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27.09.08 / Opfer der Stasi / Ost-West-Liebespaar gerät in die Fänge der DDR-Staatssicherheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-08 vom 27. September 2008

Opfer der Stasi
Ost-West-Liebespaar gerät in die Fänge der DDR-Staatssicherheit

Vielen jüngeren Menschen dürfte kaum noch bewußt sein, welche absurden Formen der Macht der Stasi-Apparat über die Bürger der ehemaligen DDR ausübte. Angelehnt an derartige Fälle der Überwachung hat Wim Westfield die Handlung seines neuen Romans „Nur Engel fliegen höher“.

Die West-Ost-Liebesgeschichte spielt überwiegend 1989, im Jahr des Mauerfalls. Der Autor zeigt beide Seiten aus der Nahperspektive, die Überwachten und die Überwacher, wodurch sein Buch auch zum Agenten-Thriller wird.

Der 1963 in der DDR geborene Autor und Journalist hat die Machenschaften der Stasi, die in ihren Details an filmische Spionage-Burlesken erinnern, aus eigener Anschauung kennengelernt. An der Republikflucht gehindert, wurde er verhaftet und inhaftiert, durfte später die DDR verlassen und auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs als Reporter und Fotograf tätig sein.

Die Rahmenhandlung des Buches ist in der Birthlerbehörde angesiedelt. Ein junges Mädchen, Christin, verlangt im Jahr 2007 Akteneinsicht bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BstU) der ehemaligen DDR. Sie sucht Material für ihren Geschichts-Leistungskurs, da sie über spektakuläre Fluchtversuche mit selbst gebauten Flugapparaten aus den Jahren 1987 bis 1989 berichten möchte. Die Schülerin vertieft sich in das umfangreiche Aktenmaterial über den Fall des J. aus Rostock und der J. aus dem Westteil Berlins. Nachzulesen sind darin unter anderem intime Details über eine Ost-West-Liebesbeziehung. Eigens für diese Benutzung wurden die Namen der betroffenen Personen geschwärzt. Hintergrund des in den Akten dokumentierten Fluchtversuchs ist die Liebesgeschichte zwischen Jonas Maler, Redakteur der Rostocker Zeitung „Der Demokrat“, dem Bezirksorgan der Ost-CDU, und der Studentin Julia McCandle aus Berlin (West), einer US-Bürgerin. Die beiden lernten sich auf der Transitstraße kennen, als Jonas der jungen Frau bei einer Autopanne half. Sie verlieben sich ineinander, aber die Stasi ist ihnen schon auf den Fersen, um zu verhindern, daß sie ihre Beziehung fortsetzen. In die Enge getrieben, ersinnen Julia und Jonas Mittel und Wege, um in Kontakt zu bleiben. So schlägt sich Jonas trotz aller Hinderungsversuche der Überwacher über die grüne Grenze in die Tschechoslowakei durch, um seine Freundin ungestört in einem Prager Hotel zu treffen. Auch privat sind sie längst in einen kaum lösbaren Konflikt hineingesteuert, da sie in festen Partnerschaften leben. Jonas ist verheiratet und hat eine achtjährige Tochter, Julia lebt mit einem US-Amerikaner zusammen, der in Ost-Berlin als Beauftragter für innere Sicherheit an der US-Botschaft beschäftigt ist. Dieser Umstand wird von der Stasi ausgenutzt, um den US-Geheimdienst für die eigenen Zwecke einzuspannen.

Westfield erzählt von dem doppelten Konflikt der Liebenden vorwiegend aus der Sicht von Jonas. Der junge Mann kann nicht mehr klar denken – wie soll er sich entscheiden? Gleichzeitig steigt sein Wutpegel wegen der immer perfideren Übergriffe des Machtapparates gegen ihn, Julia und selbst gegen seine Frau. Die Geschichte könnte kaum verwickelter sein, zumal der Leser gleich zu Anfang erfährt, daß Jonas als nicht linientreuer Staatsbürger der DDR längst im Visier des Überwachungsstaates war. Ausgerechnet sein „Freund“ und Kollege Wolfram gehört zum Kreis der Spitzel. Als IM erfüllt Wolfram nur seine Pflicht, wenn er Jonas hintergeht.

Unrecht, das nicht in Vergessenheit geraten darf, leuchtet wieder auf in dem packenden Roman, der zum erneuten Nachdenken über Mitleidlosigkeit und amoralisches Handeln in der überwundenen Diktatur im Osten Deutschlands anregt, die ihre Bürger im Würgegriff hatte.      Dagmar Jestrzemski

Wim Westfield: „Nur Engel fliegen höher“, Be.bra Verlag 2008, geb., 256 Seiten,16,90 Euro


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