieger aber schon verlobt, auch Herr Zoll heiratete bald, er hat nie wieder etwas von ihr gehört. Nun möchte er gerne wissen, was aus seiner Freundin aus Kindertagen geworden ist und hat als einzigen Fixpunkt jene Postkarte aus „Schloßberg in Masuren“. Über diesen Ortsnamen haben wir gerätselt, auch verschiedene Möglichkeiten genannt, und tatsächlich handelt es sich nicht um die frühere Kreisstadt Pillkallen, später Schloßberg, sondern um ein Dorf im Kreis Angerburg, das allerdings nur kurzfristig – von 1925 bis 1938 – so hieß. Frau Junker kann das belegen, denn es ist ihr Geburtsort – allerdings unter dem Namen Heidenberg. Das scheint nur etwas verwirrend, denn Brigitte Junker kann das recht einfach erklären: „Heidenberg hieß bis 1925 Grodzisko, von da an Schloßberg. Um Verwechslungen auszuschließen, wurde es am 16. Juli 1938 in Heidenberg umbenannt. Also kam die Karte an Herrn Zoll 1936 wohl wirklich aus Schloßberg in Masuren.“ Und dies wird mit Sicherheit der Heimatort von Frau Krieger gewesen sein. Ob Brigitte die zweiklassige Dorfschule oder eine andere Schule, vielleicht in Angerburg, besuchte, ist – noch – nicht geklärt. Frau Junker will Herrn Zoll gerne weiter helfen, ein wichtiges Mosaiksteinchen ist jedenfalls schon jetzt gefunden, und vielleicht geht sein Wunsch in Erfüllung: mit Brigitte gemeinsam die Goldene Konfirmation zu feiern.

Erinnerungen an die Kindheit werden immer wieder geweckt. So hat der „Buschebaubau“ zwar keine Ängste mehr heraufbeschworen, aber das Schreckgespenst unserer Kindheit tauchte plötzlich wieder auf. „Die Drohung mit diesem abschreckenden Wesen war wohl wirksamer als das strikte Verbot, irgendwohin zu gehen,“ schreibt Frau Dorothea Blankenagel. Ausführlich hat Frau Rosemarie Schaffstein aus Hannover zu diesem Thema Stellung genommen. Sie weist auf das Preußische Wörterbuch hin, von dem ihr Vater eine Ausgabe von 1882/83 besaß. Er benötigte es, als er das Gut Perkuiken übernahm, weil er viele Ausdrücke, die im Samland gebräuchlich waren, nicht kannte. Darin wird auch der Buschebaubau erwähnt, aber auch der Baubau und der Buscher, und mit letzterem verbunden das Verb „buschern“, was „ängstigen“ bedeutet. Die Mutter von Frau Schaffstein gebrauchte „Buscher“ auch für eine drohende Gewitterwolke. Da haben sich nicht nur die Kinder geängstigt, wenn solch eine schwarze Gewitterwand aus dem weiten Land aufstieg!

Zu dem Wegpustspielchen, das Frau Mathee-Kohl aus ihrer Kindheit kennt, meint Frau Schaffstein, daß auch hier das Schreckgespenst eine Rolle spielen könnte: „Husch, Baubau“ – würde bedeuten: „weg, Gespenst“, womit dem Kind die Angst genommen wird. Einige Leserinnen meinen, daß es sich eher um ein selbst erdachtes Spielchen handelt. So könnte „bau bau“ eine Abkürzung von „Bausch“ in der Kindersprache sein, denn Frau Mathee-Kohl berichtete ja, daß ihre Mutter damit einen Wattebausch wegpustete. Um bei der Kindersprache zu bleiben: Hat nicht manch einer kleiner Kruschke, den die Mutter ermahnte: „Nimm den Finger aus der Nase!“ seine Bohrversuche gerechtfertigt: „Ich hab da doch so‘n Baubau?“ Eine vielseitige ostpreußische Vokabel eben!

