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04.10.08 / Wenig »Rechtsruck« in Österreich / SPÖ und ÖVP wurden für 18 Monate Koalitionsstreit abgestraft – Trotzdem Neuauflage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

Wenig »Rechtsruck« in Österreich
SPÖ und ÖVP wurden für 18 Monate Koalitionsstreit abgestraft – Trotzdem Neuauflage

Es war eine Parlamentswahl der Superlative – mit einem Höchststand bei der Zahl von Wahlberechtigten (6,3 Millionen) und Parteien (22), aber einem Tiefststand bei der Wahlbeteiligung (71 Prozent) und den Anteilen von SPÖ und ÖVP.

Die SPÖ bleibt Nummer Eins, doch mit nur 29,7 Prozent (minus 5,6 Prozentpunkte). Auf die ÖVP entfallen 25,6 Prozent (minus 8,7), auf die FPÖ 18 (plus sieben), auf das BZÖ 11 (plus 6,9) und auf die Grünen 9,8 Prozent. Keine Mandate gibt es für das Liberale Forum, die Liste des Tirolers Dinkhauser und die KPÖ.

Die Regierungsbildung wird schwieriger denn je, weil sich außer Rot-Schwarz keine Zweierkoalition anbietet. SPÖ-Chef Werner Faymann lehnt eine Koalition mit FPÖ oder BZÖ ab. Dasselbe tun die Grünen – wenn sie überhaupt wer fragen sollte. Die FPÖ schließt die Tolerierung einer SPÖ-Minderheitsregierung aus. Eine ÖVP-Minderheitsregierung wiederum müßte durch mindestens zwei Parteien toleriert werden und käme für Bundespräsident Heinz Fischer, einen altgedienten SPÖ-Mann, ohnehin nicht in Frage. Und eine Wiedervereinigung von FPÖ und BZÖ scheint wegen der tiefen persönlichen Verletzungen aus den Zeiten der Parteispaltung vorderhand ausgeschlossen.

Obwohl der Einfluß der rechten Parteien also begrenzt bleibt, trommelt ein „antifaschistischer“ Alarmismus bereits wieder überall gegen den „Rechtsruck“. In der „Jerusalem Post“ wird sogar ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen angedroht. Doch wie sieht der „Rechtsruck“ bei näherer Betrachtung aus? In Sozial- und teils in Wirtschaftsfragen und – nach einem Schwenk der SPÖ – sogar in EU-Fragen stehen FPÖ und BZÖ der SPÖ heute näher als der ÖVP. Auch das Thema Zuwanderung spielte im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle. Die FPÖ thematisierte aber die von der ÖVP und den Kirchen verharmloste Islamisierung. Folgerichtig lehnte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Anerkennung des Kosovo strikt ab und warb offen um die Stimmen eingebürgerter Serben. Mit Erfolg. Mit rund vier Prozent der Wohnbevölkerung liegen die Orthodoxen nur knapp hinter den Muslimen und den Protestanten. Aber sogar eingebürgerte Türken bekennen sich zunehmend zu FPÖ und BZÖ, weil gut Integrierte nichts mit integrationsfeindlichen Neuzuwanderern und Asylbetrügern und mit deren rot-grün-liberalen Paten zu tun haben wollen.

Wählerstrom-Analysen zeigen ferner, daß SPÖ und ÖVP primär an die „Nichtwähler“ verloren haben, während FPÖ und BZÖ ihre einst frustrierten Anhänger von den Nichtwählern zurückholen konnten. Wechselwähler pendeln in Österreich also eher zwischen Stammpartei und Wahlenthaltung als zwischen den Parteien.

Die SPÖ verlor zwar auch massiv an die FPÖ, aber das waren meist Leute, die schon 1999 zur FPÖ gewandert, doch am Tiefpunkt der FPÖ 2005/06 zur SPÖ zurückgekehrt waren. Und das BZÖ gewann einen Teil der Stimmen zurück, die 2002 und 2006 die ÖVP kassiert hatte. Ein Rechtsruck? Höchstens in dem Sinn, daß die ÖVP Wähler verliert, denen sie zu liberal und zu wenig christlich ist – besonders in Wien, wo die ÖVP gleichauf mit den Grünen bei nur noch 15 Prozent liegt. Bei Wählern unter 30 Jahre ist übrigens die FPÖ klar in Führung.

Die Meinungsforscher lagen diesmal ziemlich richtig. Unterschätzt wurde einzig der „Haider-Faktor“: Jörg Haider hatte erst kurz vor der Wahl selber die Parteispitze übernommen, weil BZÖ-Chef Peter Westenthaler nach einer (noch nicht rechtskräftigen) Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage zurücktrat.

Inzwischen hatte das Ergebnis personelle Konsequenzen. In der ÖVP beerbt Landwirtschaftsminister Josef Pröll Vizekanzler Wilhelm Molterer. Und bei den Grünen ist der Wechsel wohl nur eine Frage der Zeit.       R. G. Kerschhofer


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