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04.10.08 / Aus dem Überfluß Rettung schaffen / Dankbarer Glaube und hilfreiche Liebe gehören zusammen – Gedanken zum Erntedankfest

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-08 vom 04. Oktober 2008

Aus dem Überfluß Rettung schaffen
Dankbarer Glaube und hilfreiche Liebe gehören zusammen – Gedanken zum Erntedankfest

„So laßt uns Gott durch Jesus allezeit Dankopfer darbringen; das heißt, uns mit der Frucht unserer Lippen zu ihm bekennen. Vergeßt nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen. Das sind die Opfer, die Gott Freude machen.“ (Hebr. 13, 15 +16)

Das Erntedankfest ist im Bewußtsein von uns Christen der Sonntag im Herbst, an dem es in der Kirche vom liebevoll-malerisch aufgebauten Obst und Gemüse nahe dem Altar her so gut duftet. Weil es da so viel Schönes zu sehen und wohl auch mal zu schmecken gibt, wird an dem Tag  gern ein Familiengottesdienst gefeiert. Am Montag kommen Kinder und Erzieherinnen der Tagesstätte, schauen sich die Pracht an und singen ein Lied dazu. Der Pfarrer sagt noch ein paar kindgemäße Gedanken. Nachmittags fährt ein Lieferwagen vor und bringt alles Genießbare zu der nächsten Sozialtafel. So geschieht es in vielen Gemeinden bei uns in Bayern und wohl auch anderswo.

Aber hat dieser Festtag mehr Wirkung auf uns Christen und unsere Gesellschaft als alle die anderen „Tage“, die etwas ins (Problem)-Bewußtsein rufen wollen, sollen? Wie der „Tag des Kindes“ oder der „des Baumes“ und andere, von denen wir plötzlich in den Medien erfahren, und die doch am übernächsten Tag, meist folgenlos, schon wieder vergessen sind?

Natürlich war ich im Religionsunterricht traurig, als in der Grundschule kein Kind ein Tischgebet kannte, ich ihnen solches und den Sinn erst beibringen mußte. Offenbar war es bei ihnen zu Hause kein Brauch. Doch richtig enttäuscht war ich, als erstmaliger Gast im Altenklub meiner neuen Gemeinde, daß nicht einmal dort ein Dankgebet oder Lied, ja nicht einmal ein gemeinsamer Beginn vor dem Genuß von Kaffee und Kuchen üblich war. Jeder begann sofort, ganz für sich, zu essen und zu trinken, sobald Teller und Tasse gefüllt waren. Dabei sahen diese Senioren gewiß nicht ausgehungert aus.

Der Predigttext für das diesjährige Erntedankfest erinnert uns Christen daran, ja fordert uns dazu auf, als unsere Antwort auf all das Gute, das Gott für uns getan hat und noch immer tut, ihm immer wieder in zweierlei Weise dafür zu danken und uns zu ihm zu bekennen: 1. Mit der „Frucht der Lippen“, also mit Beten und Singen. 2. Durch Guttaten und Teilen dessen, wofür wir zu danken haben. Ein Dankgebet, gesprochen oder gesungen, ist im Alltag leider auch bei Christen seltener geworden. Es kann und muß ja nicht immer, etwa im Restaurant oder in der Kantine, hörbar laut geschehen. Doch sollte zumindest innerlich, im Herzen, in Gedanken, nicht versäumt werden, unseren Dank für alles Gute, das wir konsumieren, was uns auf vielen Gebieten zur Verfügung steht und wir benutzen und besitzen dürfen, in einer angemessenen Weise auszudrücken.

Woran aber liegt es, daß wir solches Danken, egal in welcher Form, zu oft gedankenlos versäumen? Haben wir uns an all das Gute zu sehr gewöhnt? Nehmen wir es als zu selbstverständlich hin und sind so übersättigt, daß wir kaum noch echte Freude und Dankbarkeit gegenüber Gott empfinden können?

Wir Älteren erinnern uns sicher noch daran, wie dankbar wir waren, als wir uns nach dem Krieg zum ersten Mal wieder richtig satt essen konnten. Wie schaffen wir es, uns auch heute wieder richtig dankbar freuen zu können?