Einen interessanten Hinweis hat Herr Konrad Moysich aus Dresden von unserem Leser Alexander Henschen aus Hitzacker erhalten – ich bekam dankenswerter Weise eine Kopie des Schreibens –, der sich auf die Suche nach seinem Jugendfreund Jürgen Fehl(h)auer aus Pr. Holland bezieht. Herr Henschen hat während seiner beruflichen Tätigkeit in Ostfriesland einen Träger dieses Namens kennengelernt, der dort bei einer Baubedarfsfirma tätig war. Nicht nur der Name sondern auch das Alter könnte stimmen. Obgleich diese Begegnung schon mehr als 30 Jahre zurückliegt, kann Herr Henschen die Firma nennen, bei der Herr Fehlhauer damals beschäftigt war und rät Herrn Moysich, sich an deren Personalabteilung zu wenden. Ob dies tatsächlich eine heiße Spur ist, werden wir ja erfahren – hoffentlich in positivem Sinne. Danke, lieber Herr Henschen, auch für die liebevollen Worte, mit denen Sie die Arbeit an und für unsere Ostpreußische Familie anerkennen.

Den möchte ich auch Herrn Heinz Schlagenhauf aus Lensahn sagen, der besonders auf zwei Zitate aus meiner Kolumne eingeht, und als Beispiel gelten kann, wie sorgfältig und engagiert sie gelesen wird. Ich hatte kürzlich geschrieben, daß ich „die Gnade der frühen Geburt“ hätte – um Irrtümern vorzubeugen: ich hatte nicht damit meinen realen Eintritt in diese Welt gemeint, den ich als „Frühchen“ mit 2 ¾ Pfund Lebendgewicht absolvierte, und das mitten im  Ersten Weltkrieg! – sondern weil ich noch als Kind, jugendlicher und erwachsener Mensch meine Heimat in ihrer Schönheit, friedlichen Schönheit, erleben durfte! Herr Schlagenhauf schreibt dazu „Dies kann ich nur bestätigen, weil auch ich mich noch gerne an meine Heimat und Kindheit erinnere. Besonders jetzt im Alter werden viele Erinnerungen wach. Gerne denke ich noch daran, wie ich als Kind barfuß über das Stoppelfeld lief, oder wie ich im Leiterwagen die Beine zwischen die Sprossen steckte, wenn es zum Feld ging.“ Und dann noch zu einer anderen Feststellung, die ich erwähnte: „Sie schreiben richtig, daß man ,Ostpreußen’ mit ,Masuren’ gleichsetzt. Diese Erfahrung habe ich oft erlebt, auch daß man Ostpreußen heute kaum noch nennen kann!“

Wenn ich von Mosaiksteinchen spreche, so liegt mir besonders ein Kindheitsbild am Herzen, in dem sie fast gänzlich fehlen, obgleich wir es schon mehrfach versucht haben, wenigstens einige zu finden, aber leider blieb es leer. Ich kann nicht anders, ich muß noch einmal auf Wolfgang Schneider zu sprechen kommen, jenen Jungen vom Königsberger Sackheim, der als Vierjähriger allein in der zerstörten Stadt umherirrte und schließlich nach kurzem Aufenthalt in einem Kinderheim ausgewiesen wurde. „Niemand weiß über mich Bescheid,“ schrieb er mir vor einigen Wochen, aber das war eine nüchterne Feststellung ohne jede Spur von Resignation, denn Wolfgang Schneider aus Thalheim hofft weiter. Es muß sich doch jemand finden, der seinen Großvater Maximilian Schneider gekannt hat, – daran glaubt er unbeirrt trotz fehlender Resonanz auf unseren Bericht in der „Ostpreußischen Familie“ in Folge 29. Der heute 67jährige kann sich noch an das Haus Sackheim Nr. 94 erinnern, in dem sein Großvater Maximilian Schneider wohnte, der eine große Uhrensammlung besaß, und in dem das Kind nach dem Russeneinfall mit Mutter und Bruder lebte. Der Großvater wurde gefangen und verschleppt, die Mutter und ihr ältester Sohn verstarben an Typhus. Die einzigen Dokumente, die über Wolfgangs Herkunft Auskunft geben, sind eine DRK-Suchmeldung von 1948, in der das elternlose Kind als „Ostpreußen-

