25.04.2024

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04.10.08 / Auflösung der Milieus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

Auflösung der Milieus
von Konrad Badenheuer

Welche mittel- und längerfristigen Auswirkungen hat das bayerische „Erdbeben“ vom vergangenen Sonntag? Ist eine Verschiebung der kompletten politischen Tektonik der Bundesrepublik Deutschland zu erwarten, wie sie zu beobachten war, als die SPD im Frühjahr 2005 nach fast 40 Jahren die Macht in ihrem „Stammland“ Nordrhein-Westfalen verlor? Immerhin traf dieser Wechsel die SPD ins Mark, der damalige Kanzler Schröder rief vorgezogene Neuwahlen aus, seitdem arbeitet eine große Koalition daran, die Hinterlassenschaften von sieben Jahren Rot-Grün zu bereinigen.

Wenn es nur nach der Höhe der Stimmenverluste ging, so wäre nun ähnlich Dramatisches denkbar: 17,3 Prozentpunkte – so viel hat noch nie eine Partei bei einer deutschen Landtagswahl verloren. Und doch spricht alles gegen derart gravierende Folgen. Denn in München wird es keinen Regierungswechsel geben, die Hoffnungen von SPD-Spitzenkandidat Franz Maget, ein Viererbündnis von SPD, Grünen, FDP und freien Wählen zustande zu bekommen sind so realistisch wie die Auffüllung des Chiemsees nach vorangegangener Abtragung der Zugspitze. Die entsprechenden Jubelbilder nicht etwa nur des Herrn Maget, sondern auch des Spitzenkandidaten der SPD im Bund, Frank-Walter Steinmeier, hinterlassen gerade aus der Distanz einiger Tage einen schalen Nachgeschmack.

Alles spricht für ein Bündnis von CSU und FDP, das an der Ausrichtung der bayerischen Politik wenig ändern wird. Die üppige Technologieförderung, die konsequente Mittelstandsfreundlichkeit, der ausgeglichene Haushalt – wenn es all das in Bayern nicht schon längst gäbe, könnte es die FDP nun fordern. Daß Kriminelle in Bayern künftig ein etwas leichteres Leben haben dürften, ist ärgerlich, wird aber den Freistaat nicht aus den Angeln heben. Auch absehbare Grußbotschaften von Landesministern zum Christopher Street Day oder zusätzliche Anstrengungen, um junge Mädchen in Berufe wie Bauarbeiterin, Panzerfahrerin oder Möbelpackerin zu bringen, werden wohl Fußnoten in der langen Geschichte Bayerns bleiben.

Auch große Verwerfungen für die Bundespolitik sind kaum zu erwarten. Realistisch gesehen war das Gewicht der CSU in Berlin in den letzten Monaten bereits nicht mehr größer als es der Zahl ihrer Bundestagsmandate entsprach. Die Zeiten, in denen die CSU im Bund mehr Einfluß geltend machen konnte, als es ihrer Größe entsprach, waren schon vor dem Ende der Ära Stoiber vorbei – seit Herbst 2005, als der heutige Ehrenvorsitzende der CSU nach zweimaligem Hin und Her auf ein Ministeramt im Bund verzichtete.

Was der CSU hingegen wirklich Sorgen machen muß, ist die Erosion der Volksparteien. Dieser Prozeß ist seit längerem im Gange, aber seit Sonntag ist klar, daß auch die CSU sich diesem Phänomen nicht auf Dauer entziehen konnte. Der tiefere Grund dafür wiederum ist die Auflösung gewachsener gesellschaftlicher Milieus. Die Zeiten, in denen große Teile der Jugend in Bayern in Schützenvereinen, Kolping-Jugend oder CVJM organisiert waren, sind vorbei, weil die dahinter stehenden Überzeugungen sich aufgelöst haben. Das wiederum ist eine Folge der 68er Bewegung, gegen die Helmut Kohl 1982 seine geistig-moralische Wende setzen wollte. Sie erwies sich als schwieriger zu erreichen als selbst die Wiedervereinigung Deutschlands.


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