Müssen wir vielleicht auch mal Fastentage und manchen freiwilligen Verzicht auf uns nehmen, um unsere gedankenlose Ge- und Verwöhnung zu unterbrechen und unseren alltäglichen Reichtum neu zu entdecken?

Es mag einen zweiten Grund geben, warum wir zum Danken gegenüber Gott zu wenig fähig sind. Das ist die weit verbreitete Haltung und Meinung: Wir haben uns doch unseren Besitz und Lebensstandard selbst durch fleißige, harte Arbeit sauer verdient und dürfen stolz darauf sein. Es waren doch unsere Fähigkeiten, die uns so weit brachten. Da kann leicht die Einstellung aufkommen: Wem hätten wir denn überhaupt zu danken, außer uns selbst?  Aber sollten wir nicht – im Laufe unseres Lebens weise geworden – unsere Lebensleistung auch einmal tiefer durchleuchten und uns fragen, wem wir denn die Fähigkeiten, auf die wir so stolz sind, verdanken?

Ehrlicherweise müssen wir dann zugeben: Unsere Intelligenz, Leistungsfähigkeit, Arbeitskraft, Fleiß, Ausdauer, Forscherdrang und Gestaltungsvermögen haben wir zunächst von unseren Eltern als Anlagen geerbt, die dann von unseren Erziehern und Ausbildern gefördert und entwickelt wurden und in uns herangereift sind. Sehr viel verdanken wir deshalb anderen Menschen und oft genug günstigen Umständen, im Grunde also Gott, von dem wir alles haben. Sogar der vermeintliche Selfmademan hat, wenn er selbstkritisch und ehrlich ist, genügend Gründe, Gott zu danken.

„Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen“, ermuntert uns der Kirchenmusiker der Barockzeit Martin Rinckart (1586–1649) in einem seiner Lieder. Wenn wir wirklich dankbare Menschen sind, wird unsere Dankbarkeit nicht nur unser Herz erfüllen und unseren Mund zum Loben bewegen, sondern auch unsere Hände dazu bringen, von dem Guten, das uns von Gott her zugekommen ist, etwas weiter zu geben. Unser dankbar-frommer Aufblick zu Gott darf uns aber nicht blind machen für die Menschen, denen es längst nicht so gut geht wie uns. Unser dankbares Bewußtsein, mit vielem Guten, oft auch unverdient, beschenkt zu sein, ist erst dann vollwertig und ans Ziel gekommen, wenn wir auch bereit sind zum Weiterschenken, zum Abgeben von dem uns Anvertrauten.

„Schaff aus unserm Überfluß Rettung dem, der hungern muß“, bittet der Preußenschildträger der Landsmannschaft Ostpreußen Hans von Lehndorff (1910–1987) in seinem Lied „Komm in unsre stolze Welt“ (EG 428, 2).

Dankbarer Glaube und hilfreiche Liebe gehören zusammen wie die beiden Seiten einer Medaille. Keine Seite ist ohne die andere vollständig.

Das Grundgesetz spricht von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, was leider weithin nicht entsprechend eingefordert und verwirklicht wird. Die Bibel fordert Juden und Christen zur Nächstenliebe auf. Wobei der Begriff des Nächsten oft zu begrenzt definiert wird, das Gebot auch deshalb allzu oft folgenlos bleibt. Der Dank, den Gott von uns erwartet und der nicht nur am Erntedankfest angebracht ist, und das Bekenntnis zu Gott als dem Geber aller guten Gaben, bleiben hohl ohne ein entsprechendes persönliches, diakonisches, soziales und politisches Handeln für die Armen, Schwachen, nach Brot und Gerechtigkeit Hungernden nah und fern.

Beten wir mit Friedrich Walz (EG 649.4 im Regionalteil Bayern): „Dank für alle Gaben, hilf uns wachsam sein, zeig uns, Herr, wir haben nichts für uns allein.“

Klaus Plorin, Pfarrer i. R.

Foto: Tätige Nächstenliebe: Bereit sein zum Abgeben von dem uns Anvertrauten


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