Rückführer“ registriert ist, und eine Wohnsitzbestätigung, in der unter der oben genannten Adresse ein Maximilian Schneider als Vater angegeben ist, Wolfgang behauptet aber, daß es sein Großvater gewesen sei. Von seinem richtigen Vater wie auch von seiner Mutter ist nichts bekannt, es fehlen jegliche Angaben. Nun hat Herr Schneider von unserer ebenfalls vom Sackheim stammenden Leserin Doris Festersen den Hinweis bekommen, daß es in Nr. 44 ein Uhren- und Schmuckgeschäft gab, das Herrn Bohn gehörte. Es könnte sein, daß Maximilian Schneider dort gearbeitet hat. Er kann uns jetzt auch die Namen der Bewohner von Nr. 94 mitteilen: Martha Ernst – Harry Gempf – Richard Klein – Rosemarie Moses – Hannelore Romeike geb. Spiza – Margarete Schwarz geb. Besteher – Renate Spiza, Irene String, Käthe Treu geb. Czyborra, Eginal Kauka, der sich als Einziger noch erinnern kann, und Elfriede Zeidler, geb. Rogall, die Herrn Schneider Fotos versprach. Das sind viele Namen, und vielleicht meldet sich jetzt aufgrund dieser Nennung jemand aus unserer Leserschaft, der Hinweise auf die Bewohner, ihre Familien und heutigen Wohnsitze geben kann. (Wolfgang Schneider, Feldrain Nr. 5 in 06766 Thalheim, Telefon: 03494/22338 )

Natürlich bleiben viele Fälle ungeklärt, aber es ist leider so, daß wir auch bei Erfolgen keine Nachricht bekommen, aus welchen Gründen auch immer. Und da erfährt man dann zufällig in einem Gespräch, daß sich auf eine, bereits sieben Jahre zurückliegende Suche, tatsächlich ein Zeuge gemeldet hat, der aufschlußreiche Angaben über das Schicksal des Vermißten machen konnte. So geschehen vor wenigen Wochen bei meiner Lesung auf dem Treffen der Angerapper Schüler in Bielefeld. Mein Landsmann Herbert Skroblin, immer einer der Eifrigsten in unserm Familienkreis – auch er hat sich rege an der „Buschebaubau-Diskussion beteiligt – erwähnte den Fall als Beispiel für unsere Arbeit, was mich natürlich verblüffte. Ich bat ihn um eine schriftliche Aufzeichnung, und die erhielt ich jetzt. Da die Frau, die damals ihren Bruder suchte, noch lebt, sich aber nicht gemeldet hat, will ich Namen und Vorgänge nur andeuten. Die Familie stammte aus einem Dorf im Kreis Angerburg. Der damals 15jährige Ernst Strz. war nach der Flucht im Ok-tober 1944 in den Westen gelangt, soll sich nach Kriegsende einem Ehepaar aus seinem Dorf angeschlossen haben, das zurück in die Heimat wollte. Einem Gerücht zufolge soll er in einem Straflager in Stolp gewesen sein. Sein Vater suchte bereits 1951 über das Ostpreußenblatt nach dem Sohn – vergeblich wie auch alle weiteren Bemühungen. Bis – ausgelöst durch eine Heimatreise der 55jährigen Schwester – die Angehörigen nach der Jahrtausendwende auf erneute Suche gingen und sich auf Anraten von Herrn Skroblin an unsere Ostpreußische Familie wandten – und siehe da: Es meldete sich der in Königsberg geborene Benno K. aus Berlin, der 1945 mit Ernst Strz. zusammen in dem russischen Straflager Ströpken

