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04.10.08 / »Das Aussehen spielt keine Rolle« / Vor 60 Jahren wurde der Citroen 2CV der Öffentlichkeit vorgestellt – Frühes »Drei-Liter-Auto«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

»Das Aussehen spielt keine Rolle«
Vor 60 Jahren wurde der Citroen 2CV der Öffentlichkeit vorgestellt – Frühes »Drei-Liter-Auto«

Ähnlich wie in Deutschland entstand auch in Frankreich vor dem Zweiten Weltkrieg der Wunsch nach einem Pendant zum US-amerikanischen T-Modell von Ford, nach einem klassenlosen preiswerten Automobil, das geeignet wäre für die Motorisierung der Massen. In Deutschland führte dieses Bestreben zum „Käfer“ von Volkswagen, in Frankreich zur „Ente“ von Citroen.

Trotz dieser Parallele gibt es bemerkenswerte Unterschiede zwischen den beiden Autos. So ist die „Ente“ viel stärker an den Interessen der Landbevölkerung orientiert, die im schwächer besiedelten Frankreich eine wichtigere Rolle spielt als in Deutschland. Das Lastenheft der „Ente“ spricht hier eine eindeutige Sprache. Mitte der 30er Jahre gab der Generaldirektor von Citroen, Pierre Boulanger, seinem Chefkonstrukteur folgenden Auftrag:

„Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Faß Wein bietet, mindestens 60 Stundenkilometer schnell ist und dabei nicht mehr als drei Liter Benzin auf 100 Kilometer verbraucht. Außerdem soll das Fahrzeug schlechteste Wegstrecken bewältigen können und so einfach zu bedienen sein, daß selbst eine ungeübte Fahrerin problemlos mit ihm zurechtkommt. Es muß sehr gut gefedert sein, daß ein Korb mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht. Und schließlich muß das neue Auto wesentlich billiger sein als unser Traction Avant. Das Aussehen des Wagens spielt überhaupt keine Rolle.“

Noch vor dem Zweiten Weltkrieg wurden erste Prototypen gebaut. Anders als der „Käfer“ wurde die „Ente“ allerdings nicht mehr vor dem Zweiten Weltkrieg bis zur Serienreife entwickelt. Der Kriegsausbruch und die deutschen Besatzer, vor denen das Projekt geheimgehalten werden sollte, brachten eine Zwangspause.

Nach dem Krieg ging es dann weiter. Allerdings dauerte es noch bis 1948, bis die „Ente“ der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Auf dem 35. Pariser Automobilsalon, der am 7. Oktober jenes Jahres seine Pforte öffnete, bekam das interessierte Publikum den neuen Citroen zu sehen. Wenn manche auch die „Ente“ für ein ebenso häßliches wie billiges Fahrzeug halten mögen, so war dieses Nachkriegsfahrzeug doch die reinste Luxuskarosse im Vergleich zu den Prototypen der Vorkriegszeit. Das Auto hatte nicht mehr nur einen, sondern zwei Scheinwerfer, und auch einen elektrischen Anlasser gönnte man ihm. Auch war nun nicht mehr der überwiegende Teil der Karosserie, sondern nur noch der obere Teil der Motorhaube aus gewelltem Blech. Des weiteren besaß das Fahrzeug nun einen vierten Gang. Dieser trug allerdings die Bezeichnung „Schnellgang“, da Boulanger aus Kostengründen auf einem Dreiganggetriebe bestanden hatte. Wie der „Käfer“ hatte auch die „Ente“ einen luftgekühlten Boxermotor, doch saß dieser vorne und trieb nicht die Hinterräder, sondern hochmodern die Vorderräder an. Hier profitierte die „Ente“ von ihrem großen Bruder, dem legendären „Tractin Avant“. Fortschrittlich war auch die Federung, schließlich sollte ja „ein Korb mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet“ überstehen. Das Stoffdach war übrigens kein Zugeständnis an die Freunde der Sonne, sondern sollte den Transport langer Gegenstände ermöglichen. Ursprünglich war auch die Abdeckung des Kofferraums aus aufrollbarem Tuch. Erst später kam eine konventionelle Kofferraumklappe aus Metall, bevor es schließlich dann sogar eine große Heckklappe im Stile des VW „Golf“ gab.

Als offizielle Typenbezeichnung wählte Citroen „2CV“, wobei „CV“ für „Chevaux Vapeur“ steht, was auf Deutsch „Dampfpferd“ bedeutet und die französische Steuereinheit für Autos ist.

Das Interesse an dem 2CV war enorm. Die Produktionszahlen entsprachen anfänglich nicht ansatzweise der Nachfrage. Gerade einmal 876 Einheiten wurden 1949 produziert. Die Folge war eine Rationierung. Dabei versuchte Citroen, vorrangig jene Kreise zu versorgen, „die bei der Ausübung ihrer Arbeit darauf angewiesen sind, sich mit einem Auto zu bewegen, und für die ein herkömmliches Auto zu teuer im Verbrauch und Unterhalt ist“, wie es in einer Verkaufsanweisung an die Konzessionäre hieß. Für eine nicht unerhebliche Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis spricht allerdings die Tatsache, daß die Vertreter für Wein und Spirituosen im Hinblick auf die Zahl der Zuteilungen eine der Spitzenpositionen einnahmen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Allmählich bekam jedoch Citroen die Produktion in den Griff, und 1950 gelang es dem Autobauer sich dem Produktionsziel von 100 Autos pro Tag anzunähern.

1966 schließlich lief die Produktion auf vollen Touren. 224174 2CV – 168357 Limousinen und 55817 Exemplare der 1950 vorgestellten Nutzfahrzeugvariante, der sogenannten Kastenente – verließen in jenem Jahr die Fließbänder. Einen zweiten Frühling bescherte der „Ente“ die Ölkrise. 1974 hatte der Citroen mit 163143 produzierten Einheiten sein zweitbestes Jahr.

Doch ähnlich dem „Käfer“ war auch der „Ente“ keine unbegrenzte Lebenszeit beschieden. Wie bei Volkswagen wurde auch bei Citroen in der Schlußphase die Produktion im eigentlichen Heimatland eingestellt, um dann noch für eine Übergangszeit in einem Land mit niedrigerem Lohnniveau weiterzulaufen. 1989 endete die Fertigung im französischen Produktionsstandort Paris-Levallois. Nach rund fünf Millionen produzierten Exemplaren lief am 27. Juli 1990 schließlich im portugiesischen Mangualde der allerletzte Citroen 2CV vom Band. Analog dem „Käfer“ galt auch die „Ente“ ihrem Produzenten mittlerweile als überholt – und zu billig. Manuel Ruoff


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