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27.09.08 / Der Fluch der Witwe / Auf eine ungerechte Tat folgt die Strafe auf dem Fuße

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

Der Fluch der Witwe
Auf eine ungerechte Tat folgt die Strafe auf dem Fuße

Die Försterei Seehorst steht auf einem Hügel unmittelbar am Niedersee und gehörte zur Gemeinde Kreuzofen. Sie wird von drei Seiten vom Wald umschlossen und ist von uralten Eichen bestanden, die bereits aus der Prußenzeit stammen. Nach Osten fällt das Hochufer steil zum Niedersee ab.

Die Großmütter erzählten, daß vor vielen, vielen Jahren, als hier noch die Galinder, ein Volksstamm der alten Prußen, lebten, auf diesem Berg ein Schloß stand, das dem Galinder-Fürsten, Hauptmann von Oelsnitz, gehörte, der über diese Gegend regierte. Dieser Fürst hatte drei hübsche Töchter, die den jungen Burschen dieser Gegend die Köpfe verdrehten.

Am Ende des Dorfes wohnten eine alte Witwe und ihr Sohn in einer alten Strohhütte, die sehr arm waren. Die Witwe hatte nur den einen Sohn, der leider keine Arbeit fand, um ihr Leben ein wenig lebenswerter zu gestalten. Deshalb ging er in den großen Wald und stellte Schlingen auf Hasen und Rehe. Darüber ärgerte sich der Schloßherr. Eines Tages erwischten ihn die Wildhüter beim Wildern auf frischer Tat.

Der Fürst von Oelsnitz war darüber so erbost, daß er zu ihm sagte: „Warte, mein Bürschchen! Dir wird schon die Lust auf mein Wild vergehen! Du wirst dein ganzes Leben an mich denken!“

Da sich der Sohn der Witwe nicht einsichtig zeigte, dem Fürsten aber die Gerichtsbarkeit unterstand, ließ er ihm durch seine Leute den rechten Arm wegen des wildernden Diebstahls abschlagen, damit er künftig keinem Hasen und keinem Reh mehr nachstellen konnte.

Daraufhin erschien die arme Witwe im Schloß und rief dem Fürsten zu: „Du bist ein ungerechter Herr! Du solltest beim nächsten Gewitter mit deinen Töchtern und deinem Schloß zur Hölle fahren! Ich verfluche Euch! Ihr solltet in der Hölle dieselbe Not und dieselben Qualen erleiden, die wir armen Menschen hier auf Erden durchleben müssen!“ Sagte es und verschwand, wie sie gekommen war.

Und ihr Fluch sollte sich erfüllen! Eines Nachts, es war 24 Uhr, brach um die Mitternachtsstunde ein fürchterliches Unwetter aus. Der Berg teilte sich und das Schloß verschwand mit dem Herrn von Oelsnitz und seinen drei hübschen Töchtern im Niedersee. Jetzt wachsen auf dem Sandberg starke masurische Eichen!

Heute erscheinen um 24 Uhr in der Johannisnacht die drei hübschen Töchter des Fürsten am Ufer der „Fürsterei Seehorst“ am Niedersee, um nackt zu baden. Dabei lachen, scherzen und rufen sie liebliche Worte, die den jungen Burschen im Dorf gelten. Sie treten dabei als Seejungfrau auf, wobei ihre Körper halb Mensch und halb Fisch sind.

Die jungen Männer des Dorfes, die sie sehen und fangen wollen, müssen in dieser Nacht zur „Fürsterei“ gehen und mit ihnen gemeinsam des Nachts baden. Bisher ist es noch keinem jungen Burschen gelungen, sie zu fangen und festzuhalten. Gesehen haben die Nixen viele von ihnen. Sie waren von ihrer Schönheit betört und angetan, aber auch gleichzeitig geblendet!

Die alten Leute erzählten, daß dieses verwunschene und verfluchte Schloß in der „Fürsterei“ mit dem Fürsten und seinen drei Töchtern wieder vom Grund des Niedersees auf dem Berg erscheint, wenn es einem der jungen Männer gelingen sollte, eine der Seejungfrauen zu fangen, festzuhalten und zu küssen.

Doch mittlerweile sind viele Hunderte von Jahren vergangen, ohne daß es einem jungen Mann gelungen wäre, die drei Töchter und das Schloß von dem Fluch der Witwe „loszuküssen“. Der Fluch der Witwe ist bisher stärker gewesen, als alle Versuche der jungen Burschen in Kreuzofen, die drei hübschen Töchter von der Verwünschung zu erlösen!    Günter Schiwy


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