(Bahnhof Angerapp Ost) gewesen war. Der Junge war also doch wieder in seine Heimat gelangt, aber unter welchen Umständen! Als die Versorgungslage immer schlechter wurde, beschlossen die beiden Jungen, über die nahe Grenze nach Polen und weiter in den Westen zu gelangen, was bereits einigen Lagerinsassen geglückt war. Jetzt lasse ich Herrn Skroblin erzählen:

„Das Vorhaben wurde verraten. Bei der Durchsuchung fand die Miliz bei Ernst eine Pistole – ein Kinderspielzeug. Die Jungen wurden in Angerapp mit aller Brutalität verhört. Die Miliz unterstellte Ernst, daß er die Absicht gehabt hätte, mit der Pistole auf die sowjetischen Grenzsoldaten zu schießen. Benno K. kam halbtot wieder in das Lager Ströpken zurück, wo er bis zu seiner Ausweisung 1948 blieb. Ernst Strz. kam nicht mehr frei. Aus den Erfahrungen der damaligen Zeit zog man den Schluß, daß er die Folterungen nicht überlebt hat. So schmerzlich diese Erkenntnis auch war, hat es doch den Angehörigen die Gewißheit über sein Schicksal gebracht.“

Soweit Herr Skroblin, dem ich sehr herzlich für diesen Bericht danke. Denn an dem im November 2001 in unserer Ostpreußischen Familie geschilderten Schicksal haben mit Sicherheit viele Leserinnen und Leser Anteil genommen. Für uns ist jedes nachgewiesene Echo eine Bestätigung unserer gemeinsamen Arbeit. Und macht Mut und Hoffnung.

In unserer vorletzten Ausgabe hatten wir um Erinnerungsstücke für die Heimatstube Iserlohn gebeten – heute können wir etwas anbieten, was viele Leserinnen und Leser interessieren wird, vor allem, wenn sie aus dem Ermland stammen. Es handelt sich um Bände, Beihefte und Kartenmaterial aus der im Besitz von Herrn Gerhard Probian aus Braunschweig sich befindenden Sammlung der „Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands“. Diese muß leider aus Alters- und Platzgründen aufgelöst werden, wie Frau Elisabeth Probian schreibt. Sie hat ein mehrseitiges Angebot aufgelistet, das wir leider nicht in voller Länge bringen können, denn es umfaßt über 30 Titel, dazu kommen fast 50 Karten des Instituts für Angewandte Geodäsie von fast allen Städten Ostpreußens, aber auch von kleineren Ortschaften wie Medischkehmen, Ludwigswalde und Palmnicken. Von den das Ermland betreffenden Veröffentlichungen seien als Anhaltspunkte einige Titel genannt: Geschichte der Pfarrei Groß Berting – Das Bistum Ermland und das Dritte Reich – Die Katholische Arbeiterbewegung in den Bistümern Ermland, Kulm und Danzig – Bauernlisten aus dem Fürstbistum Ermland von 1660 bis 1688 – Sakrale Backsteingotik im Ermland – Frauenburg als ermländischer Seehafen im 17. und 18. Jahrhundert. Erwähnt muß auch „Das Elbinger Stadtbuch, Band 2“, werden, das die Zeitspanne 1361-1418 erfaßt.

Dies als kurzer Überblick über die Sammlung, die – wie das Ehepaar Probian wünscht – in gute Hände gegeben werden soll. Die werden wir im Kreis unserer Ostpreußischen Familie finden, dessen bin ich mir sicher. (Elisabeth und Gerhard Probian, Herzogin-Elisabeth-Straße 26, 38104 Braunschweig, Telefon: 0531/77675 , E-Mail: hase19121927@t-online.de).

Eure Ruth Geede

Foto: Fischerhaus der Familie Deleikis oder Jeleikis in Nidden 1938: Gibt es Nachfahren, die diese Aufnahme interessiert?


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