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04.10.08 / Es war einmal die gute DDR / Millionen Menschen verklären den SED-Staat – Massive Informationslücken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

Es war einmal die gute DDR
Millionen Menschen verklären den SED-Staat – Massive Informationslücken

Seit 19 Jahren ist Deutschland wieder vereint. Inzwischen verläßt die erste Generation, die nach dem Mauerfall geboren wurde, die Schulen. Doch selbst bei ihr wirkt die Teilung im Denken noch fort.

Wie die Freie Universität Berlin vor einigen Monaten in einer Studie nachwies, ist das Wissen der deutschen Schüler über die DDR erschreckend gering. Zudem hätten vor allem Schüler aus den neuen Bundesländern keinerlei Bewußtsein darüber, daß es in der DDR viel Ungerechtigkeiten gegeben habe. Für viele von ihnen war die Diktatur kein Unrechtsstaat, sondern schon fast ein Sozialparadies, in dem alle Arbeit hatten.

Vor wenigen Tagen gingen die Macher der Studie von der Freien Universität Berlin an die Presse und teilten mit, daß ihre Befragung von 5200 Jugendlichen auf eine große Resonanz gestoßen ist. Die inhaltliche Ausrichtung der Briefe und Mails erklärt auch, warum vor allem Jugendliche in den neuen Bundesländern der DDR positiv gegenüberstehen.

„Ich bin geborener DDR-Bürger, heute 38 Jahre alt und habe – Gott sei Dank – die DDR noch einige Zeit erleben dürfen“, schrieb ein Vater den Forschern. „Diese Zeit war ganz sicher nicht von Repressalien und Angst geprägt, sondern von einer Kindheit und Jugend in sozialer Sicherheit und Geborgenheit. Existenzangst, Zittern um den Job, Bettler und Obdachlose habe ich erst nach der Wende kennengelernt“, offenbart er seine Meinung über den Staat von Mauer und Schießbefehl und beschwört, alles daranzusetzen, um seiner Tochter ein „wahres“ Bild von der DDR zu vermitteln.

Haarsträubende Briefe wie dieser erreichten die Freie Universität Berlin in Massen. Es wird hervorgehoben, daß die DDR ein „modernes einheitliches Bildungswesen“ gehabt habe, „unabhängig vom Geldbeutel der Eltern“, zudem hätte es ein „durchorganisiertes Gesundheitswesen“, und eine „sozial gerechte Ordnung“ gegeben. Gerade diese weitverbreite Vorstellung über diese angeblich so soziale DDR ist im Empfinden vieler Menschen fest verankert, obwohl die inhaltliche Grundlage fehlt. Ökonomen weisen seit Jahren darauf hin, daß Millionen „kleine Leute“ in der DDR bei einer Wochenarbeitszeit von fast 44 Stunden einen weit geringeren Lebensstandard hatten als westdeutsche Sozialhilfeempfänger. Das Gesundheitswesen stagnierte mangels moderner Geräte vielfach auf dem West-Niveau der 60er Jahre, und das als so gerecht beschriebene Bildungssystem machte höhere Abschlüsse rigoros von der Linientreue von Eltern und Kindern abhängig. Trotz dieser Fakten gibt es immer noch viele Menschen in den neuen Bundesländern, die sich als Menschen zweiter Klasse fühlen. Wenn inzwischen der Zuspruch für die Linkspartei sogar im Westen steigt, ist der Grund wohl nicht nur der Frust über die in Berlin gemachte Politik, sondern auch eine Verharmlosung der DDR. „Wenn wir Älteren unseren Enkelkindern auch viel Positives über unser Leben in der DDR erzählen, hat das nicht mit Verklärung und Verharmlosung zu tun, sondern ist der Versuch, unser Leben in der DDR so realistisch wie möglich darzustellen“, wird in einer Zuschrift das Verhalten erklärt. Tatsächlich hatten ja die meisten DDR-Bürger wenig direkte Berührung mit dem Unrecht der DDR. Und daß der Staat 1989 pleite war, ist bis heute nicht in die breite Öffentlichkeit durchgedrungen.

„Wer Forschungen zur DDR nur auf Stasi und Mauertote reduziert, wird scheitern“, so das Fazit eines Kritikers der Studie. Offenbar hat er recht.    Rebecca Bellano

Foto: Verharmlosung: Im Zeichen von Hammer und Sichel und Rotem Stern wurden mehr Menschen ermordet als im Zeichen des Hakenkreuzes. Dennoch sind diese Symbole keineswegs tabu, sondern werden unbekümmert hergezeigt.

 

Zeitzeugen

Helmut Kohl – Er ist der Kanzler der Einheit, da er als einer der ersten die Zeichen der Zeit erkannt hat und die Schwäche des Kremls zu nutzen wußte. Dabei setzte sich der 1930 Geborene, der von 1982 bis 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland war, gegen massive Widerstände im In- und Ausland durch. Die von ihm prognostizierten „blühenden Landschaften“ auf dem Boden der ehemaligen DDR sind jedoch nur in einigen Regionen entstanden.

 

Wolfgang Schäuble – Zusammen mit Günter Krause, der damals Parlamentarischer Staatssekretär beim Ministerpräsidenten der DDR war, verhandelte der CDU-Politiker 1990 den Einigungsvertrag aus. Er regelte den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990 (Tag der Deutschen Einheit).

 

George Bush senior – Der Vater des heutigen US-Präsidenten George W. Bush war maßgeblich am Zustandekommen der deutschen Einheit beteiligt. Während Großbritannien und Frankreich gegen eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten waren, war Bush senior, der von 1989 bis 1993 US-Präsident war, dafür und leistete Überzeugungsarbeit bei den Bedenkenträgern. „Die Deutschen sollten ihr Schicksal selbst bestimmen. Ich glaube, die Geschichte hat mir recht gegeben ...“, urteilt der Amerikaner heute.

 

Margret Thatcher – Die britische Politikerin war von 1979 bis 1990 Premierministerin ihres Landes. Als sich in Deutschland eine Wiedervereinigung abzeichnete, sprach sich die Britin entschieden dagegen aus, da sie die Entstehung eines deutschen Superstaates fürchtete. Stattdessen warb sie für eine „demokratisierte“, aber selbständige DDR.

 

Michail Gorbatschow – Noch heute wird der ehemalige sowjetischer Präsident im Westen hoch geschätzt. Mit seiner Politik der Glasnost (Öffentlichkeit) und Perestroika (Umbau) beendete er den Kalten Krieg und stellte somit die Weichen für eine deutsche Wiedervereinigung. Sein Verzicht auf eine Vormachtstellung Moskaus in den Staaten des Ostblocks hat nicht nur den europäischen Kontinent, sondern auch die ganze Welt verändert.


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