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27.09.08 / Wer tötete Violeta? / Tatort Havanna

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

Wer tötete Violeta?
Tatort Havanna

Die einst koloniale Pracht Havannas befindet sich in Leonardo Paduras Roman „Der Nebel von gestern“ bereits im Zustand starken Verfalls, als sein Romanheld, der Ex-Polizist Mario Conde, einem Geheimnis auf die Spur kommt. Conde verdient sich in der armen Hauptstadt Kubas durch Aufkäufe und Wiederverkauf alter Bücher etwas hinzu. Hierbei stößt er auf eine „Goldader“: die Bibliothek der Familie Montes de Oca. Gehütet werden die wertvollen Bücher von dem alten, halb verhungerten Geschwisterpaar Dionisio und Amalia. Doch Mario Conde wäre nicht er selbst, wenn er nicht nach der Geschichte der Bücher fragen würde. Und so beginnt Amalia zu erzählen „Mama war damals 19 oder 20 Jahre alt, und die Montes de Oca besaßen zu der Zeit schon nicht mehr ganz so viel Geld, denn sie hatten 1929 durch die Weltwirtschaftskrise viel verloren … Deswegen schlug Senor Alcides meiner Mutter vor, mit ihm fortzugehen … Und wenn wir in Kuba bleiben wollten, könnten wir hier in dem Haus wohnen, er bitte uns nur um den Gefallen: uns um das Haus zu kümmern, vor allem um die Bibliothek.“

In einem Kochbuch aus der Bibliothek der Montes de Oca macht Mario jedoch einen Fund: eine alte Zeitungsseite. „Geschützt vor Luft und Licht hatte das 15 mal zehn Zoll große Blatt seine ursprüngliche, leicht grünliche Färbung beibehalten. Unten auf der Seite fand Mario Titel und Erscheinungsdatum der Zeitschrift: ,Vanidades‘, Mai 1960 … Überzeugt davon, daß die Seite noch eine andere, wichtigere Nachricht enthielt, faltete er sie auseinander … und schaute zum ersten Mal in die schwarzen Augen von Violeta del Rio.“

Dies ist der Moment, wo das Leben des Buchhändlers eine Wendung macht und die Bolerosängerin Violeta del Rio für El Conde zur Obsession wird. Verwirrt versucht er dieser Besessenheit auf den Grund zu gehen und stellt Nachforschungen in die Vergangenheit Havannas an, der Zeit, als sich Marlon Brando und Josephine Baker in den glamourösen Nachtclubs die Klinke in die Hand gaben.

Und schon bald beginnt sich für ihn „Der Nebel von gestern“ zu lüften und eine schreckliche Ahnung beschleicht den gesetzestreuen Ex-Polizisten. Ist die berühmt berüchtigte Nachtclubsängerin Violeta del Rio tatsächlich durch einen Akt der Selbsttötung zu Tode gekommen oder könnten eventuell die Montes de Ocas oder gar die Mafia ihre schmutzigen Hände im Spiel gehabt haben?

Mit „Der Nebel von gestern“ präsentiert Leonardo Padura dem Leser einen spannenden und atmosphärischen Roman. Vor dem inneren Auge des Lesers blühen die schäbigen Nachtclubs Havannas wieder auf und erstrahlen im alten Glanz seiner musikträchtigen Vergangenheit der dreißiger und vierziger Jahre.          Antonietta Ney

Leonardo Padura: „Der Nebel von gestern“, Unionsverlag, Zürich 2008, geb., 359 Seiten, 19,90 Euro


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