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04.10.08 / Aus der Traum vom Schloß / Das Königsberger Schloß wird wohl nicht wieder aufgebaut – Investoren bevorzugen Business-Bauten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

Aus der Traum vom Schloß
Das Königsberger Schloß wird wohl nicht wieder aufgebaut – Investoren bevorzugen Business-Bauten

Der ehrgeizige Plan, das 1968/69 von den Sowjets eingeebnete Königsberger Schloß wieder aufzubauen, steht vor dem vorläufigen Aus. Bürokratische Trägheit und der Streit zweier widerstreitender Lager über die Gestaltung des Stadtzentrums lassen dem Projekt kaum eine Chance. Der „Spiegel“ hat die Finanzierung des Projekts jetzt eingestellt.

Im Jahre 2001 hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Das Magazin  „Der Spiegel“ beauftragte mit Unterstützung der Gebietsverwaltung Architekten des Königsberger Gebietsmuseums für Geschichte und Kunst, in den Resten der Kellergewölbe nach Zeugnissen der Vergangenheit zu suchen, und übernahm die Finanzierung des Projekts. Damals bestand sogar die vage Hoffnung, das verschollene Bernsteinzimmer könnte sich dort tief unter der Erde wiederfinden. Wenn auch einige eindrucksvolle Funde ans Tageslicht kamen, das Bernsteinzimmer fand sich nicht. Dafür erweckten die freigelegten Fundamente der Schloßruine mit ihren imposanten Mauern und Gewölberesten das Interesse der Öffentlichkeit, so daß schließlich zur 750-Jahrfeier im Jahr 2005 auf dem Ausgrabungsgelände im freigelegten Westflügel ein Freilichtmuseum eingerichtet werden konnte. Seitdem ist es zu einer der Sehenswürdigkeiten im heutigen Königsberg geworden und erfreut sich einer großen Besucherzahl.

Probleme mit der russischen Bürokratie hatte es von Anfang an gegeben. Für die Fortsetzung der Ausgrabungen mußte Jahr für Jahr eine Genehmigung für die notwendigen technischen Arbeiten sowie für die Sondernutzung des Ausgrabungsgeländes bei den zuständigen Behörden eingeholt werden. Was bislang relativ problemlos funktionierte, ist in diesem Jahr zu einer unüberwindlichen Hürde geworden. Die aktuelle Genehmigung läuft am 30. Dezember dieses Jahres aus. Als der „Spiegel“ im Frühjahr die Verlängerung beantragte, wies die Stadtverwaltung den Antrag zurück mit der Forderung, der „Spiegel“ müsse zuvor ein Konzept zur Konservierung der bisherigen Funde vorlegen. Diese Aufgabe wies der „Spiegel“ zuständigkeitshalber an die Stadt zurück. Christian Neef, langjähriger Moskau-Korrespondent des Magazins und Koordinator für das Königsberger Schloß-Projekt: „… das ist zweifellos eine Aufgabe der Stadt beziehungsweise des Gebiets, weil nur auf dieser Ebene entschieden werden kann, welche Rolle das Areal des ehemaligen Schlosses bei dem Wiederaufbau des Stadtzentrums spielen soll.“ Weil sich bei der zuständigen Behörde in Königsberg bislang niemand mit der Vorbereitung der geforderten Konzeption befaßt hat und bereits freigelegte Teile der Zerstörung überlassen sind, schloß man auf deutscher Seite, daß die Stadtverwaltung kein Interesse an der Weiterführung der Ausgrabungen hat, und kündigte den Rückzug aus dem Projekt an.

Die Reaktion des „Spiegels“ kam nicht ganz unerwartet. Im Vorfeld hatte es Konflikte um die Person des ehemaligen Chefarchitekten der Stadt, Alexander Baschin, gegeben. Dieser hatte sich 2006 für einen originalgetreuen Wiederaufbau des Schlosses ausgesprochen. Seine Idee, die so weit ging, original mittelalterliche Baumaterialien zu verwenden wie etwa eine Mörtelmischung mit Eiweiß, wurde von den Verantwortlichen gleich wieder verworfen. Baschins Schloßvision löste eine Debatte um das künftige Antlitz des Königsberger Zentrums aus. Als künftige Verwendung des traditionsreichen Preußen-Schlosses wurde die Nutzung als Sitz der Gebietsregierung oder als Luxushotel diskutiert. Doch selbst die Zusage Wladimir Putins, die Hälfte der veranschlagten Baukosten von 100 Millionen Euro aus dem russischen Staatsbudget zu bezahlen, nützten nichts. Alexander Baschin wurde im Juli dieses Jahres seines Postens als Chefarchitekt enthoben. Vorausgegangen waren Konflikte mit der Stadtverwaltung über die von Baschin genehmigten Bauobjekte. Der junge Architekt war bei seinem Versuch, historische und moderne Bauelemente zu vereinen und dabei die Interessen der Investoren zu berücksichtigen, auf harte Kritik gestoßen. Auf sein Konto gehen der Bau des Handelszentrums „Fischdorf“ wie auch der von gläsernen Hochhausfassaden. Ihm wird eine „konzeptlose, punktuelle Neubebauung Königsbergs“ vorgeworfen, außerdem habe er sich den Interesen einzelner Investoren, die eine moderne Hochhausbebauung des Zentrums wollen, gebeugt.

Zwei Lager streiten über das künftige Aussehen Königsbergs: Die einen sprechen sich für „historisierende“ Baukonzepte aus, die sich auf die Geschichte und die gewachsene Topografie besinnen, wohl wissend, daß ein originalgetreuer Wiederaufbau Königsbergs kaum realisierbar ist. Die anderen sind die Investoren, die meist aus Moskau kommen. Sie wollen ein modernes, gläsernes Zentrum, in dem sie mit Shopping- und Businesszentren Geld verdienen können.

Mitten in diesen Streit hinein fällt die Entscheidung des „Spiegels“. Michail Andreew, Kulturminister für das Königsberger Gebiet, äußerte sein Bedauern. Aus der zuständigen Behörde kam die Erklärung, es läge gar kein Antrag des „Spiegels“ vor. Wenn einer vorgelegen hätte, wäre der selbstverständlich positiv beschieden worden. Vielleicht hat der „Spiegel“ zu früh aufgegeben, da eine Absage einer russischen Behörde gar nichts bedeutet. Wenn man etwas erreichen will, müsse man ständig bohren, heißt es aus Königsberger Kreisen. Vielleicht nutzte der „Spiegel“ die bürokratischen Hürden auch als Vorwand, sich aus der Finanzierung des umstrittenen Projekts zurück­zuziehen. Wie letztendlich über das zukünftige Königsberg entschieden wird, kann heute noch niemand voraussagen. Sollten die Entscheidungsträger sich aber nicht auf den historischen Wert der bisherigen Ausgrabungen besinnen, bedeutete das sicher das Ende aller Bemühungen um einen Wiederaufbau des Königsberger Schlosses.    

Manuela Rosenthal-Kappi

Foto: Nun droht die Einstellung: Arbeiten an den erhaltenen Fundamenten des Königsberger Schlosses


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